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Anouk
Gefangener des Schicksals


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Traumreise in eine fremde Welt 27.07.2024 16:22

Beteiligte: Traumwesen (Takata), Anouk
Zeitpunkt: Als Anouk ungefähr 7 Monate alt war
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Quelle: Playground


Unerbittliche Kälte ergriff ihn, schlich ihm in die Glieder, erfüllte seinen Körper. "M..Mama?", dachte er sich, "Mama? Wo bist du? W..Wieso ist mir so..k..kalt?" Wieso spürte er ihren warmen Körper und ihr weiches Fell nicht? Warum fühlte er sich so..verloren? Wie Espenlaub zitterte er, das spürte er sogar im Schlaf. Erschrocken schlug er die Augen auf, sah sich hektisch um..und wurde auch gleich mit dem nächsten Schrecken konfrontiert. Denn anstatt im Schutze der Höhle, eingebettet in die Wärme und Geborgenheit seiner Mutter, aufzuwachen, schlug ihm pure Verlorenheit und Trostlosigkeit entgegen. Vor sich sah er eine Landschaft, die größtenteils aus Eis zu bestehen schien. Hier und da ragten ein paar Eisberge empor, doch sonst war hier nichts, außer kaltes Ödland. Zwar kannte er nicht nur die Kälte, sondern auch trostlose, unwirtliche Umgebungen - schließlich war es das, was er sein "Zuhause" nannte - aber gegen diese Einöde, die sich ihm hier bot, wirkte sein Zuhause geradezu einladend. Wo war er hier nur? Noch immer zitternd versuchte er, aufzustehen, um sich besser umsehen zu können. Dabei ging er besonders vorsichtig vor, denn er wollte nicht riskieren, auszurutschen. Als er gerade aufstehen wollte merkte er jedoch leichten Widerstand, etwas zog an seinem Fell. Er kämpfte dagegen an und richtete sich dann zittrig auf, nur um festzustellen, dass er etwas Fell am Eis gelassen hatte. War es etwa..daran festgefroren gewesen? Wie lange lag er denn schon hier?

Vor lauter Verwirrung schüttelte Anouk sich kräftig und richtete dann den Blick gen Himmel. Dieser begrüßte ihn mit einem Zelt aus funkelnden, schimmernden Sternen. Sein Blick blieb an ihnen hängen, fesselte ihn sogar für einen Moment, sodass er kurz alles um sich herum vergaß. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lefzen..die Sterne, sie wachten über ihn, spendeten ihm Trost. Doch wer wachte eigentlich über sie? Wer spendete ihnen Trost, wenn sie mal traurig waren oder sich allein fühlten? "Der Mond!", schoss es ihm durch den Kopf und er hielt Ausschau nach diesem. Doch..wo war er? Suchend blickte er umher, entdecken konnte er ihn aber nicht. "Keine Sorge, liebe Sterne..dann passe ich eben auf euch auf!", beschloss er dann und lächelte seinen strahlenden Freunden zuversichtlich entgegen. Als sich dann jedoch sein Blick wieder nach unten richtete und er sich wieder mit der kargen, trostlosen Einöde vor sich konfrontiert sah..verebbte sein Lächeln. Entmutigt legte er die Ohren an. Was war das für ein Ort? Und wie war er überhaupt hierher gekommen? Zwar hatte er eine lebendige Fantasie, doch selbst mit dieser fand er beim besten Willen keine Antwort darauf. Ihm blieb wohl also nichts anderes übrig, als diesen fremdartigen Ort zu..erkunden, vielleicht fand er ja so eine Antwort auf seine Fragen?

Ganz langsam setzte er also, immer noch zitternd, eine Pfote vor die andere. Dieser Ort war ihm nicht geheuer, er fühlte sich nicht wohl, doch..es würde ihm auch nichts bringen, auf irgendetwas zu warten, denn..worauf sollte er denn warten? Außerdem hatte er den Sternen versprochen, auf sie aufzupassen, und dafür musste er mutig sein! Also war er das jetzt auch und lief, wenn auch in kleinen Schritten, weiter. "H..Hallo..?", rief er dann schließlich, doch seine Stimme war nicht mehr, als ein Piepsen, unterdrückt durch das Unwohlsein. Neuer Versuch. Das konnte er besser. So räusperte sich Anouk, holte tief Luft und rief dann noch einmal "Hallo? I..Ist hier jemand?" Zwar war seine Stimme nun in einer normalen Lautstärke zu hören, aber durch ein leichtes zittern darin hörte man ihm trotzdem noch die Unsicherheit an. Zudem schien es so, als würde sein Ruf sich in der Weite verlieren, als würde die Leere ihn verschlucken. "M..Mama?", versuchte er es dann aber doch noch und kniff dann, abermals entmutigt, die Rute zwischen die Hinterläufe und legte die Ohren an. Wirklich Hoffnung auf eine Antwort hatte er nicht, doch..er wollte es nicht unversucht lassen. Ein paar Schritte lief er weiter, bis..KRSCH!

Geschockt sprang er, wie von der Tarantel gestochen, zur Seite, als etwas unter seinen Pfoten laut knirschte und schlitterte dann auf dem eisigen Boden entlang. Dabei kratzten seine Krallen im verzweifelten Versuch, Halt zu finden, über das Eis bis er schließlich in Schockstarre zum Stehen kam. Was war das?! Schnell atmend blickte er zu der Stelle, an der er eben noch gelaufen war. Auf den ersten Blick erkannte er nichts, was dieses Geräusch hätte erzeugen können, doch war er auch gerade gar nicht in der Lage, sich etwas zusammenzureimen, denn seine Gedanken wirbelten nur so umher, sein kleines Herz pochte schnell und laut in seiner Brust. "W..W..War..das der..B..Boden?.." So, als hätte ihn die eisige Umgebung nun selbst eingefroren, stand er da und war unfähig, sich in irgendeiner Weise zu rühren..nein, er wollte sich nicht rühren. Er traute sich nicht mal, zu blinzeln oder zu atmen. Zu groß war die Angst, dass sich der Boden auftun und ihn für immer verschlingen könnte, wenn er auch nur noch eine einzige Bewegung machte.

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27.07.2024 19:04


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Schon wieder einer. Das wurde offenbar zur Gewohnheit. Kleine hilflose Geschöpfe, die sich selbst verloren hatten, die durch ihre kleine leichte Seele gefallen waren wie das Obst durch ein Blätterdach. Selten aber stand die Ratlosigkeit so sehr über ihren Häuptern wie bei diesem Exemplar. Man konnte sagen, ein Rüde, ein junges Ding, hilflos wie Eh und Jäh, gerade einmal von den Zitzen seiner Mutter weg. Das Fundament solcher Wölfe war weicher als Treibsand; darauf etwas zu errichten, ein Ding der Unmöglichkeit. Spitze Zungen mochten behaupten, die triste Ödnis allein würde ihn schon formen, würde ihm eine verpassen, noch eine und noch eine, bis seine piepsige Stimme verstummte und er eins mit der ewigen Stille wurde, die ihn umgab wie eine letzte Ruhestätte. Jetzt gerade störte er diese Stille. Nicht nur durch sein erbärmliches Heulen, viel mehr noch durch seine unkoordinierten Bewegungen. Neugierig und unbedarft strauchelte er durch die eisige Landschaft, nur um sich zu vergewissern, dass hinter Steinen, Eis und Kälte noch mehr Steine, Eis und Kälte war ... und noch mehr und noch mehr davon. Wie weit mussten ihn seine Läufe tragen, bis es auch in seinem Kopf angekommen war, dass es hier nichts gab, nichts geben durfte, wenn er überhaupt eine Chance haben wollte. Aber das stimmte nicht. Es gab hier etwas. Es gab ihn. Und damit auch sie. Allein seiner Kraft, seiner Lebensenergie, dem Willen zum Leben oblag es, ob ihn nach dem Sturz in diese unwirkliche Welt etwas auffing oder ob er durch die Unendlichkeit glitt bis in alle Zeit. Er war noch so jung. zu schade, um ihn fallen zu lassen, zu unerfahren, um aufzugeben. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden.

Schweigend beobachtete die rauchige dunkle Gestalt, von der man nicht zu sagen wusste, ob sie echt war oder nicht, von einem erhöhten Punkt aus, wie ungeschickt er sich anstellte. Es hatte schon ganz andere gegeben. Großkotze, die so taten, als gehörte ihnen all das hier ... was nicht mal falsch war, aber auch nichts, worauf man stolz sein konnte. Er hier tat gut daran, keine all zu hohen Ansprüche zu stellen. Auch wenn Wölfe von Geburt an gehen konnten, er hier musste es doch erst lernen, auf eine andere Weise.
Ihre Schnauze stach in die dunkle Sphäre wie ein Pfeil, der ihn fortschicken wollte. Aber fort, das ging hier nicht. Er kam nicht weit, weil sich – auch wenn es bei genauerem Betrachten nicht so wirkte – am Ende doch alles widerholte. Ihre blauen Augen folgten jeder seiner Bewegungen wie ein Schatten. Es gab keinen Punkt, hinter dem er sich vor diesem blauen Blick verbergen konnte. Gab es nicht. Dies war ihr Reich, sein Reich, aber keines, das man für sich pachten mochte.
Auch wenn der Jungspund es nicht glauben mochte, aber sein kleines Missgeschick würde seinem Leib nicht zusetzen. Irdische physiologische Empfindungen waren hier ausgesetzt; hier galten andere Spielregeln und das machte den wohl einzigen Reiz dieser Welt aus. Die Sterne, die Himmelskörper über ihren Köpfen waren schweigsame Kulissen dieses traurigen Schauspiels – sie war es nicht.
Nachdem er endlich zum Stehen gekommen war, verstummte er fürs Erste. Ein guter Zeitpunkt, um ihm zu verdeutlichen, dass die Landschaft nicht so leblos war, wie sie auf den ersten Blick wirkte. Einige Steinchen prasselten von ihrem Vorsprung herab, kullerten verdächtig in seine Nähe. Wenn er dies nicht bemerkt hatte, war er es nicht wert, aufgefangen zu werden. Dabei war das ihre einzige Aufgabe ... eine, die wie ein Fluch auf ihr lastete und sie letztlich unglücklicher machte, als jeden, der es bis hier her geschafft hatte.

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27.07.2024 20:22

Wann war es endlich sicher? Wann würde er sich wohl wieder bewegen können? Musste er jetzt für immer hier, auf dieser einen Stelle, verharren? Wie gebannt starrte er auf den Fleck, wo er bis gerade eben noch gelaufen war. Deutlich hörte er das weiterhin in seiner Brust schlagende Herz, es hallte laut in seinen Ohren wider, ließ seine Atmung schneller werden. Was ihm wie eine Ewigkeit vorkam, waren nur ein paar Momente, doch als auch weiterhin nichts passierte wurde sein Herzschlag etwas ruhiger und seine Atmung wieder langsam. Noch zittrig sah er wieder hinauf in den Himmel zu den Sternen. "Liebe Sterne..i..ich bin jetzt mutig..für euch.." Entschlossen nickte er, richtete sich wieder zu voller Größe auf, atmete tief durch und schüttelte sich dann. Ein Blick umher sollte dann Aufschluss bringen, denn bisher hatte er es nicht realisiert, aber hier und da lag auch etwas Schnee. Und wo kein Schnee lag, da bestand der Boden aus Eis oder kleinen..Eisbrocken? Eiskristallen? Auf eben so einen musste er wohl getreten sein..zumindest konnte er es sich nur so erklären. An diesem Gedanken wollte er festhalten, denn er war weitaus beruhigender, als..die andere Möglichkeit.

Gerade, als er sich mit seiner neu gewonnenen Zuversicht wieder auf den Weg machen wollte..da hörte er wieder etwas. Sofort stellte er die Ohren auf und sah abwechselnd nach links und rechts. Was war das? Hatte er sich getäuscht und der Boden würde ihn jetzt doch verschlucken? Aber nein..dieses Geräusch war ein anderes, es hörte sich an, wie..Steine? Genau im richtigen Moment konnte er noch sehen, wie die Steine neben ihm her kullerten, doch dann..erstarrte er wieder. Moment..setzten sich Steine einfach so in Bewegung? Kamen da vielleicht noch..größere Steine? Hatte dieser Ort etwas gegen ihn und wollte ihn mit allen Mitteln..loswerden? Missmutig legte er die Ohren an und begann, sich langsam, wie in Zeitlupe, umzudrehen. Er hatte große Angst davor, zu sehen, was ihn jetzt erwartete. Als er sich dann endlich umgedreht hatte sah er ebenso langsam nach oben, Stück für Stück, in voller Erwartung, einen großen Felsbrocken auf sich zurollen zu sehen..doch..nein. Was er nun erblickte, schockte ihn sogar noch mehr. Denn etwas weiter oben, auf einem Vorsprung, da..stand jemand. Eine..Gestalt. Ein Schattenwesen, dessen blaue Augen die seinen zu durchdringen schienen. Augen, die direkt in ihn hinein schauten und dafür sorgten, dass sich in ihm alles zusammen zog. Sie lagen direkt auf ihm, beobachteten ihn. Wer..war das? Oder..was? Anouk hatte so eine Gestalt noch nie gesehen, ihr Fell war, als wäre es von Rauch überzogen, wie der Nebel selbst waberte er über den Körper des fremden Wesens. Und doch..hatte diese Gestalt etwas bekanntes an sich, die Form erinnerte entfernt an einen Wolf. Diese Tatsache beruhigte ihn aber nicht, nein, viel zu sehr eingenommen war er von den Augen und der Erscheinung des fremden Wesens. "W..W..Wer..", unternahm er dann den Versuch, etwas zu sagen, doch es schnürte ihm sofort die Kehle zu und er bekam keinen Ton mehr heraus. Wer war dieses fremde Wesen? Und..was war es? Was wollte es von ihm? So viele Fragen, die er gern stellen wollte, gingen ihm durch den Kopf, doch..er traute sich nicht.

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28.07.2024 13:15


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Sein Auftreten war bilderbuchartig und passte an diesen Ort wie der Jahrtausende alte Staub, der die Steine bedeckte. Er verhielt sich im Grunde so, wie man es erwarten durfte von einem, der gerade erst geschlüpft war. Doch konnte man es ihm nicht zum Vorwurf machen, schließlich war ein Jeder mit Situationen wie diesen überfordert. Trotzdem war kein Wolf exakt so wie der andere; die Mischung wich jedes Mal ein Stück ab und stellte so etwas dar wie die individuelle Würze. Allein seine Körperhaltung, seine Gestik sprach eine eindeutige Sprache.
Ihr Brustkorb ging unmerklich auf und ab, dabei war dies nur ein Reflex, denn wirklich atmen tat man hier nicht. Es wäre auch nicht möglich gewesen. Das Schimmern in ihren blauen Augen, die zweier Edelsteine glichen, war dagegen echt und womöglich das Einzige hier, das auf einen Besucher, wie er es war, interessant und abwechslungsreich wirken mochte. Ansonsten wirkte sie wie gemalt - das vordere Pfotenpaar schnurgerade parallel, das Haupt aufrecht, die Schnauze lang und schmal auf den armen Wicht weisend, der ihm dort geschickt worden war. Doch genug der metapherartigen Umschreibungen. Der Junge musste unterwiesen werden in die Bedeutung seines Besuchs, in die Bedeutung seines eigenen Seins und den weiteren Verlauf der Dinge.

« Schhht », drang es von ihr herunter, ohne, dass sie ihre Lefzen dafür entscheidend öffnete. « Ruhiiiiig », schien ein Wind zu säuseln, sodass man sich fragen durfte, ob es wirklich von ihr kam oder nur einem Windspiel entsprach, das es hier jedoch in der Form nicht gab.

Sein Herz musste rasen, wie das eines Vogels. Ihn weiter zu verängstigen, zu intimidieren, hätte bedeutet, sein Überleben aufs Spiel zu setzen. Ein junges Wolfsherz hatte Grenzen, es ertrug nicht jede Form der Einschüchterung, dessen musste man sich bewusst sein.
Der Rauch, der die dunkle Gestalt umgab, verschmolz mit der Figur, die ihr Körper scheinbar abbildete und formte daraus einen hoch aufgerichteten Kegel. Diese Spirale aus aufsteigendem Rauch fand ihren Gipfel in vollendeter Verfinsterung, eh sie verschwunden war. Zurück blieb die öde, trostlose Landschaft nun auch da, wo bis eben noch so etwas wie ein weiblicher Wolf gestanden hatte.

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28.07.2024 17:40

Das fremde Wesen stand auf dem Vorsprung so still und unbeweglich, als wäre es selbst ein Fels. Und genau das wirkte auf den kleinen Anouk einschüchternd, denn es vermittelte gleichzeitig auch den Eindruck, als könne ihn diese Gestalt jederzeit anfallen, sollte er auch nur für einen winzigen Moment unachtsam sein. Ja, es schien gerade so, als wartete das Wesen nur auf diese Chance. Doch er hatte gar nicht vor, seine Augen abzuwenden - das konnte er gar nicht. Die Gestalt hatte ihn mit ihrem Blick fest im Griff. In ihm schrie es danach, zu verschwinden, weg zu rennen, doch das würde dazu führen, dass er den Blick abwandte..und das wollte er nicht. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als das wolfsartige Wesen aus geweiteten Pupillen anzustarren. Oder genauer gesagt..in die endlos blauen Tiefen seiner Augen. Was ihm dabei auffiel war, dass sie eine Art funkeln in sich trugen, fast wie..die Sterne? Das Schimmern in ihnen hypnotisierte ihn fast, versetzte ihn in eine Art Trance und schaffte es seltsamerweise sogar, dass er sich etwas beruhigte. Seine Atmung wurde wieder etwas normaler und auch sein Herz schlug langsamer. Da waren nur er und die Augen..sonst nichts. Nur er und das blaue Schimmern, nicht die unheimlich trostlose Welt um sie herum.

Ewig hätte er in die Augen starren können, doch..plötzlich riss ihn ein Geräusch aus der Hypnose. Es war das Wesen, es zischte ihm etwas zu und er zuckte leicht zusammen. Dann folgte etwas, das Worten glich, doch er war sich nicht sicher, ob er Worte hörte oder ob es der Wind war. Wobei..gab es den hier überhaupt? Hatte er ihn bisher gehört? Oder war die Landschaft sogar so verlassen, dass sich nicht mal mehr der Wind hierher traute? Die Geräusche hallten nun in seinem Kopf wider und ersetzten dort für einen Moment alle Gedanken, die er hatte: "Schhht..ruhiiiiig.." Geradezu gespenstig hörten sich die Worte an, doch verfehlten sie ihren Zweck. Sie wirkten nicht beruhigend auf ihn, nein, eher versetzten sie ihn wieder in Angst, lösten Stress in ihm aus. Denn sie verblieben in seinem Kopf, verschwanden nicht, machten nicht Platz für seine eigenen Gedanken, pflegten sich in seine Gedankenwelt ein. Immer wieder hörte er die Worte. Und je öfter sie sich wiederholten, umso lauter schienen sie auch zu werden. Er wollte sich schütteln, wollte die Worte loswerden..doch..auch weiterhin konnte er sich nicht rühren. Es war zwecklos. Er war diesem Wesen schutzlos ausgeliefert.

Jedenfalls schien es so. Denn mit einem mal passierte etwas. Der Rauch, der dieses Wesen umgab vereinigte sich mit dessen Körper. Beide wurden eins. Danach schien der Rauch kegelförmig in einem darüber liegenden Punkt eingesaugt zu werden. Restlos. Und mit dem Verschwinden der Gestalt löste sich auch der Bann, der auf Anouk lag, und zwar so plötzlich, dass er stark zusammen zuckte und sich Mühe geben musste, nicht einzuknicken. Hastig blickte er sich nun um. Wo war der Fremde? Niemand konnte so einfach von einem Moment auf den anderen verschwinden..oder? Allerdings gab es auch niemanden, der aus Rauch bestand..woher sollte er das also wissen? Eine Sache wusste er aber. Es war ein Instinkt, der nun einsetzte. Eine Stimme in seinem Kopf, die ihm etwas zu rief. "Lauf!" Und das tat er auch. Er rannte los, steuerte die nächstbeste Richtung an, auch, wenn er nicht wusste, wohin ihn sein Weg führen würde. Aber das war ihm egal..jetzt zählte nur eines: Er musste verschwinden. Weg von hier, bevor die tückischen, blauen Augen dieses Wesens ihn abermals zum erstarren brachten und er ihnen womöglich nie mehr entkommen konnte.

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04.08.2024 12:27



Die Reaktion des Jungen fiel wenig überraschend aus. Aber sein Versuch, in einer Ödnis wie dieser davonzurennen, hatte trotzdem etwas, das von enormer Hilflosigkeit herrührte. Dabei war es so sinnlos, zu versuchen zu flüchten. Der junge Wolf versuchte seinen eigenen Schatten abzuhängen, was zum Scheitern verurteilt war.
Aus Rauch war Nichts geworden, das keinen optischen Unterschied zum Rest der Gegend mehr machte. Und nichts, das war so ziemlich überall. Ein luftleerer Raum, erfüllt von diffusem Licht und seltsam wabernden Ringen und Kreisen, die von anderen Gasen als dem Sauerstoff herrühren mochten ... oder nur der eigenen Vorstellungskraft entsprangen. Dieser Ort war wie ein Ort in der Ekstase, ein Traumland, das nur eistierte, solange der Träumende war. Der Raum konnte sich krümmen und der Arme lief im Kreis. Dass Vorhaben, den ersten Eindrücken zu entkommen, war falsch und ohne jeden Erfolg. Die Gestalt des weiblichen Wolfs, schlank und rank und so tiefschwarz wie das Nichts, wartete sogar bereits auf ihm. Umrahmt von zwei großen Steinsäulen, die eine Art Portal bildeten und dort schon seit Anbeginn der Zeit zu stehen schienen, dort saß sie, fast wie eine Katze abends auf einer kaputten, rissigen Mauer im Mondlicht. Den Schwanz eng angelegt, die Ohren aufrecht und ... den blauen Blick starr auf ihn gerichtet. Komm nur ... lauf zu mir .. komm nur, ich helfe dir.
Ironischerweise verlief der Schatten dieses Wesens, lang und schmal, fast bis zu seinem vorderen Pfotenpaar. Die beiden spitzen Ohren, die das weiße Licht anderer Himmelskörper, die sie benachbarten, ausgrenzten und einen Raum aus Dunkel erschufen, mahnten ihn spitz, nicht zu versuchen, irgendwie zu entkommen.

« Fürchte dich nicht », erklang es melodisch aus ihrem schwarzen Maul, wobei man auch dieses Mal nicht sicher sein mochte, ob es wirklich ihr entsprang oder ein Gesang war, der von irgendeinem Wind getragen durch den Raum hallte. Am Ende entsprang er nur seinem verwirrten, verängstigten Geist, der so etwas erwartete, erhoffte, einfach, um sich nicht fürchten zu müssen.
Nachdem eine erdrückende Stille ihrerseits eingekehrt war, summte es aus der Richtung des schattenreichen Gesichts erneut.
« Dir geschieht nichts ... kann nicht geschehen ... »

Hoffentlich war das Katz'-und-Maus-Spiel damit beendet, denn er verschwendete seine Zeit. Hatte er je zuvor versucht, Licht und Schatten abzuschütteln? Nicht weniger sinnlos war das Unternehmen, sie loswerden zu wollen. Er musste den ersten Schrecken überwinden, um bereit für seine erste Lektion zu sein. Vorher war alles andere sinnlos.


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04.08.2024 14:21

Rennen. Nur rennen. Etwas anderes gab es im Moment für ihn nicht. Das einzige, was er spürte und hörte waren seine Pfoten, die auf dem eisigen Boden trommelten und ihn stetig voran trieben. Sogar die Augen hatte er geschlossen, denn er wollte nicht wieder in den Sog der blauen Augen des Wesens geraten. Aber auch einen weiteren, etwas kindlichen Grund gab es - er wollte alles um sich herum ausblenden und erhoffte sich dadurch, diese öde, endlose Landschaft würde verschwinden. Wie viel Zeit verging wusste er nicht, doch als er die Augen wieder für einen kurzen Moment öffnen wollte, um zu prüfen, ob sein Vorhaben geglückt war..sollte er eines besseren belehrt werden. Schlitternd, die Vorderpfoten in den Boden stemmend und mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen, kam er zum stehen als er das Wesen, bereits wartend und umgeben von zwei Steinsäulen, vor sich sitzend sah. Wie konnte das sein? Ungläubig starrte er die Gestalt an und die Verwirrung darüber war so groß, dass sie sogar für einen Moment seine Angst vertrieb. War er nicht davon gerannt? Oder war das Wesen vielleicht so schnell, dass es ihn mit Leichtigkeit hatte einholen können? Er betrachtete es genauer, von den Pfoten, den schlanken Läufen, bis hinauf zu den spitz aufgerichteten Ohren, hin zu..den Augen. Diese Augen, die es vermochten, einen in ihren Bann zu ziehen, einen zu lähmen. Die Augen, die in seine Seele gedrungen waren und ihn komplett eingenommen hatten. Wieder waren sie auf ihn gerichtet und er kam nicht umhin, ihren Blick zu kreuzen. Doch hielt er dessen Intensität nicht lange stand, denn sie vertrieb auch seine Verwirrung wieder und erinnerte ihn an seine Angst. Sein Körper begann zu zittern und voller Ehrfurcht machte er sich so klein, wie er konnte, presste den Bauch auf den Boden und sah von unten auf die Wolfsgestalt hinauf.

Es gab kein Entkommen. Das wurde ihm nun bewusst, während er hilflos das Wesen vor sich ansah. Egal, wie oft er versuchen würde, weg zu laufen - es war zwecklos. Was sollte er also tun? Auch sonst hatte er keine Chance..war er doch nur ein Welpe. Viel zu schwach, viel zu klein, um sich in irgendeiner Form behaupten zu können. "Fürchte dich nicht", erklang dann wieder die Stimme, welche von überall zu kommen schien und direkt in seine Gedankenwelt eindrang. Sanft wie eine Melodie schmiegte sie sich in die Fugen seines Seins, so, als wolle sie ihn beruhigen. Emotionen überkamen ihn, Gefühle..es kam ihm vor, als würde er sich an das geschmeidige, warme, Geborgenheit versprechende Fell seiner Mutter pressen. Und tatsächlich - langsam legte sich seine Angst, zumindest so weit, dass er aufhörte, zu zittern. Auch schaffte er es, seinen Blick zu lösen. Langsam sah er hinauf in den Himmel..und erblickte abermals die Sterne. Sie funkelten, fast so, als wären sie aufgeregt. Feuerten sie ihn an? Er hatte versprochen, sie zu beschützen. Doch konnte er das überhaupt? Er? Ein kleiner Welpe?

Wieder sah er dem Wesen in die Augen und versuchte dieses Mal, dem Blick stand zu halten. Solange er es nicht versucht hatte, wusste er nicht, ob er es schaffen konnte. Ob er sie beschützen konnte. Und genau das nahm er sich jetzt vor - es zu versuchen. Von neuem Mut gepackt richtete er sich also langsam auf, dabei die Augen des Wesens fixierend. bis er schlussendlich stand. Er wollte einen Schritt nach vorn treten, hatte auch schon eine Pfote gehoben, doch..bemerkte er dann den Schatten der Gestalt. Es war, als würde dieser ihm Einhalt gebieten, so setzte er die Pfote wieder ab und ließ sich auf seinen Hinterläufen nieder. Danach übte er sich daran, eine selbstbewusste Pose einzunehmen. Er reckte den Kopf nach oben, richtete die Ohren spitz auf, tat es also der Gestalt gleich, richtete sich so gerade, wie möglich, auf und hielt auch weiterhin dem Blick stand. "Dir geschieht nichts..kann nichts geschehen..", ertönte es dann noch in seinem Kopf. Das gab ihm den letzten Rest Mut, den er benötigte. "W..Wer bist du?", fragte er schließlich, wenn auch etwas stockend. Auch war seine Stimme diesmal fester und deutlicher hörbar. "U..Und..wo..bin ich hier?", fügte er dann noch hinzu und hoffte, dass er eine Antwort auf seine Fragen bekam..oder, dass sich zumindest irgendetwas aufklärte.

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07.08.2024 19:07



Der junge Bursche hatte die Flucht fürs Erste aufgegeben und war zum Stillstand gekommen – nicht ganz freiwillig, augenscheinlich war er viel mehr verzweifelt. An seiner Angst hatte sich nichts geändert, erst nach und nach schien er sich etwas zu beruhigen und die Fassung wieder zu erlangen. Es erfüllte sie mit Zufriedenheit, ihn auf dem richtigen Weg zu wissen. Dennoch verließ sie ihre Stelle nicht, sondern manifestierte ihre Pose wie zu einer Säule erstarrt, womit sie gut in diese Gegend aus Stein und Fels passte.
Der Rüde hielt den Blick auf sie, als hatte er etwas zu bieten, als meinte er, seine Augen wäre etwas Durchdringendes gewesen, etwas Andauerndes, Furchteinflößendes. Wenn sie jedoch meinte, dass Furcht nicht angebracht war, dann bezog sie das selbstredend auch auf sich selbst. Angst war stets ein schlechter Ratgeber und hier noch dazu vollkommen Unnütz. Es wäre, als wäre der Wolf mit Flossen hier hergekommen, dabei waren die einzigen Seen und Meere an diesem Ort seit Anbeginn aller Zeit zu festem Eis erstarrt.
Letztlich ließ sich der Wolf sogar dazu hinreißen, sein Innerstes in Laute zu packen. Obgleich seine Gefühlswelt keine Überraschung war, brachte er zum Ausdruck, was ihn beschäftigte, was ihn umtrieb und zu seinem gezeigten Verhalten veranlasste. So weit so gut. Seine Fragen sollten nicht unerhört bleiben, doch ahnte sie, dass ihm die Antworten darauf nicht genügen würden.

« Ich ... bin dein Schicksal, dein Schatten, dein Gewissen und der Weg, dem du durch das Leben folgst. » erstmalig legte sich ein kleines Lächeln auf ihre dunklen Lefzen. Ihr blauer Blick wirkte erstmalig ein wenig freundlicher; mit viel Fantasie ließ sich etwas Mütterliches hineininterpretieren, doch das war Auslegungssache. « Deshalb ... brauchst du keine Angst haben. »

Seine nächste Frage war naheliegend aber doch noch schwerer zufriedenstellend zu beantworten als die erste. Dieser Ort war schwer zu beschreiben, denn jeder sah etwas Anderes in ihm. Für die Einen – und dazu gehörte er sicher – war dies eine staubige Wüste aus Stein und Geröll, umhüllt von Schatten und Zwielicht, getaucht in Kälte und Tristesse. Für andere war dies ein Paradies, ein Ort der Unberührtheit, der unendlichen Freiheit, frei von allem, was ihn zu verändern drohte; durch In-Besitz-Nahme, durch Umwandlung oder durch Abtragen. Wesen wie er fanden nichts an diesem Ort, hegten keine Ambitionen, sich seines einzuverleiben, ihn zu beanspruchen, auf welche Weise auch immer – genau das machte ihn zu einem Ort der Glückseligkeit für alle, die von Ruhe zehrten.

« Dieser Ort ist das Fundament unserer Zeit. Jeder Raum, der aus begreifbaren Dingen besteht, hat einmal so begonnen. Er ist die Wiege aller Kreaturen ... also auch die deine. » Sie ließ den Kopf einmal herumfahren und schwenkte denn blauen Blick über die Wüste aus Stein, Eis und Staub. Alles lag so friedlich eingebettet in seiner Umgebung und schien seit unzähligen Tagen und Jahren unberührt. Dieser Ort war etwas, auf dem man aufbauen konnte, etwas, woran man festhalten konnte. Nichts bot mehr Kontinuität und Zuverlässigkeit als diese Wüste der Ruhe. « Es ist ein Ort der heiligen Stille. Nichts wird uns hier stören bei unserer Suche. »

Erneut huschte der Anflug eines Lächelns über einen Teil ihrer Lefzen. Erstmals zuckte sogar die Schwanzspitze, die sie samt dem Rest der Rute so fein säuberlich an ihren Leib gelegt hatte. Die spitzen großen Ohren fuhren minimal auseinander, wie zwei Scheren, nur um wenig später wieder in ihre alten Positionen zurückzuschnellen.
Dieser Ort, den sie einen Hort der Ruhe lobte, schien sie daran erinnern zu wollen, dass er auch anders konnte, als in der unendlichen Weite der Landschaft Kiesel von einem Felsenturm bröckelten und auf den Boden kullerten. Staub rieselte hinterher, der sich bis eben seit so langer Zeit an einer Stelle gesammelt haben musste. Ja, diese Gegend konnte auch anders, aber das war kein Grund zur Beunruhigung, denn sie ließ nicht zu, dass er zum Spielball höherer Mächte wurde ... als sie selbst.


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11.08.2024 13:55

Gebannt hörte er der fremden Gestalt zu, als diese Anouks Fragen beantwortete. Nur waren diese Antworten keine, mit denen er je auch nur ansatzweise gerechnet hätte. Als das Wesen sagte, es sei sein Schicksal und sein Gewissen, zuckte er zusammen und wandte augenblicklich, voller Ehrfurcht, den Blick ab und sah nach unten, hinab zu seinen Pfoten. Das Lächeln hatte er zwar noch gesehen, doch der Gedanke daran, sein Schicksal vor sich sitzen zu haben, überschattete dieses. Hätte er das gewusst, dann hätte er wahrscheinlich nicht versucht, so lange den Augenkontakt zu halten. Denn ihm wurde nun auch bewusst, wie unangenehm es war, wenn einen jemand die ganze Zeit anstarrte. Sofort dachte er an seinen Ziehvater, Umbra, und wie dieser ihn aus seinen stechend gelben Augen ansah. Wie er ihn im Blick behielt. Jedes Mal kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Bei diesem Gedanken legte er die Ohren etwas an und all der Mut, den er gerade eben noch hatte sammeln können, schien sich langsam in Luft aufzulösen. Nur langsam hob er seinen Blick wieder, als das Wesen endlich weiter sprach, diesmal hielt er aber keinen direkten Augenkontakt. Doch seine nächsten Worte verwirrten den cremefarbenen Rüden. Was sagte es da? Funda..was? Woraus besteht jeder Raum?.. Diesen Worten konnte er nicht folgen, so sehr er es auch versuchte. Kurz sah die Gestalt sich um und er folgte dem Blick, horchte dann aber bei den nächsten Worten auf. Unsere..Suche? Er verstand nun gar nichts mehr und rang nach den richtigen Worten.

"D..Du..bist..mein Schicksal..?", begann er dann, begleitet von einem leisen Winseln, welchen ihm entwich. "H..Heißt das..du hast entschieden, dass..dass ich.." Er stockte. In seinem Hals bildete sich ein Knoten aus Gefühlen und er musste schlucken, um diesen zurück zu halten. "Hast du..dafür gesorgt, dass ich..im Land des ewig kalten Nebels lande?" Eigentlich wollte er die Antwort auf diese Frage gar nicht hören, denn diese Frage brachte noch einiges mehr mit sich. Gerade, als er weiter sprechen wollte, wurde er von etwas unterbrochen..oder von jemandem. "Sieh dich nur an..du winselst wie ein erbärmlicher, kleiner Schwächling.", sagte eine Stimme höhnisch und er kannte sie nur zu gut. Langsam sah er zur Seite, von wo diese zu kommen schien..und erstarrte dann, als er ihn erblickte. Da stand sein Ziehbruder, Niray. Aus ebenso stechend gelben Augen wie die seines Ziehvaters starrte er ihn funkelnd an. Er schreckte auf und wich ein paar Schritte zurück. Wie konnte das sein? Wo kam er so plötzlich her? War er schon die ganze Zeit hier gewesen? "Für Schwächlinge ist hier kein Platz. Nicht hier, nicht auf dieser Welt!", spuckte er ihm dann noch förmlich entgegen, bleckte die Zähne und tat dann einen Satz auf ihn zu. Anouk drückte sich instinktiv an den Boden, schloss die Augen und erwartete, zu spüren, wie sich seine Krallen oder seine Zähne in sein Fleisch bohrten. Doch..nichts passierte.

Nur langsam, vor Angst zitternd, öffnete er wieder die Augen und ließ dann den Blick schweifen. Von Niray war aber weit und breit nichts zu sehen. Hatte er sich das nur eingebildet? Vorsichtig richtete er sich wieder auf, setzte sich dann aber, da er noch immer zittrig war und sah dann auf seine Pfoten. War dieses Wesen auch dafür verantwortlich, dass er so etwas immer wieder aufs Neue durchmachen musste? "W..Wonach..suchen wir..?" Brachte er dann schließlich noch mühevoll hervor. Wenn dem wirklich so war, dass dieses Wesen sein Schicksal war und damit für alles verantwortlich war..wie konnte es ihm dann ständig sagen, dass er keine Angst haben sollte, wenn es doch dafür gesorgt hatte, dass er in ständiger Angst leben musste? Er wusste nicht, wie er sich fühlen sollte. Sein Inneres war ein Sturm aus Gefühlen. Wut, Angst, Verzweiflung, Unsicherheit, Ratlosigkeit. Doch er wusste, dass er diese Gefühle nicht überhand gewinnen lassen durfte..nicht, wenn er hier wieder weg wollte. Denn auch, wenn in ihm so viel vor ging..die Ehrfurcht war dennoch größer, und wenn diese Gestalt vor ihm wirklich sein Schicksal war..dann galt diese ganz allein ihr.

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18.08.2024 18:11



Das Verhalten des jungen Wolfs musste einen jeden Betrachter zu größtem Erstaunen anregen. Dabei war es keinesfalls überraschend, denn obwohl der Kerl noch sehr jung war, hatte er eine Entwicklung durchgemacht, die andere nie vollzogen. Ein schwarzes Ohr der Gestalt zuckte, wie er sich so auf dem Boden kauerte und seiner Unsicherheit hingab. Es war nicht schwer, herauszulesen, was er durchmachte. Er focht mit seinen tiefsten Urängsten, mit seiner Abscheu und seinem Ekel. Es war dem Jungspund nicht zu verdenken, dass er Angst hatte. Und es würde keine leichte Aufgabe werden, ihn eines Besseren zu belehren.

« Im übertragenen Sinne », gab sie zu hören und ein kurzes Lächeln blitzte auf ihren Lefzen auf. Es war vermutlich nur mit viel Fantasie zu erkennen, da das Licht ungünstig viel und sie größtenteils in Schatten gehüllt war.

Ihn weiter zu beeinflussen, zu schubsen wie eine unbedachte Kugel, würde die Aufgabe der nächsten Zeit sein. Alles, was diese Konversation zum Ziel hatte war, ihn zu wappnen, zu stärken und bereit für seine ersten Lebensjahre zu machen, damit er sich nicht unterkriegen ließ.

« Hast du dich denn nie gefragt, was der Sinn hinter all dem ist? Warum die Dinge so sind, wie sie zu sein scheinen? Wieso du so bist, wie du bist? »

Ein Blitzen huschte über ihre Augen. Der restliche Körper saß nach wie vor wie erstarrt an seiner Stelle und bewegte sich nicht. Obwohl der Ort wie eine Wüste wirkte, fehlte es doch an Dingen, die man von daheim kannte ... Wind, Gräser oder das Lautgeben irgendwelcher Insekten, etwa der Grillen. Alles, was sie zur Zeit hatten, war sich gegenseitig, doch das war vollkommen ausreichend.

« Komm », befahl sie sanft. « Begleite mich. Ich möchte dir was zeigen. »

Ohne auf eine Reaktion zu warten, setzte sich die Gestalt in Bewegung und das erschreckend normal, nicht wie ein Geist, sondern wie eine zierliche junge Wölfin im seichten Gang. Die Pfoten, die sie über die Kruste aus Stein und Eis setzte, hinterließ keine Spuren. Aufgrund des Mangels an Luft gab es keine Gerüche und die Geräusche vermutlich nichts als das, was sich das Bewusstsein einbildete, weil es stets das projizierte, was es erwartete.


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29.08.2024 17:54

Da ging es hinfort, sein Schicksal. Sein Gewissen. Der Weg, dem er folgte. Jedenfalls war dem so, wenn die Worte dieses Wesens der Wahrheit entsprachen. Wenn er nun hier blieb, wenn er der Gestalt nicht folgte..hieß das dann, dass er frei war? Befreit vom Schicksal? Konnte er dann über sich selbst bestimmen? Doch wenn die beiden anderen Dinge auch noch zutrafen..nein. Etwas verunsichert setzte er sich in Bewegung und trottete der Gestalt hinterher. Dabei beobachtete er sie zunächst und in ihren Bewegungen, in ihrer Art..erinnerte sie ihn nun plötzlich..an einen Wolf. Viel mehr..eine Wölfin, wenn er sich ihre Stimme ins Gedächtnis rief. Und dieser Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Denn dadurch wurde aus der Gestalt eine Artgenossin und die Dinge, die sie gesagt und getan hatte - etwa, dass sie sich plötzlich in Rauch aufgelöst hatte - wurden noch viel unbegreiflicher, waren sie ja nun nicht mehr damit zu erklären, dass er hier ein fremdartiges Wesen vor sich hatte. Doch wie konnte eine Wölfin sein Schicksal sein? Wieso durfte ausgerechnet sie sein Leben lenken anstatt dass er selbst darüber entschied? War das vielleicht die Bestimmung aller Wölfe? Musste jeder irgendwann das Leben eines anderen lenken? Und hieß das, dass auch er das eines Tages musste? So langsam dröhnte ihm der Schädel von all diesen seltsamen Fragen und er senkte den Kopf, während er ihr weiter nachlief.
Doch warum war er ihr eigentlich gefolgt? Warum war er nicht stehen geblieben? Wenn es stimmte, und sie nicht nur sein Schicksal, sondern auch sein Gewissen und der Weg war, dem er folgte..dann wollte er nicht zurückbleiben. Denn das hieße, dass er gewissenlos werden würde..kalt und ohne Herz, so, wie die Wölfe seines Rudels, die ihn nie auch nur eines einzigen Blickes würdigten. Die Wölfe, die blind seinem Ziehvater folgten und deren Gesetz seine Worte waren. Nein..so wollte er auf keinen Fall werden. Und auch seinen Weg wollte er nicht aus den Augen verlieren. Denn das erste, woran er dachte, wenn er sich vorstellte, den Weg zu verlieren..war Dunkelheit. Endlose Schwärze, die weder nach links oder rechts, nach vorn oder zurück, noch nach oben oder unten ein Ende fand. Allein der Gedanke daran sorgte dafür, dass er sich verloren fühlte..verloren und einsam. Betrübt legte er die Ohren an. Wenn es seine Bestimmung war, dieser Wölfin zu folgen - wenn sie selbst diese Bestimmung festgelegt hatte - dann sollte es so sein, wenn es denn nur hieß, dass er sich selbst nicht verlieren würde.
Dann erinnerte er sich daran, dass sie ihm noch ein paar Fragen gestellt hatte. Einzeln ging er diese im Kopf durch und beantwortete sie zunächst nur für sich.

"Was ist der Sinn hinter all dem?"
Warum fragte sie das? Musste sie nicht die Antwort darauf kennen? So direkt hatte er sich das nie gefragt..aber er hatte sich schon gefragt, warum ihn Niray und Umbra so behandelten, wie sie es taten. Und die Antwort darauf hatte er schon teils von ihnen, teils von sich selbst bekommen: Beide sahen in ihm nichts weiter, als einen Schwächling. Und beide verachteten sie diese. Jedenfalls war das das, was er aus ihren Worten schloss. Sie erwarteten, dass er so wurde, wie die anderen. Dass er kalt wurde, dass er kämpfte..dass er sein Wesen ablegte. Doch er wollte..und konnte das nicht. Er wollte nicht, dass seine Augen so seelenlos wurden wie die der anderen..und zum kämpfen..war er viel zu schwach und zu ängstlich.
"Warum sind die Dinge so, wie sie zu sein scheinen?"
Diese Frage schloss sich nahtlos der anderen an. Er hatte Angst vor dem kämpfen, Angst, sich zu wehren. Er wollte anderen nicht weh tun..auf gar keinen Fall. Und das machte ihn schwach und ängstlich..vielleicht war es also wirklich seine Schuld? Vielleicht lag es an ihm, dass die Dinge so waren, wie sie zu sein schienen?
"Warum bist du so, wie du bist?"
Diese Frage war nicht ganz so einfach zu beantworten - denn um das zu wissen..musste er erst Mal wissen, wie..oder wer er war. "Wer bin ich?..", fragte er sich also, und kam ins grübeln. Einen Namen hatte er ja - Anouk - und den trug er auch mit voller Stolz, hatte er ihn doch von seiner Ziehmutter erhalten. Oder..hatte er das? Wenn er so darüber nachdachte..dann hatte er sie nie danach gefragt, hatte es für selbstverständlich erachtet, dass er diesen Namen trug. Aber bevor er weiter darüber nachdenken konnte, stoppte er sich. Er hieß also Anouk..und weiter? Sein Fell war nicht schneeweiß wie das seiner Ziehmutter, es war..wie sagte sie immer? Cremefarben? Wie seine Augen aussahen, das wusste er nicht, doch seine Ziehmutter sagte einst, sie seien "Schön, wie der Herbst selbst". Auch andere Beschreibungen, die mit dem Herbst zu tun hatten, hatte sie benutzt..aber an die erinnerte er sich nicht. Das war aber auch nicht die entscheidende Frage, denn eigentlich ging es hier ja darum, wie er war..und warum. "Warum bist du so, wie du bist?", ging ihm die Frage der Wölfin wieder durch den Kopf. Doch wie war er denn? "Warum bist du so..", versuchte er dann, die Frage zu trennen. So..wie? "Warum bist du so..anders?"
Anders? War es das? Er war anders. Die Wölfe in seinem Rudel waren kalt..er war es nicht. Doch war das schlecht? Er dachte wieder an seine vorherige Feststellung zurück..daran, dass er schwach und ängstlich war. Sorgte die fehlende Kälte dafür, dass er so war? Wären die anderen Wölfe nicht kalt, wären sie dann auch schwach und ängstlich? Wenn dem so war..war dies dann der einzige Weg, das zu ändern? Musste er kalt werden? Innerlich schüttelte er den Kopf..nein. Denn eine Wölfin, die weder kalt, noch schwach oder ängstlich war, war seine Ziehmutter. Das hieß also, dass nicht alle Wölfe so waren..es musste am Rudel liegen..an Umbra.
Aber dennoch..warum war er so? Er hatte das Gefühl, die Antwort darauf wäre zum greifen nahe..doch er kam nicht darauf, egal, wie sehr er auch nachdachte. Verzweifelt schüttelte er den Kopf.
"Ich bin schwach..und ängstlich..", fing er dann an, doch es schmerzte, diese Worte auszusprechen. Sehr gut konnten sie auch von Niray stammen..und vielleicht war das ja sogar der Fall? Jedenfalls konnte er sie fast in seiner Stimme hören. "..das ist..der Grund dafür, warum..alles ist, wie..es ist. Und der Sinn dahinter ist..mich zu ändern..weil ich..kalt werden soll..wie die anderen. Denn..ich bin anders..ich bin nicht kalt, aber dafür..schwach..ängstlich..und weil ich mich nicht wehren kann. Weil ich..andere nicht verletzen möchte.." Während er sprach hatte er den Blick die ganze Zeit unten am Boden gelassen. Nur jetzt blickte er auf und sah zu der Wölfin. All diese Gedanken bedrückten ihn, legten sich wie ein Schatten über ihn. Leise winselnd legte er die Ohren an. "Warum..bin ich so? Warum bin ich so..anders? Weißt du es? Denn ich..weiß es nicht.."

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11.09.2024 12:42



Malice Mizer ~ Vampire hunter


Stapf. Stapf. Stapf. In ihrer materialistischen Werdung hatte sie es gelernt, Schritte zu tun wie ein normales Lebewesen, mit Pfoten, die den Boden berührten und seine Oberfläche ein Stück veränderten, Schritt für Schritt. Manchmal knirschte es, bröselte, knarzte ein wenig, wenn sich der uralte Staub unter dem Gewicht ihrer Pfotenballen zusammenschob. Kleine funkelnde Kristalle zierten die Oberfläche und brillierten dort, wo das Licht entfernter Himmelskörper auftraf ... Planeten, einer entfernten Sonne oder den unzähligen weißen Trabanten dieser Welt, die sie in unterschiedlichen Formen und Größen umkreisten. Es war die Welt der Stille, die es einem erlaubte, seine Gedanken ohne jeden Druck zu sortieren und aufzureihen. Doch was tat er? Er übte sich in Selbstzweifeln und verriet das bereits durch seine gebückte, zusammengekauerte Haltung, selbst dann, wenn er lief. Der junge Wolf schlich der schwarzen Gestalt hinterher wie ein unartiger Welpe, der nun auf seine Bestrafung wartete. Sie musste sich die Frage nicht stellen, was man ihm angetan hatte, dass er in jungen Jahren schon derart eingeschüchtert und ängstlich war – sie wusste es.
Im völligen Kontrast dazu schritt sie voran, als war sie die Königin des wüsten Planeten, einzig Lebende und Herrschende über all das Tote, das sie umgab und Gastgeberin eines fremdartigen Wesens, das sich nicht wohl fühlte ... am wenigsten in und mit sich selbst. Hätten Gedanken Geräusche verursacht, etwa gleich dem Grummeln eines unzufriedenen weil leeren Magens, er hätte die ganze Zeit gebrummt, gerattert und gepoltert. Immer wieder passte die dunkle schlanke Gestalt ihr Tempo an, denn dem jungen Rüden wohnte nicht viel Kraft inne, mit ihr Schritt zu halten, ebenso wenig fehlte es ihm an Motivation dafür. Seine Einstellung war falsch und doch musste sie mit Respekt behandelt werden. Das Letzte, was er brauchte war noch mehr Schimpf und Schande. Doch half es ihm, ihn mit Samtpfoten anzufassen und vor jeder Gefahr zu schützen? Diese Frage ließ sich klar mit einem Nein beantworten ... doch eins nach dem anderen.

Ohne die Distanz zu verringern, nahm sie seine Äußerungen auf. Ihre Miene spiegelte dabei die selbe Entschlossenheit wider, die sie seit Beginn an ausstrahlte. Fast las sich ein überlegenes Lächeln von ihren Lefzen ab, doch das war Interpretationssache. Ihr Gang war aufrecht und stolz wie der einer echten Pharaonin und damit das Gegenteil von dem seinen. Wie konnte sie ihre Kräfte an ihn weitergeben, ohne, dass er zu sehr verwöhnt wurde?

« Angst ist ein schlechter Gefährte », verkündete sie und schlich um die nächste Steinsäule herum, von denen hier zahlreiche in der Gegend herumstanden. Sie sahen aus wie Deckenstützen, deren Decke verloren gegangen war und ragten in einen eiskalten, sternenklaren Nachthimmel. Manchmal rieselte etwas Staub von ihnen herab, der wie feiner Glitzer zu Boden sank und die ewige Leblosigkeit mit einer Prise Vitalität streifte.
« Sie ist die Saat dessen, was Wölfe wie Niray in dir gepflanzt haben. »
Für den Moment herrschte Stille. Sie war hinter einer der Säulen verschwunden und nur ein schmaler Schatten tanzte über die zwei dahinterstehenden Steingebilde, eh auch dieser hinfort war. Er hatte nun einen Moment für sich und sollte nachdenken. Seine Überraschung war förmlich greifbar, was nicht überraschend kam.
Als ihre Gestalt nach einer längeren Pause hinter den Steinsäulen rechts statt links wieder auftauchte, um ihm ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen, war das Zauberstück perfekt. Womöglich mochte man annehmen, die Welt, durch die sie sich bewegten, war eine Schleife, die einen unweigerlich zurück an seinen Ausgangspunkt brachte. Aber das war nicht von Belang.
« Anders zu sein ist kein Makel, junger Wolf. » In diesem Moment schlich die schwarze Gestalt, die bis eben mehr wie Rauch erschienen war, unerwartet materiell auf ihn zu. Eine schwarze schlanke Wölfin, nicht größer als er und mit schimmernden olivgrünen Augen.
« Was dir fehlt, ist Selbstvertrauen, Kraft, Mut ... doch das hat nichts mit Kälte zu tun. Du stehst noch ganz am Anfang deines Lebens uns wirst lernen, nicht jeden Stich in dein kleines Herz zu lassen. Fürchte dich nicht vor dem Anders-Sein. » Sie hielt in unmittelbarer Distanz vor ihm an und setzte sich, um ihn aufmerksam und mit friedvoller Miene anzusehen. Ein kleines Lächeln sollte ihre belehrende Äußerungen entschärfen. Hier hatte er alle Ruhe und Zeit, um darüber nachzudenken, was er sein wollte. Doch zuerst musste er sich selbst darüber im Klaren werden, sonst verirrte er sich im Netz der unzähligen Möglichkeiten.

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Anouk ist offline
06.10.2024 18:30

Während er ihr folgte kam er nicht umhin, sie zu beobachten. Ja, er bewunderte sie fast. Ihr Kopf war stets hoch erhoben, ihr Gang aufrecht. Stolz. Ein fremdes Wesen im Einklang mit sich selbst und der fremden Welt, in welcher er sich wiedergefunden hatte. Sie gehörte hierher, doch er..wohin gehörte er eigentlich? Nicht hierher..so viel stand fest. Doch auch in seine eigene Welt schien er nicht zu gehören, auch da hatte er genug auszustehen, genug zu fürchten. Bestand daraus das Leben? War das der Sinn des Lebens..sich zu fürchten? Der Sinn seines Lebens? War es ihm vorbestimmt, sich stets im Schatten derer zu ducken, die zu größerem bestimmt waren? Die mutiger waren, als er?

Sie kamen bei seltsamen, rundlichen Steingebilden an, die hoch in den Himmel ragten. Auf eines dieser Gebilde steuerte die Wölfin nun zu und schlich um dieses herum, während sie sagte: "Angst ist ein schlechter Gefährte."
Aber warum sagte sie das? Er hatte sich die Angst nicht ausgesucht..oder zum Gefährte gewählt. Sie folgte ihm auf Schritt und Tritt, nahm ihn gefangen. Er konnte ihr nicht entkommen, egal, wie sehr er es sich auch wünschte. Und einen Gefährten machte doch aus, dass man ihn sich auswählte, oder?
Er folgte ihren Bewegungen und zuckte bei ihren nächsten Worten zusammen: "Sie ist die Saat dessen, was Wölfe wie Niray in dir gepflanzt haben."
Während sie das sagte, verschwand sie hinter einem der Steingebilde. Für einen Moment war dann noch ihr Schatten zu sehen, eh auch dieser verschwand. Hatte sie ihn nun allein gelassen? War er jetzt komplett auf sich allein gestellt, in dieser unwirtlichen, fremdartigen Welt? War er nun dazu verdammt, mit seinen Gedanken allein zu sein?
Niray..woher kannte sie seinen Namen? Diese Frage stellte er sich - und das, obwohl er sich doch eigentlich gar nicht wundern brauchte. Diese Wölfin war keine normale Wölfin, das hatte er schon zu Anfang an festgestellt. Wie er erfahren hatte war sie sein Schicksal, sein Schatten, sein Gewissen und der Weg, dem er folgte. Das Schicksal stand über allen Dingen, kontrollierte alles, so viel wusste er..und das musste dann ja auch auf sie zutreffen. Und wenn sie alles kontrollierte..dann war es nicht abwegig, dass sie alles wusste. Sie wusste, was ihm widerfahren war. Wusste, woher er kam. Wusste sie auch, wie es mit ihm weitergehen würde? Als sein Schicksal musste sie dies wissen, oder nicht?

Ohne, dass er es wirklich kontrollieren konnte, entwich ihm ein Winseln. Warum hatte sie ihn hier allein gelassen? Und wie lang war das überhaupt schon her? Ihm kam es jedenfalls wie eine Ewigkeit vor. Einsamkeit ergriff ihn, krallte sich an sein Fell, hielt ihn fest. Ihre Last war so schwer, dass er sich setzen musste. Als er dann saß senkte er den Kopf, denn er konnte die endlose Leere der Landschaft nicht ertragen.
Das einzige, was geblieben war, waren ihre Worte - noch immer hallten sie in seinen Gedanken nach. Er hatte sich die Angst nicht als Gefährten ausgesucht, nein. Es war nicht seine Schuld, dass er so ängstlich war..dass hatten Wölfe wie Niray aus ihm gemacht. Wollte sie ihm das sagen? Aber was sollte er mit dieser Information anfangen? Unternehmen konnte er dagegen nichts..oder?
Ein plötzliches Geräusch sollte die ewige Stille durchschneiden, die diese einsame Gegend beherrschte. Schritte..er hörte Schritte! Sofort schnellte sein Kopf hoch in Richtung der Geräuschquelle - und da war sie, die Wölfin. Sie stand nun auf der rechten Seite, hatte sie sich so lautlos dorthin bewegt, dass er es selbst in all der Stille nicht gehört hatte? Aber warum machte sie dann ausgerechnet jetzt ein Geräusch? Sie lächelte ihm zu, ein aufmunterndes Lächeln, doch er konnte dieses nicht so recht erwidern - auch, wenn er froh war, nicht mehr allein zu sein. Irgendwas an der Wölfin war nun anders, doch..was?
"Anders zu sein ist kein Makel, junger Wolf", sagte sie dann und ging auf ihn zu. Je näher sie ihm kam, umso mehr wurde ihm bewusst, was sich geändert hatte - der Rauch, der sie bisher umgeben hatte, war weg, auch ihre Größe und ihre Augenfarbe hatten sich geändert. Sie war nun kaum größer als er und hatte..schimmernd grüne Augen. Auch ihren weiteren Worten hörte er aufmerksam zu, als sie sich dann vor ihn setzte und lächelte wich er allerdings etwas zurück. War das die Wölfin, die er bis gerade eben noch vor sich hatte? Oder doch jemand anderes?
"W..Wer bist du?..", stammelte er. "U..Und..wie..heißt du?"

Was hatte das zu bedeuten? Und vor allem..was hatten ihre Worte zu bedeuten? Er rief sie sich ins Gedächtnis zurück. Sie hatte ihm gesagt, dass es kein Makel war, anders zu sein und dass das, was ihm fehlte Selbstvertrauen, Kraft und Mut war, dies aber nichts mit Kälte zu tun hatte. Dass er ganz am Anfang seines Lebens stand und lernen würde, nicht jeden Stich in sein kleines Herz zu lassen..und, dass er sich nicht vor dem Anders-Sein fürchten sollte. Leise seufzend sah er abermals zu Boden. "Du hast gut reden..", fing er dann an und es fiel ihm nicht leicht, diese Worte auszusprechen. Denn er wusste, dass sie ihm nur helfen wollte. Dass sie ihm Mut machen wollte. "Du..stehst über den Dingen..ist es nicht so? Wie kannst du dann..all das wissen? Woher weißt du..wie es ist.." Er stockte. Wie was ist? "..ich zu sein. Woher weißt du, wie es ist..mein Leben zu leben? Von allen..gehasst zu werden?.." Nun wurde seine Stimme leise, fast flüsternd. Zudem fing er an, zu zittern, denn langsam nahmen die Gefühle Überhand. "Woher weißt du, wie es ist..jeden Tag in Angst leben zu müssen? Und woher weißt du, wie es ist..keinen Ort zu haben..zu dem du gehörst?.." Er verstummte nun, sein Körper bebte. Gegen das Anders-Sein konnte er nichts unternehmen, das war sein Wesen, gehörte zu ihm bis in alle Ewigkeit. Aber wie sollte er sich nicht davor fürchten, wenn es ihm bisher nur Probleme gemacht hatte? Wenn es keinen Ausweg aus dieser Situation gab und er für immer dazu verdammt war, so zu leben, wie er es jetzt tat? Wie sollte er sich nicht fürchten, wenn die einzige Aussicht, die er auf das Leben hatte voll von Leid war?

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22.10.2024 17:25




Langsam schien der Junge aufzutauen und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, was sie mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Es war ein steiniger Weg bis hierhin gewesen – im wahrsten Sinne. Erneut breitete sich ein Lächeln auf ihren Lefzen aus, was in diesem Kontext vermutlich erst fehl wirkte. Keinesfalls spottete sie über ihn und riskierte, alles wieder kaputt zu machen. Ein Niray war schwer zu ängstigen, ein Anouk dagegen schwer, zu Mut und Selbstvertrauen zu bewegen. Und er hatte Fragen ... viele Fragen. Eine Herausforderung war es. Natürlich war seine Neugier gerechtfertigt, aber sie wollte keine Frage-Antwort-Runde mit ihm starten, schließlich waren sie hier an diesem unwirklichen Ort, um Taten sprechen zu lassen!
Nichtsdestotrotz konnte sie seine Äußerungen auch nicht kommentarlos übergehen, er hatte seine Gründe, misstrauisch zu sein.

« Ich bin die Wächterin dieses Ortes, der gute Geist der Wüste der Möglichkeiten. » Kurz blies sie die Nasenflügel etwas auf, seine zweite Frage war schon schwerer zu beantworten. Namen? So etwas kannte man hier nicht. « Namen sind nicht von Belang. Wenn du einen Namen für mich brauchst, um mich besser begreifen zu können, denk' dir einen aus. » Ihre Stimme war ruhig aber bestimmt, ihre Ohren standen dabei kerzengerade auf dem dunklen Kopf.

Sie erhob sich wieder und lief ein paar langsame Schritte nach links, legte eine Pfote auf einen der zahllosen kleineren Steine und schob ihn hin und her, als dachte sie nach, während er fragte. Dabei brauchte sie keinen Augenblick nachdenken über das, was er von ihr wissen wollte. Die Beantwortung der Fragen, so absurd das klang, war ebenso unwichtig wie ihr vermeintlicher Name.
« Niemand von uns steht über allen Dingen. Nichts ist unendlich oder unkaputtbar, nicht einmal dieser Ort. » Er hatte nicht nach Niray gefragt, dabei stand ihm die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. « Du nicht, ich nicht und ein Niray noch viel weniger. »
Als nächstes sah sie ihn nur leicht von der Seite an und warf ihm ein triumphierendes Grinsen zu, mit einem knappen Blick aus ihren leuchtenden Augen. « Ich weiß nicht mehr als du, du weißt nicht weniger als ich. Du kannst dir diese Fragen selbst beantworten. Aber zuerst zeige ich dir etwas. »

Sie hatte nicht vergessen, dass ihr kleiner Ausflug ein bestimmtes Ziel verfolgte. Die schlanke schwarze Wölfin sah hinauf zu einem Felsen, der in etwa eine aufsteigende Dreiecksform besaß und so groß war, wie viele andere Steinsäulen, die sie umgaben. Auch dieser ragte in den düsteren Nachthimmel und seine Spitze schien eins mit der Kälte geworden zu sein.

« Dort oben », verkündete sie, « wirst du Antworten auf deine Fragen finden. Es ist der erste Schritt, der dir hilft, dich selbst zu erkennen. » Sie deutete mit der Schnauze auf das nicht sehr spitze Ende des Dreiecksfelsens, welcher aufgrund der Monde und anderen Planeten, die den Nachthimmel zierten, mehrere Schatten warf, so wie sie alle.

Sie war verschwunden. Für einen urzen Augenblick wirkte die Gegend wieder so trostlos und leer wie zuvor. Mit ihr war auch ihr Schatten fort, der in mehrere Richtungen gezeigt hatte, in einige kräftiger, in andere weniger stark, je nachdem wie intensiv das geworfene Licht der fremden Himmelskörper war, die über ihren Häuptern hingen.
Aber schon nach kurzer Zeit tönte es von der Spitze des Dreiecksfelsens durch die eisige Nacht.

« Komm! Worauf wartest du? Steige hinauf! »

Der Weg dorthin war nicht einfach. Zwar gab es mehrere Vorsprümnge, die einen ahnen ließen, Halt zu bieten, aber man musste sich etwas zutrauen – und genau darum ging es.

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