Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Während Delano seinen letzten Satz sprach, merkte er wie neben ihm die Fähe immer weicher wurde und die Spannung aus ihrem Körper wich, während sie sich weiter gegen ihn lehnte. Da es dieses Mal nicht das plötzliche Nachlassen einer Ohnmacht war, sondern nach und nach geschah, gab es keinen Grund für den Grauen eine plötzliche Aktion durchzuführen. Er unterdrückte ein Seufzen, was in seinem Inneren aufstieg. Es war nun einmal nicht zu ändern.
Eventuell könnte ein natürlicher Schlaf der Fähe helfen, ein paar neue Kraftreserven zu sammeln, was nur zu hoffen war. Nichtsdestotrotz mussten sie aller spätestens morgen den Weg wagen. Sie brauchten frisches Wasser und einen Unterschlupf gegen den eisigen Wind. Delano war nur froh, dass die Fähe endlich eigesehen hatte, dass es unter diesen Bedingungen sinnvoll war, Körperwärme zu teilen. Er hoffte nur, dass es genug war, zumal er ja nur eine Seite ihres Körpers wärmen konnte.
Delano blickte zur Fähe rüber und schob dann, ohne sich anderweitig zu bewegen, seine Schnauze rüber zu ihrer. Vorsichtig tastete er mit seiner Zunge einmal über ihre Schnauze um zu prüfen, wie ihre Temperatur war. Den Seufzer der Erleichterung, der dieses Mal in ihm aufstieg, unterdrückte er nicht, es war eh niemand in der Nähe. So wie er das sah, könnte es gut sein, dass die Eiswüste dafür gesorgt hatte, das zumindest keine Infektion im Körper der Fähe Einzug gehalten hatte. Zumindest konnte er aktuell kein Fieber feststellen, was ihre Chancen deutlich erhöhte. Und es war auch nicht abzusehen, dass sie während ihres Schläfchens erfrieren würde, ihre Temperatur war noch nicht merklich abgesunken. Dennoch ging Delano auf Nummer sicher, und legte sein Haupt so dicht wie möglich an ihres. Da wo es ging auch obendrauf. Und seine buschige Rute legte sich über ihren Körper.
Anschließend schloss der Graue die Augen. Seine Ohren blieben aufgerichtet um mögliche Gefahren zu detektieren, während er innerlich in eine Art meditatives Stadium einging. So konnte er seine Kraftreserven aufbauen, ohne seine Wachsamkeit aufzugeben. Er hatte schon einige Fehler gemacht und das wollte er weitestgehend vermeiden, daher musste er seine ruhige Mitte stärken. Er durfte die Sache nicht an sich heran lassen, sonst würde er wohlmöglich falsche Entscheidungen treffen.
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Schon nachdem Delano fertig gesprochen hatte, hielt er inne. Es war ihm lange nicht passiert, dass er gesagt hätte, dass er etwas 'versuchen' würde. Man tat etwas, oder man tat etwas nicht. Etwas zu versuchen, war eine Ausrede zu erschaffen. Er schalt sich innerlich für diese Schwäche. Eine Unaufmerksamkeit, über die er später nachdenken würde. In der aktuellen Situation hatte er keine Zeit, daher rückte er diesen Fakt in den Hintergrund. Er würde es nicht versuchen, er würde es einfach tun.
Nachdem er seine eigene Reaktion auf seine Worte verarbeitet hatte, fiel ihm die Reaktion der Fähe auf. Sie schaute ihn durchaus ungläubig an. Wahrscheinlich hatte sie es nie gesehen, wie ein Wolf einen anderen über seinen Rücken gelegt hatte. Es war auch etwas sehr ungewöhnliches, weil es viel Stärke und Disziplin erforderte. Und eine ganze Menge Übung. Dass er diese bekommen hatte, dafür hatte sein Vater früh gesorgt. Und er war dankbar, dass er durch dieses erlernte Können bereits einmal seinen Bruder hätte retten können. Vielleicht würde es dieses Mal der Fähe zu Gute kommen.
Als sie dann sprach, merkte er förmlich, dass sich diese Option innerlich ausgeschlossen hatte, oder aber zu stolz war. Nichtsdestotrotz wollte er sicher gehen, dass sie wusste, dass es durchaus eine Option war. Noch bevor er ihr das nochmal erklären konnte, bat sie ihn sich zu ihm zu legen. Na immerhin schien ihr Überlebensinstinkt langsam zurück zu kommen.
Er stand auf und legte sich an ihre Seite. Dabei ging er auf Nummer sicher, die Seite zu wählen, aus der der Wind kam um sie zusätzlich vor diesem Einfluss zu schützen. Nachdem er sich nieder gelassen hatte, schaute er sie aus dichtester Nähe nochmal an, ehe er sein Blick in die Ferne gleiten ließ. Mit leiser und bewusst ruhiger Stimme fing er dann an zu sprechen.
"Ich werde versuchen, meinen Gedankengang mit euch zu teilen."
Der Graue machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach: "Ich bin ehrlich besorgt um euren Zustand, aber ich kenne euch nicht, und weiß nicht, welche Kraftreserven ihr unter diesen Umständen anzapfen könnt. Was ich allerdings befürchte, dass ihr aus einer weiteren Ohnmacht nicht rechtzeitig erwacht um euer Leben zu retten."
Er hielt inne und schaute in die Richtung, in die sie wandern mussten. Es war eine weite Strecke, aber sie mussten es einfach schaffen.
"Ich biete euch die Option mit dem Tragen nicht an um Euch zum Narren zu halten.", er wurde noch etwas leiser und nachdenklicher: "Ich habe bereits einmal meinen Bruder auf meinem Rücken getragen um ihm am Leben zu halten."
Er offenbarte nur ungern solch private Details aus seinem Leben. Aber er hatte das Gefühl, die Fähe brauchte das um vielleicht das nötige Vertrauen in ihn zu fassen.
"Die Option ist nur deutlich einfacher umzusetzen, wenn ihr bei Bewusstsein seid und unterstützen könnt.
Aber ich werde Euch auch unterstützen den Rest des Weges zu gehen. "
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Delano machten die Worte der Fähe nachdenklich. Ihre Lage schien doch noch schlimmer zu sein, als er gedacht hatte. Er wusste bisher nicht, dass sie allgemein so geschwächt war. Das machte ihre Lage natürlich noch schwieriger und das musste er in seiner Planung berücksichtigen. Die Fähe hatte es bisher gut verbergen können, wenn sie wach war, aber nun sah er das Zittern, welches zunehmend durch ihren Körper lief. Er war sehr froh, dass sie so ehrlich geantwortet hätte. Wenn sie überleben wollten, dann mussten sie als Team arbeiten und er musste in der Lage sein, alle ihre Schwächen zu kompensieren.
Kurz dachte er darüber nach, ob er ihr was zu essen beschaffen konnte. Aber seine letzte Mahlzeit war nun schon wieder zu lange her, als das er noch was hätte hervorwürgen können. Und wenn er voranging, musste er erstmal Jagderfolg haben. Und wenn die Fähe dann wieder das Bewusstsein verlieren würde, würde er sie vermutlich nicht mal wiederfinden. Nein - sie mussten gemeinsam gehen, die Frage war nur wie.
Als die Fähe von ihm wissen wollte, was er vorhatte, musste er überlegen. Ob das wirklich möglich war auf die Distanz? Er hatte schon mal seinen kleinsten Bruder auf seinem Rücken getragen, aber dort war es nicht so weit gewesen. Auch da war die Situation quasi aussichtslos gewesen und er hatte Hilfe gehabt, seinen Bruder auf seinen Rücken zu ziehen. Aber hier, die Fähe musste zuerst gewillt und dann kräftig genug sein. Er hielt kurz inne - sie mussten es einfach versuchen.
"Ich versuche gerade herauszufinden, welche Möglichkeiten wir haben. Ob es sinnvoll ist, einen zweiten Versuch zu unternehmen, in dem ihr aus eigener Kraft lauft und ich euch stütze, so gut es geht. Ich möchte aber auf jeden Fall vermeiden, dass ihr wieder die Besinnung verliert."
'Und eventuell nie wieder erwacht', fügte der Graue nur in Gedanken hinzu. Innerlich hatte er mit dieser Variante nach ihren Worten fast abgeschlossen. Daher blieb nur die alternative, dass er die Fähe auch tragen musste. Die Distanz war hoch, aber aufgeben war keine Option.
"Falls ihr Euch einen erneuten Versuch nicht zutraut, werde ich versuchen Euch zu tragen."
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Aus seiner liegenden Position vor der Fähe sah Delano die Geisterfähe an. Sie hatten eine schwere Reise vor sich. Aber so klar, wie sie jetzt wieder war, wunderte sich der Graue was der Grund für ihren Zusammenbruch gewesen ist. Sie war zwar auch jetzt außer Atem, aber außer der Pfote schien sie sonst in nicht allzu schlechter Verfassung zu sein. Das könnte zu ihrem Vorteil sein, es sei denn natürlich er wusste irgendwas nicht. Vielleicht war es auch ihre Psyche, die sie in den Schnee gezwungen hatte.
Als sie sprach, kam es ihm fast so vor, als wäre es eine andere Persönlichkeit, die aus der Fähe sprach und Delano beschloss das Ganze auch so zu behandeln. Was sie dann sagte quittierte er erstmal mit einem respektvollen Nicken seines Hauptes.
"Es ist mir eine Ehre Euch zur Seite zu stehen, Dena. Aber an Glück glaube ich nicht."
Er hielt kurz inne. Kurz überlegte er wieder aufzustehen, aber er wollte aktuell nicht von oben herab mit der Fähe sprechen, wenn ihre Psyche immer noch so instabil schien.
"Es ist wichtig, dass wir demnächst aufbrechen. Ihr seid hier gefährdet und müsst dringend aus dieser Eiswüste raus. Vorher würde ich aber gerne herausfinden, was der Grund eurer Ohnmacht war. Waren es die Schmerzen, die Euren Geist zum Rückzug gezwungen haben, oder seid ihr auf andere Weise geschwächt, abseits eurer Wunde?"
Es war wichtig für ihn zu ermitteln, ob sie einen weiteren Versuch wagen sollten, wo er die Fähe stütze und sie aber aus eigener Kraft vorankam, oder ob er sich überlegen musste, wie seine Kraft für zwei reichen musste.
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Wie Delano gehofft hatte, bewirkten seine Worte eine Reaktion. Nur - die Art der Reaktion überraschte ihn. Er hatte mit Wut gerechnet, mit aufbrausenden Worten und Beleidigungen, vielleicht sogar mit entblößten Zähnen und einer Ansage. Aber nichts davon kam. Stattdessen sah er Tränen und hörte Schluchzen. Anscheinend hatte er unbeabsichtigt eine sehr persönliche Ader getroffen.
Der Graue war schon dabei sich umzudrehen und nochmal zu bestärken, dass nicht alles verloren war, als er sah, wie die Fähe ihren Fang zu ihrem verletzten Vorderlauf bewegte, und nicht etwa um noch einmal sanft drüber zu lecken.
Damit bestätigte sich seine Vermutung, dass sie sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hatte. Wichtig für ihn war, sie davon abzuhalten sich weiter zu verstümmeln. Er wollte gerade seine Zähne entblößen um sie dominant anzuknurren, in der Hoffnung, dass sie einfach instinktiv einem ranghöheren Tier gehorchen würde und die Handlung selbst in ihrem Wahn abbrechen würde.
Aber bevor er zu diesem Plan kam, schien die Fähe selber zu realisieren, was gerade passierte. Sie sprang auf, um sofort wieder zusammenzubrechen, aber ihre Augen waren wieder klar. Sie wusste genau, was gerade passiert war und sie schien zu tiefst darüber erschreckt. Delano fragte sich, ob ihr das vorher so klar bewusst war, wie sie sich selbst verletzt hatte, oder ob auch diese Erkenntnis jetzt erst eintrat.
Die Art, wie sie ihn geschockt anschaute, während sie die Erkenntnis auch äußerte, ließ ihn vermuten, dass ihr das Ausmaß erst jetzt bewusst wurde. Er hätte es anders formuliert, aber er war froh, dass sie es offen ausgesprochen hatte. Die Worte, die dann folgten, stimmten ihn positiv. Das war die Reaktion, auf die er am Ende gehofft hatte. Hoffnung wecken und an ihren Kampfgeist appellieren. Als sie weitersprach, regte sich Mitgefühl in ihm. Sie hatte Recht, keiner hatte einen größeren Gegner als den eigenen Geist. Aber auch keinen größeren Verbündeten. Delano musste dafür sorgen, dass sie Vertrauen in sich selbst bekam und in ihn. Sie musste glauben, dass eine Rettung möglich war.
Wohlwollend sah er, dass sie sich bemühte Blickkontakt mit ihm aufzunehmen. Er trat einige Schritte in ihre Richtung und senkte sein Haupt, so dass er nicht so sehr von oben herab mit ihr sprechen würde.
"Es ist gut zu hören, dass Ihr Euch dazu entschieden habt zu kämpfen, Geist-Fähe."
Er musterte Sie nochmal, sie war immer noch sehr aufgewühlt.
"Die Angst kann ich Euch leider nicht nehmen. Es ist auch nicht ratsam keine Angst zu haben, aber die Angst darf Euch nicht lähmen."
Er legte sich kurz vor der Fähe hin in der Hoffnung noch mehr Ruhe in den Ablauf zu bringen. Obwohl sie sich bald auf den beschwerlichen Weg machen sollten.
"Ich verstehe, dass ihr lieber einen anderen Wolf auf dieser Reise neben Euch hättet und ihr müsst mir nicht Vertrauen, aber ich werde mein Möglichstes geben Euch lebend hier raus zu bringen, darauf gebe ich Euch mein Wort."
Sie konnte nicht wissen, dass sein Wort ihm wichtiger war, als sein Leben, aber vielleicht konnte sie ihm zumindest ansehen, dass er es ernst meinte und sie nicht im Stich lassen würde.
(Catori| Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Delano blieb liegen und wartete ab, wie die Fähe weiter reagierte. Es war für ihn schwierig zu verstehen, wie man so wenig Überlebenswillen haben konnte, um sich von der dringend benötigten Wärme zu entfernen. Als sie sprach ohne ihn anzusehen war er verwirrt. Nachdem sie ihren ersten Satz gesagt hatte, schaute sie ihn an und sprach noch mehr Sachen aus, die in Delanos Gedankenwelt überhaupt keinen Platz hatten und die für ihn auch keinen Sinn ergaben. Da sie sich aber sofort wieder abwandte und ihn aus ihrem Gespräch ausschloss, hatte er Zeit sich damit auseinander zu setzen, wie es weiter gehen sollte.
Wenn er sonst in eine Situation geraten war, auf die seine Ausbildung und sein bisheriges Leben ihn nicht vorbereitet hatten, hatte er sich am liebsten mit seinen Brüdern beraten, wie man weiter vorgehen sollte. Leider war dieses keine Option mehr für ihn. Dennoch ging er in Gedanken die Reaktionen seiner Brüder durch, die er erwarten würde.
Aland hätte keine Absprache abgewartet. Auch ohne Delanos Erlaubnis wäre er in diesem Moment auf die Fähe losgestürmt, hätte seine Schnauze unter die ihre geschoben um ihr Haupt anzuheben und hätte ihr in seiner liebevollen Art klar gemacht, dass sie nicht aufgeben sollte, dass sie gebraucht und geliebt war und das alles gut werden würde.
Senkou hätte schon längst einen Plan ausgeheckt, wie sie die Fähe am besten transportieren könnten ohne ihr weiter Schmerzen zuzufügen.
Und Kourain - er wäre sauer gewesen. Er hätte kein Verständnis dafür gehabt, wie man sein Leben so leicht wegwerfen konnte und allgemein so schnell aufgeben konnte. Er hätte die Fähe vermutlich angeknurrt und sie im Zweifelsfall am Nackenfell auf die Beine gezogen.
Eines hatten seine Brüder alle gemein, keiner von ihnen hätte die Fähe hier alleine sterben gelassen. Jeder von ihnen hätte sich aufgeopfert um ihr das Überleben zu sichern. Delano hatte das auch nicht vor, aber er war auf ihre Mithilfe angewiesen und daher sah er es als nötig an, ihren Kampfgeist zu wecken.
Der Graue blieb noch einen Moment liegen und distanzierte sich innerlich von der Situation. Es nützte ihm nichts hier mit Gefühlen zu agieren, die einzigen Gefühle, die die Fähe vielleicht erreicht hätten, wären die Liebevollen von Aland gewesen, aber damit konnte er nicht dienen, daher zog er sich auf seine Logikebene zurück. Fast lautlos stand der Rüde auf und blickte nochmal auf die Fähe runter. Dann sprach er langsam und bestimmt:
"Ihr verdreht meine Worte in Eurem Mund. Die Situation ist keineswegs so aussichtslos wie Ihr sie darstellen wollt. Falls ich das denken würde, wäre ich weitergezogen als ihr ohnmächtig wart und wäre nicht geblieben um meine Wärme mit euch zu teilen und Eure Wunden zu versorgen. Ich habe Euch mein Wort gegeben Euch zu helfen.", hier holte der graue Rüde kurz Luft und ließ das Gesagte etwas wirken, ehe er weitersprach, "Wenn ihr allerdings den Freitod wählen wollt, weil ihr dieses Leben nicht für lebenswert haltet, dann kann ich nichts für Euch tun."
Daraufhin wandte Delano sich von der Fähe ab und ging langsam ein paar Schritte davon. Er hatte nicht wirklich vor die Graue hier alleine zu lassen, aber evtl. konnte er eine Reaktion aus ihr rausbekommen. Er schaute sich nochmal um und warf über seine Schulter noch hinterher:
"Wer auch immer Euch euren Namen gab, hat sich anscheinend geirrt, denn den nötigen Geist um Kampfgeist zu entwickeln, kann ich in Euch nicht erkennen!"
Es war unnötig beleidigend, aber er musste die Fähe dazu bringen, sich verteidigen zu wollen. Und wenn es nur Hass auf ihn selbst war, der sie dazu brachte weiter Leben zu wollen, dann konnte er gut damit leben.
(Catori| Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Delano nahm sich Zeit die Wunde möglichst gut zu versorgen und damit auch den letzten Blutfluss zu stoppen. Als er quasi fertig war, merkte er wie sich die Atmung der Fähe ein klein wenig veränderte. Daraufhin stoppte er seine Administrationen und im nächsten Moment zog die Fähe die verletzte Pfote auch von der Stelle. Kurz danach merkte er, wie die Fähe sich dichte an ihn schmiegte. Anscheinend war sie doch noch nicht so richtig wach, zumindest bei der Distanz, die sich bisher im wachen Zustand immer von ihm gehalten hatte. Der Graue selbst störte sich nicht daran. Es war ein notwendiges Verhalten in solchen Situationen Körperwärme zu teilen und es störte ihn nicht, wenn es ihre Überlebenschancen erhöhte.
Die Fähe schien das anders zu sehen, nachdem sie wohl im Kopf aufgeholt hatte, in welcher Situation sie gerade steckten. Denn zuerst lief Anspannung durch ihren ganzen Körper und dann merkte er, wie der kalte Wind an die Stelle seines Körpers strich, die eben noch gegen ihren gepresst war. Es ging nicht in Delanos Kopf, wie man so ineffizient mit Ressourcen umgehen konnte, die einem etwas so wichtiges wie das eigene Leben retten konnten.
Als sie ihn fragte, was passiert ist, überlegte er einen kurzen Moment was sie wirklich meinte und wie weit er ausholen sollte, ehe er antwortete.
"Kurz nachdem wir uns auf den Weg gemacht haben, seid Ihr ohne Vorwarnung zusammengebrochen. Anscheinend ist euer Körper noch nicht bereit so eine lange Wanderung unbeschadet zu überstehen."
Er machte eine kurze Pause und musterte ihre Reaktion bevor er weitersprach.
"Ich habe während ihr ohnmächtig wart, eure Wunden versorgt und mit euch Körperwärme geteilt, damit ihr nicht erfriert. Falls Ihr Euch über meine Nähe gewundert habt."
Währenddessen schaute er ihr in die Augen und bliebt genau an der Stelle liegen, an der er die ganze Zeit gelegen hatte.
(Catori | Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Delano nahm wohlwollend zur Kenntnis, dass die Fähe seiner Richtungsvorgabe folgen konnte auch wenn sie mehr Gewicht auf ihn verlagerte. Aber immerhin schaffte sie es danach auch sich in Bewegung zu setzen, wenn auch langsam. Der Graue blieb einfach an ihrer Seite und stützte die Fähe so gut er konnte. Das zusätzliche Gewicht bereitete ihm keine Probleme, auch weil die Graue im Vergleich zu ihm recht leicht war.
So gingen sie Schritt um Schritt, aber Delano merkte schnell, dass jeder Schritt eine große Anstrengung für die Fähe bedeutete. Ihre Muskeln waren durchgehend gespannt und ihre Atmung war schon nach wenigen Wolfslängen sehr schnell und flach. Sie würden nicht so weit kommen, wie sie mussten. Die Fähe hing schon fast mehr auf ihm, als das sie selber stand und er wollte gerade ausholen und sie zum Hinlegen zu bewegen, als plötzlich die Anspannung aus ihren Muskeln wich.
Delano musste kurz kompensieren, dass kein Gewicht mehr gegen ihn drückte, und währenddessen war die Fähe schon in voller Länge im Schnee gelandet.
Der Graue wollte ihr gleich erklären, dass sie das nächste Mal früher Bescheid geben sollte, wenn sie eine Pause brauchte, da merkte er, dass ihr gesamter Körper schlaff am Boden lag und ihre Augen geschlossen waren. Sofort begab er sich zu ihrer Schnauze und prüfte, ob sie noch atmete. Kurz hielt er selbst den Atem an, um ihren besser hören zu können. Als es dann einen Lufthauch spürte, schloss er für einen kurzen Moment mit leichter Erleichterung die Augen. Ungern hätte er sie hier in den Tod begleitet. Aber nur weil sie noch lebte, hieß es nicht, dass das so bleiben würde.
Delano ging kurz ein bis zwei Wolfslängen auf Abstand. Er musste sich sammeln und überlegen, wie es weiter gehen sollte. Selbst wenn er die Fähe wieder wach bekäme, war sie augenscheinlich zu schwach um den Weg auf ihren verbleibenden drei Pfoten zurückzulegen. Der graue Rüde legte sich selbst kurz hin und schloss die Augen. Er kehrte seine ganze Aufmerksamkeit für kurze Zeit auf sein Inneres. Er hörte seinen Atem und sein Herz schlagen und er prüfte, wie leistungsfähig er war. Durch die Wochen in der Kälte-Ödnis war er sicher nicht auf seinem allerhöchsten Leistungsniveau, aber er hatte vor verhältnismäßig kurzer Zeit gefressen und er hatte keinerlei Verletzung. Sein Körper war stark, jetzt hieß es seinen Geist vorzubereiten. Er machte einige tiefe Atemzüge und schloss mit jedem jedes noch so kleine Gefühl weg, damit er ohne von Gefühlen beeinflusst zu werden, klare und logische Entscheidungen treffen konnte.
Als er soweit war, kehrte er seine Aufmerksamkeit wieder nach außen und öffnete die Augen. Zuerst würde er sich die Wunden der Fähe noch einmal in Ruhe anschauen. Die Kratzer am Kopf waren größtenteils oberflächlich und es sah nicht so aus, als würden sie sich entzünden, was sehr gut war. Die Pfote hingegen war unmöglich einzuschätzen. Es war kaum noch Fell am gesamten Lauf zu sehen und an einigen Stellen war die Verletzung sehr tief. Überall war Blut verschmiert, aber durch irgendeine glückliche Fügung schien die Hauptader verschont geblieben zu sein, ansonsten wäre die Fähe weit vor seinem Eintreffen verblutet. Jetzt wo er in Ruhe schauen konnte, war er sich zum einen sicher, dass es Bissverletzungen von einem Wolf waren und zu anderen, dass die Fähe sich die Verletzung entweder selber zugefügt haben musste, oder aber dass ihr das jemand zugefügt hatte, als sie Ohnmächtig war und es so aussehen lassen wollte, als wäre sie es selbst gewesen. Von ihrem Verhalten her und von der Scham, die sich teilweise ausgestrahlt hatte, glaubte er inzwischen an Ersteres. Was hatte sie nur so weit getrieben?
Vorsichtig machte er sich daran die wenigen noch leicht blutenden Stellen mit der Zunge zu bearbeiten um den Blutfluss zu stoppen. Es war sonst einfach zu einfach, dass jemand sie aufspüren konnte. Währenddessen legte er sich neben die Fähe um ihr möglichst viel Körperwärme abzugeben, während er arbeitete. Sie war eindeutig zu kalt. Ewig konnte er hier nicht verweilen.
(Catori | Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Delano wartete geduldig ab, während die Fähe entweder einen inneren Monolog führte oder aber mit ihrem Körper kämpfte. Er bewegte sich währenddessen quasi nicht, sondern mimte einen Fels in der Brandung. Sein Blick war inzwischen in die Richtung geneigt, in die sie sich gleich bewegen wollten. Für einen gesunden Wolf war es kein weiter Weg, er hatte ihn innerhalb weniger Sonnenbreiten zurückgelegt. Aber der Zustand der Fähe war alles andere als gut und er war sich nicht sicher, ob sie den Weg überhaupt schaffen würden.
Während seine Augen auf den Weg gerichtet waren, waren seine anderen Sinne bei der Fähe. Dadurch, dass er sich so dicht neben ihr platziert hatte, konnte der Graue jede ihrer Bewegung mit den Fellspitzen erfühlen. Kurz hatte er erwartet, dass sie seiner Annäherung ausweichen würde, aber das war nicht der Fall. Ob es daran lag, dass sie nicht konnte oder nicht wollte, vermochte er nicht zu sagen. Nach nur kurzer Zeit spürte Delano, wie sie sich annäherte, daher war er darauf vorbereitet ein Teil ihres Gewichts zu tragen und er musste keinen Schritt machen um dieses zu kompensieren. Er war positiv überrascht, dass sie sich so schnell auf Hilfe eingelassen hatte. Er hatte erwartet, dass sie sich vorher noch einmal auf die Nase legen würde. Vielleicht war sie doch weiser, als er bisher gedacht hatte.
Wie oft hatte er seine Brüder auf diese Weise begleitet, wenn sie wieder mal an die Falschen geraten waren. Als er nun das Gewicht der Fähe an seiner Flanke spürte, fühlte er sich an seinen jüngsten Bruder Aland erinnert. Er war immer der kleinste und leichteste gewesen, und der gutmütigste. Vom Körperbau hatte er die meiste Ähnlichkeit mit der Geist-Fähe, die nun an seiner Seite stand.
Was ihn währenddessen beunruhigte war, dass die Fähe nicht soviel Körperwärme abstrahlte, wie es es von anderen Wölfen gewohnt war. Der Unterschied war nur gering, aber er konnte spüren, dass sie kälter war als er selbst. Auch ein sehr schlechtes Zeichen, was ihren Allgemeinzustand anging. Nur kurze Zeit später zuckte die Fähe ordentlich zusammen, was Delano dazu verleitete seinen Blick zurück in ihre Richtung zu wenden.
Da sie sehr dicht beieinander standen konnte er ihr nicht in die Augen sehen, aber er sah, dass sie gen Boden blickte. Er vermutete, dass sie ihren verletzten Lauf anschaute und das Zucken vielleicht durch einen unerwarteten Schmerz zustande gekommen war. Er blickte ebenfalls dorthin. Die Pfote sah wirklich schlecht aus und die Haltung, in der die Fähe sie hielt, ließ ihn vermuten, dass irgendwas nicht stimmte. Aber das war genau der Grund warum er sich an dieser Seite platziert hatte um ihr das Gewicht, was eigentlich ihr Pfote tragen sollte, abzunehmen.
Als sie sprach, merkte er die Unsicherheit in ihrer Stimme und ihrer Körperhaltung. Ihre Muskeln spielten unruhig unter ihrem Fell, vermutlich weil sie es nicht gewohnt war ihr Gewicht auf drei Beinen auszubalancieren und sie nicht richtig wusste, wie es weitergehen sollte.
Er stand auf ihrer rechten Seite und da sie sich noch einiges nach rechts drehen mussten, übte er vorsichtig mit seinem Hinterteil etwas Druck gegen ihren Hinterlauf aus. Er hoffte, dass ihre Pfoten hinten beweglich genug waren um seinem leichten Druck zu folgen, ohne dass sie das Gleichgewicht verlor. Gleichzeitig sprach er mit ruhiger Stimme.
"Wir müssen noch etwas weiter nach rechts, so dass wir uns Richtung Südosten bewegen."
Er machte eine kurze Pause und sprach dann weiter.
"Ich werde euch lenken, während Ihr das Tempo vorgeben müsst, Geistwölfin. Wann immer ihr eine Pause braucht, scheut euch nicht, dass zu sagen."
Währenddessen strahlte er Ruhe und Sicherheit aus. Das zusätzliche Gewicht der Fähe belastete ihn überhaupt nicht. Er war ganz andere Dinge gewohnt. Wichtig war, dass sie ihm vertraute und dass sie ihm erlaubte soviel von ihrer Last zu tragen, wie sie brauchte.
(Catori | Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Delano war etwas irritiert über das kurze Lächeln der Fähe nach seinen Worten. Vielleicht war ihr Geist doch etwas wirr oder sie hatte einen ähnlichen Humor wie Senkou. Aber ob sie in Gedanken woanders war, oder sich über ihn lustig machte, war für den Grauen einerlei, wichtig waren für ihn die Worte, die die Fähe im Anschluss sprach.
Er quittierte ihre Worte mit einem kurzen Nicken. Delano respektierte den Realismus und die Offenheit des Gesagten und es war mehr, als er von der Geist-Fähe in dieser Situation erwartet hätte.
Der Graue selbst hatte früh gelernt, dass die Aussage etwas zu versuchen, nur hieß, dass man sich selbst eine Ausrede parat legt, falls es nicht klappt. Wichtig war nicht, es zu versuchen, sondern es zu tun. Seine eigene Sturheit hatte ihn schon häufig durch Situationen getragen, die sein Körper eigentlich nicht hätte schaffen können. Aber kaum ein Wolf war durch die gleiche harte und herzlose Schule gegangen wie er und er wusste inzwischen, dass die Aussage häufig mit weniger Hintergedanken gemeint war, als er instinktiv reininterpretierte.
Der Graue beobachtete wie die Fähe sich darauf vorbereitete, was durchaus der härteste Weg ihres Lebens werden konnte. Während sie begann sich hochzukämpfen hatte Delano sich bereits an ihre rechte Seite begeben. Da auf dieser Seite ihr verletzter Lauf war, war es am wahrscheinlichsten, dass sie hier die meiste Unterstützung brauchte.
Er sah wie sehr sie darum kämpfte auf ihre Pfoten zu kommen und auch da zu bleiben und er wollte ihr die Zeit geben, die sich brauchte sich nur darauf zu konzentrieren. Aber währenddessen näherte er sich ihr, bis nur noch Fellspitzen zwischen ihrer Flanke und der Seinen Platz war, jederzeit bereit seinen Körper gegen ihren zu stemmen. Als sie soweit einigermaßen stabil stand, sprach er leise und ruhig um sie nicht zu erschrecken, da er sich nicht sicher war, ob sie seine Bewegungen verfolgen konnte.
"Ich bin hier, falls Ihr Unterstützung benötigt. Scheut euch nicht, meine Kraft zu nutzen, wenn sie Euch hilft. "
(Catori | Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Während er sprach merkte er, wie die Fähe sich endlich dazu aufraffte ihn anzusehen und auch irgendwas murmelte, was aber für ihn nicht verständlich war. Da er eh gerade am Sprechen war, ließ er sich davon nicht weiter irritieren. Der Vorschlag nach Süden zu gehen, erschien ihm selbst der Sinnvollste, aber nur, weil er den Weg als einzigen selber kannte und am besten einschätzen konnte.
Nachdem er fertig gesprochen hatte, blickte die Fähe ihn noch mal an und verriet ihm endlich ihren Namen und dankte ihm sogar. Vielleicht erinnerte sie sich langsam an die Formen der Höflichkeit, was er wohlwollend zur Kenntnis nahm und mit einem Nicken quittierte.
"Noch gibt nichts wofür es sich zu danken lohnt, geistreiche Fähe."
Als sie weiter sprach, fühlte er sich an seine Brüder erinnert. Auch sie hatten sich nie mit der formellen Sprache, die er von seinem Vater gelernt hatte, anfreunden können. Für den Grauen war die Ausdrucksweise ein Zeichen von Respekt, aber auch Gewohnheit. Seine Brüder hatten sich manchmal drüber lustig gemacht, und manchmal hatte er extra so gesprochen um sie aufzuziehen, oder sie zum Lachen zu bringen.
"Ihr dürft mit mir sprechen, wie es euch beliebt."
Innerlich musste er kurz schmunzeln, ehe er sich den Ernst der Lage in Gedächtnis rief und sich sofort innerlich zur Räson brachte.
"Inwiefern das möglich ist, hängt zum Großteil von Eurer Verfassung ab. Der Weg ist flach und ohne Hindernisse. Aber er ist trotzdem weit und die Witterung herausfordernd. Fühlt ihr Euch in der Lage aufzubrechen?"
Noch einmal ließ er seinen Blick über ihre Verletzungen streifen. Delano ging nicht davon aus, dass sie mit dem verletzten Lauf auftreten konnte. Was er nicht wusste, war allerdings, ob sie ihn überhaupt noch bewegen konnte. Wichtig war auch, dass sie keine Spur hinterließen, aber von seiner Position konnte er gerade nicht sehen, ob und wie sehr die Verletzung noch blutete.
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Delano sah wie die Fähe sich darauf konzentrierte ihre Position anhand des Gebirges festzustellen. So lange verhielt er sich leise um sie nicht dabei zu stören. Er fragte sich in was für eine Situation er da wieder geraten war. Als sie ihre Stimme erhob, spitzte er die Ohren und schaute sie genau an. Immer darauf bedacht, dass ihre Mimik noch mehr erzählte als ihre Stimme.
Zunächst war es ein schlechtes Zeichen, dass sie hinter dieses Gebirge mussten. Es war hoch und schien auch breite Ausläufer zu haben, so dass der Weg in jedem Fall beschwerlich und anstrengend werden würde - selbst für gesunde Wölfe. Der Vorteil an dem Weg durch die Eiswüste wäre zumindest, dass der Boden weitestgehend eben war, was gerade für in der Bewegung beeinträchtigte Artgenossen hilfreich sein würde. Natürlich waren sie Wind und Wetter hilflos ausgeliefert, gerade die schneidende Kälte würde mit der Zeit zu einem Problem werden, aber hauptsächlich wenn sie sich nicht bewegen würden. Und der Vorteil war, dass der letzte Schneesturm gerade erst durch war, vielleicht hatten sie das Glück, das so schnell kein neuer Sturm aufziehen würde. Der Graue aber glaubte nicht an Glück.
Als die Fähe nach ihren ersten Aussagen in Stocken geriet, ja regelrecht zögerte weiterzusprechen, konnte er in ihren Augen erkennen, dass sie mit sich selbst rang. Allein, dass sie ihn nicht direkt ansah, sprach mehr als es ihre Stimme je könnte. Er merkte, wie ihr Stolz mit ihr rang und wusste nach dem nächsten Satz auch warum. Es war nie einfach sich eine Schwäche einzugestehen, schon gar nicht eine die den Geist und nicht den Körper betraf. Delano hatte gelernt, dass es mehrere Gründe dafür gab, dass man sich an bestimmte Ereignisse nicht erinnern konnte. Zum einen wenn man einen ungünstigen Aufprall mit dem Kopf hatte. Beispielsweise mit dem Huf eines Elches oder aber mit einem Stein. Zum anderen konnte es aber auch ein Schutz des eigenen Körpers sein, wenn etwas passiert war, was man nicht verarbeiten konnte. Er kannte das von der Welpin Moon, die er mit Aland im letzten Rudel kennengelernt hatte. Auch sie konnte sich nie an den Tot ihrer Eltern erinnern. Welche von beiden Varianten es in diesem Fall war, konnte er nicht sagen, aber durch die Scham, die er in den Augen der Fähe sah, tendierte er zu der Zweiteren, aber durch ihre Wunden konnte er auch nicht ausschließen, dass es auch eine körperliche Ursache gab.
So oder so quittierte er die Aussage mit eines respektvollen Nicken seines Kopfes, da dieses Eingeständnis wichtig für ihr gemeinsames Ziel war. Allerdings war er sich nicht sicher, ob sie das überhaupt wahrgenommen hatte. Sie schien sich noch weiter in ihr Inneres zurückzuziehen und einen inneren Monolog zu führen. Er sah Emotionen, die er nicht richtig zuordnen konnte, er sah auch weiterhin den Stolz hinter dem grauen Fell und Ärger? Hier war er sich nicht sicher, vielleicht interpretierte er ihre Mimik auch falsch. Dass sich dann aber wieder sammelte und konzentrierte, erzeugte Respekt in ihm. Es schien ihr zu gelingen ihre Gefühle zumindest temporär zu zügeln. Als sie weiter sprach, versuchte er sich das beschriebene Szenario bildlich vorzustellen.
Es klang für ihn nicht so, als wäre die Wanderung durch eine Schlucht für die Fähe von ihrer körperlichen Verfassung eine Option, auch wenn eine trockene Höhlenpassage bei der Kälte verlockend klang. Und schon im nächsten Satz schien sie zum gleichen Entschluss gekommen zu sein.
"Ich danke Euch für eure Einschätzung, fremde Fähe. Nach dem, was ihr beschrieben habt, würde ich Eurer Entscheidung zustimmen und den Weg durch die Eiswüste anstreben."
Er dachte einen Moment nach und schaute in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Vielleicht wäre es auch besser zurück in den kargen Wald zu gehen, wo er zuletzt Beute gemacht hatte. Der Weg war recht unkompliziert gewesen. Allerdings wäre die Fähe dann auch länger in seiner Verantwortung, als wenn er sie bei ihrem Rudel abliefern konnte. Ansprechen musste er es aber, denn es würde schließlich um ihr Leben gehen.
"Zusätzlich gäbe es die Option nach Südwesten zu gehen. Von dort bin ich gekommen und wir könnten in einem Wald Zuflucht suchen. Die Beute dort ist rar, aber nicht unmöglich zu erlegen."
Noch einmal machte er eine Pause und musterte, die für ihn immer noch namenslose Wölfin. Sie machte bereits jetzt einen ausgelaugten Eindruck, es würde um ihr Leben gehen.
"Aber die Entscheidung, welchen Weg wir einschlagen überlasse ich Euch."
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Die Fähe hob ihren Kopf und schaute ihn an. Was auch immer sie in seinem Blick suchte. Delano musste sich nicht bemühen ihrem Blick Stand zu halten. Er hatte schon anderen nonverbalen Austausch dieser Art mitgemacht und er hatte nichts zu verbergen. Er nutzte den Moment um in ihren Augen zu lesen, wie klar ihr Verstand war.
Ihre Worte ließen ihn dann aufhorchen. Es schien, als kannte sie sich zumindest grob hier aus. Das könnte ihre Chancen lebend hier raus zu kommen erhöhen. Und sie war klar genug im Kopf um bereits strategisch zu denken. Ihren Worten folgend machte er Platz und schaute in dieselbe Richtung wie sie, ohne näher auf ihre Worte einzugehen.
Innerlich ging er durch wie seine Brüder auf die respektlose Antwort der Fähe reagiert hätten. Aland hätte Mitleid mit ihr gehabt und ihr quasi alles sofort verziehen. Häufig waren solche Situationen mit Alands empathischer Art einfacher zu aufzulösen. Senkou wäre enttäuscht gewesen, dass sie unhöflicherweise nicht mit ihrem Namen geantwortet hatte, wäre aber schnell darin übergegangen die Umgebung nach dem klügsten Weg zu analysieren. Und Kourain der wäre Zähne zeigend hinter ihm hervorgesprungen, jederzeit bereit die Ehre seines großen Bruders zu verteidigen. Delano währenddessen betrachtete das ganze nüchtern. Ja, nach ihren Gesetzen war es respektlos einen Namen genannt zu bekommen und nicht seinen eigenen zu offenbaren. Und ja, er könnte einfach gehen. Aber das würde er nicht tun. Und wer weiß, vielleicht hatte sie einfach niemanden, der ihr die Gesetze beigebracht hatte. Wie immer ließ er sich von Logik und nicht von Gefühlen leiten.
Die wichtigen Infos für ihn waren; Sie hatte anscheinend ein Rudel nicht allzu weit von hier, wo er sie abliefern und seiner Wege ziehen konnte. Und noch wichtiger, es bestand die Chance, dass die Fähe den richtigen Weg finden würde. Da er selbst keinen Anhaltspunkt aus Form und Farbe der Berge ziehen konnte, wandte er sich ihr zu und betrachtete sie von der Seite, während sie sich die Berghänge anschaute. Der Graue schätzte, dass sie etwa in dem Alter seiner Brüder war, aber auf Grund ihres Zustandes konnte er nicht einschätzen, wie sie sich normalerweise verhalten würde. Er schaute sich aus der Distanz auch ihre verletzte Pfote nochmal an. An einigen Stellen war kaum zu erkennen, dass es mal eine intakte Pfote war. Aber bisher schien sie die Schmerzen gut ignorieren zu können und er fragte sich, ob das auch Teil des Schocks über ihre Situation war, oder ob sie ähnlich wie er gelernt hatte, sich von Schmerz zu distanzieren. Wenn das der Fall wäre, würde sie sich seinen Respekt verdienen, aber vor allem würde es ihre Chancen erhöhen.
"Sobald ihr etwas herausgefunden habt, sollten wir aufbrechen. Je weniger Zeit wir in dieser ungeschützten Umgebung verbringen, desto besser für eure Gesundheit."
Delano fragte sich, ob er sie explizit darauf ansprechen musste, wie ihre Leistungsfähigkeit war, oder ob sie freiwillig mit Informationen kommen würde. Es wäre ihrer Mission zumindest dienlich.
(Catori | Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Delano versuchte die Situation weiter zu analysieren. Es gab zu viele Faktoren, die er nicht beeinflussen konnte. Das behagte ihm gar nicht. Er wusste nicht genug über die Gegend und am Geisteszustand der Fähe musste er auch Zweifeln. Dennoch war es seine Pflicht zumindest zu versuchen sie zu retten.
In dem Moment, wo er diesen Gedankenstrang weiter verfolgen wollte, raffte sich die Fähe plötzlich auf und kam torkelnd auf die Pfoten ohne weiter auf seine letzten Worte einzugehen.
Er konnte ihr ansehen, dass sie alles andere als stabil stand und dass ihr Gleichgewichtssinn aktuell keine guten Dienste leistete. Noch bevor der Graue etwas sagen konnte, versuchte die Fähe sich vorwärts zu bewegen und fiel der Länge nach in den Schnee. Er sah wie ihre verletzte Pfote unter ihr nachgab, sein Verdacht erhärtete sich, dass sie evtl. nie wieder richtig Laufen können würde. Wäre es evtl. moralischer gewesen sie friedlich einschlafen zu lassen? Viele Wölfe hielten ein Leben auf drei Pfoten nicht für lebenswert. Er aber wusste, da so ein Leben möglich war, wenn man sich klug genug anstellte, oder aber einem starken Rudel angehörte. Ob die Fähe einen der beiden Wege einschlagen konnte, vermag er nicht zu sagen, mit dem was er bisher gelernt hatte.
Als klar wurde, dass sie sich nicht gleich wieder aufrappeln würde, schritt der Graue zu ihr hin und senkte seine Schnauze herab, dass er ihr besser in die Augen schauen konnte. Es half alles nichts, damit er ihr helfen konnte, musste sie ihm vertrauen.
"Falls ihr Überleben wollt, solltet ihr Euch Eure Kräfte besser aufteilen, fremde Fähe."
Es versuchte seinen Tonfall möglichst versöhnlich zu halten.
"Mein Name ist Delano, ich komme von den spitzen Bergen weit weg von hier. Ich würde Euch helfen, solange ihr das denn wollt."
Die formelle Vorstellung kürzte er ab, denn sie hatten wahrlich dringender Dinge zu besprechen. Er hoffte, dass die Fähe sich auskannte und ihm zumindest die beste Richtung weisen konnte. Andererseits durfte er sich nicht nur darauf verlassen. Sie schien nicht unbedingt Herr über ihre Sinne zu sein.
Zusätzlich schien sie Probleme mit ihrem Kreislauf zu haben. Er wusste ja nicht, wie lange sie bereits hier gelegen hat, wann sie das letzte Mal Nahrung und nährstoffreiches Wasser hatte, und was sie zuvor erlebt hatte. So schnell wie sie eben wieder zu Boden gegangen war, schien es unwahrscheinlich, dass sie eine weitere Strecke zurücklegen konnte. Und obwohl er immer noch gut in Form war, war er sich auch nicht sicher, wie lange er sie hinter sich her ziehen können würde, falls sie es nicht auf eigenen Pfoten schaffen würde.
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Für Delano wurde mit jedem verstrichenen Atemzug mehr klar, wie schlecht es um die Fähe wirklich stand. Das leichte Zittern und das Ablegen ihres Kopfes waren nur die letzten Zeichen, die er brauchte, um zu wissen, dass sie diese Eiswüste vermutlich nicht unter eigenen Kräften verlassen würde. Es würde seine Aufgabe sein dafür zu sorgen, dass sie hier lebend rauskam. Die Verletzungen waren zwar hinderlich für ihr Vorankommen, aber an sich nicht lebensgefährlich. Es sei denn, es gab Verletzungen an ihr, die er nicht sehen konnte.
Ihre Antwort ließ ihn aufhorchen. Sie war maximal ausweichend, was ihn verwirrte. Merkte sie nicht, dass er nur versuchte ihr zu helfen? Delano ließ sich ihre Antwort nochmal durch den Kopf gehen und betrachtete dann nochmal die Verletzungen an ihrem Körper, die er sehen konnte. Gerade die Verletzung an ihrer Pfote schien ihm für einen externen Angreifer vom Winkel schwierig zuzufügen. Das deckte sich auch mit ihren Worten. Aber dennoch sah es so aus, als wären Fangzähne im Spiel gewesen. Das war keine Verletzung, die man sich an der Umgebung zufügte, was nur einen Schluss zuließ.
"Behaltet Eure Geheimnisse für Euch, solange Sie uns nicht gefährden, fremde Fähe!"
Der Graue fixierte die Fähe mit einem ernsten und strengen Blick, um ihr klar zu machen, dass er damit keinen Spaß machte. Wenn es irgendwas gab, was einen von ihnen gefährdete, dann musste er das wissen um es in seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Das galt auch, wenn die Fähe eine Gefahr für sich selber sein sollte.
Sie selbst schien nach ihrer Körpersprache nicht mehr an ein Überleben zu glauben. Vielleicht aber zweifelte sie auch an ihm.
Für Delano stand nie zur Debatte, ob er der Fähe helfen würde, nach seinen anerzogenen Gesetzen war er dazu verpflichtet. Aber niemand würde es je wissen, wenn er sie einfach hier liegen und damit sterben ließ. Vielleicht war es das, was die Fähe von ihm dachte. Warum aber hätte er dann überhaupt anhalten und sie wecken sollen?
Sie hatten auf jeden Fall keine Zeit zu verlieren. Es war wichtig, dass sie sich bald auf den Weg machten. Delano schaute sich um, es war ärgerlich, dass er das erste Mal in dieser Gegend unterwegs war. In allen Richtungen war nur Weiß. Außer die riesige Gebirgskette, die neben ihnen in den Himmel ragte. Es war wichtig, dass sie ihm vertraute. Er hoffte, dass sie wusste in welche Richtung sie gehen mussten.
Aber bevor er sie mit weiteren Fragen und Fakten überfiel, wartete er ab, ob sie zu seinen Worten etwas sagen wollte.
(Catori | Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Sobald Delano merkte, dass die Fähe anfing sich zu bewegen, ging er auf Abstand. Es war nicht das erste Mal, dass er mit verletzten Artgenossen zu tun hatte. Und er wusste - nicht zuletzt auch aus eigener Erfahrung - dass das Erwachen aus unnatürlichem Schlaf nicht immer mit der Kontrolle über die eigenen Gliedmaßen zusammenfiel. Dazu kam die Verwirrung und die Angst, dass was auch immer die Verletzung verursacht hatte, immer noch da war. Daher rechnete er mit allem und sah sich bestätigt, als die Fähe auf unnatürliche Weise versuchte den Kopf zu heben. Es sah wie ihre verletzte Pfote nutzen wollte, und das diese kein Gewicht tragen wollte. Ob sie es jemals wieder tun würde? Der Rüde war sich sicher, dass die Fähe in diesem Zustand keinerlei Gefahr für ihn darstellen würde. Er hielt aber weiter Abstand, da er sie auch nicht niederringen wollte, falls ihr verwirrter Geist doch auf die Idee kommen wollte, sich mit ihm anzulegen.
Delano sah sich bestätigt, als ihre wilden Augen auf ihn fielen und sie ihn kurz anknurrte. Wenn ihr Geist auch nur minimal wach gewesen wäre, hätte sie dieses ihm gegenüber sicher nicht gewagt. Weiterhin bliebt er auf Abstand, seine Muskeln gespannt und jederzeit bereit für eine Aktion, in welche Richtung auch immer sie ausfallen würde. Doch dann schien der Teil Vernunft in ihr auch endlich wach zu werden und die Fähe wurde ruhiger. Er sah fasziniert zu, wie sie durch eine übliche Atemübung Körper und Geist zu beruhigen versuchte. Interessant. Auch er kannte dieses Vorgehen und hatte es schon häufig genutzt um seinen Körper trotz äußerer Umstände immer unter Kontrolle zu halten. Aber er hatte nicht erwartet, dass er hier mitten in einer Eiswüste jemanden finden würde, der ähnlich ausgebildet wurde wie er. Oder war es evtl. nur Zufall? Delano fixierte die Fähe noch genauer und schaute sich genau an, was sie tat. Wo hatte sie sowas gelernt?
Als sie im nächsten Moment aber die Kopf hob und anfing den Schnee aufzulecken, war er innerlich verwirrt. Vielleicht war sie doch nicht so gut ausgebildet worden, wie er gedacht hatte. Oder aber sie hatte nicht in Eis und Schnee gelernt. Delano sah, dass die Fähe zitterte, was für einen Wolf mit intaktem Fell sehr ungewöhnlich war. Ihr musste also wirklich kalt sein. Weiß sie nicht, dass das Trinken des Schnee ihren Körper noch schneller auskühlt?
Die Fähe schaute ruckartig zu ihm und musste anscheinend gegen Schwindel ankämpfen. Delano fragte sich, wie schlimm es wirklich um sie stand. Sie schien sehr durch den Wind zu sein. Wenn er nur wüsste, woher diese Verletzungen stammten, die sie zur Schau trug. Der Graue zeigte sich in seiner vollen Statur, ohne aber Rute und Ohren in eine dominante Stellung zu bringen. Sie sollte wissen, zu was er fähig war, aber gleichzeitig keine Angst vor ihm haben. Anscheinend gelang ihm das, denn die Worte die sich sprach, waren ganz so, als würden sie sich bereits kennen nur lange nicht gesehen haben. Diese Vertrautheit verwirrte ihn, was er sich aber nicht anmerken ließ. Dieses Gespräch verlief nicht so, wie er erwartet hatte. In seinem Kopf spielte er in wenigen Sekunden Antwortmöglichkeiten durch, die für ihn in den unterschiedlichen Charakteren seiner Brüder daherkamen. 'Nicht besonderes' hätte Senkou gesagt, 'Ich bin da um dir zu helfen' das wäre Alands Part gewesen und Kourain hätte vorlaut wie immer geantwortet 'Anscheinend bin ich hier, um deine hübsche Schnauze vor der Erfrieren zu bewahren'. Delano aber sagte nichts davon, nicht umsonst, hatte er das Sagen gehabt und nicht seine Brüder.
"Es sah aus, als würdet Ihr Hilfe benötigen." Dass die Gesetze, die er gelernt hatte, ihn dazu verpflichteten ihr zu helfen, sprach er bewusst nicht aus. Auf seinen Reisen hatte er gelernt, dass nicht alle Artgenossen, sich an diese alt überlieferten Vorschriften hielten.
"Woher stammen Eure Verletzungen? Ist die Gefahr weiterhin akut?" Das war seine oberste Priorität. Davon hing ab, was ihre nächsten Schritte waren. Er musste wissen, ob er noch mehr als er es eh tat, jederzeit mit einem Angriff rechnen musste.
(Catori | Polarwüste, nahe der südlichen Ausläufer der Gebirgskette)
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Kurz bevor Delano die Baumgrenze erreichte, frische der Wind merklich auf und zog an seinem grauen Fell. Witternd hielt er die Schnauze in die eisige Luft. Vermutlich würde mehr Schnee folgen. Demnach war es keine gute Idee den Schutz der Bäume zu verlassen, so dass der Rüde sich kurz nochmal umdrehte um sich zwischen den Wurzeln eines Baumes eine Kuhle zu suchen, wo er den Sturm abwarten konnte. Hier rollte er sich zusammen, zog die buschige Rute über seine Schnauze und schloss die Augen.
Der Schneesturm zog über ihn hinweg, während er seine Kraftreserven erneuerte. Während so eines Sturmes würde niemand unterwegs sein, der Herr seiner Sinne war, daher konnte er sich ganz auf sich selbst konzentrieren. Er ging den letzten Tag nochmal in Gedanken durch und überlegte, was er hätte anders, oder besser machen können. Erst nachdem er mit seiner Analyse zufrieden war, ließ er sich in einen leichten aber erholsamen Schlaf fallen.
Erst als es aufhörte zu schneien und die Wolken sich lockerten, öffnete Delano die Augen und blickte sich um. Die weiße Welt war noch weißer und unerbittlicher geworden. Der Graue erhob sich und schüttelte die Schneeflocken von seinem Fell. Leicht sarkastisch dachte er sich, dass er dieses Mal im Sturm wenigstens niemanden verloren hatte. Er schüttelte er sich erneut und damit auch den Gedanken ab. Es hatte auch Vorteile alleine unterwegs zu sein. Er streckte sich kurz und machte sich dann wieder auf den Weg, den er vor dem Sturm einschlagen wollte; Hinaus aus dem kargen Wald hinein in eine Wüste aus Eis und Schnee.
Im Norden konnte Delano eine steile Bergkette ausmachen, diese wollte er möglichst umlaufen, daher wandte er sich gen Westen. Gut ausgeruht und gesättigt von dem Kaninchen trabte er in guter Reisegeschwindigkeit voran, jedoch immer mit einem prüfenden Blick. Auf keinen Fall konnte er es sich leisten eine Eisspalte zu übersehen.
Nachdem er einige Sonnenbreiten gelaufen war, kam ihm plötzlich ein unverkennbarer Geruch in die Nase. Sofort blieb er prüfen stehen und sah sich um. Auf den ersten Blick war nichts außer weiß zu erkennen. Aber dieser Geruch war wie von gerissener Beute oder von einem verletzten Tier. Die Beute würde er nicht ablehnen, aber bei dieser Umgebung erwartete er keine Anwesenheit von Pflanzenfressern. Hieß, es gab zwei Möglichkeiten. Entweder es war ein verletzter Jäger, beispielsweise ein Bär, dann musste er furchtbar achtsam sein, mit bereits verletzten Bären war nicht zu Spaßen. Sie waren absolut unberechenbar. Die andere Option könnte ein verletzter Artgenosse sein, auch hier konnte das einen Kampf bedeuten, oder aber das jemand seine Hilfe brauchte. Vielleicht einer seiner verschollenen Brüder?
Allein dieser Gedanke ließ Delano vorsichtig aber bestimmt auf den Geruch zusteuern. Dennoch immer bereit darauf jederzeit in eine Gefahrensituation verwickelt zu werden. Trotz aller Logik konnte er in diesem Fall nicht anders.
Er musste noch eine ganze Strecke zurücklegen, den Geruch von Blut, den konnte man selbst unter diesen Bedingungen aus großer Entfernung wittern. Aber nun schien er näher zu kommen, da der Geruch stärker wurde. Er verlangsamte sein Tempo noch weiter und spähte mit den Augen. Und wirklich in all dem Weiß sah es so aus, als würde sich dort etwa 30 Wolfslängen vor ihm etwas im Schnee befinden.
Delano näherte sich nur langsam. Wer weiß, ob bei diesen Verhältnissen nicht Fleischfresser auf den Gedanken kommen würde Fallen zu stellen um andere Jäger zu erlegen. Die Situation war für alle aussichtslos. Aber er konnte keine weiteren Gestalten ausmachen. Als der Graue näher kam, sah er Fell unter dem Schnee hervorgucken, was eine sehr ähnliche Färbung zu seinem eigenen hatte. Sein Herz machte einen Satz. Konnte es Senkou oder Kourain sein? Er brauchte drei Atemzüge um sich und seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen und die Situation nochmal logisch zu analysieren. Es sah alles nach einer Falle aus, er roch zwar Wolf, aber welcher Wolf würde sich alleine verletzt in dieser Eiswüste aufhalten? Trotzdem musste er das Risiko einfach eingehen.
Weiter näherte der große Rüde sich seinem anscheinend verletzten Artgenossen. Ein letzter Blick um sich, und als immer noch nichts passierte, ging er zu dem anderen Wolf ran, der vom Fell immernoch einer seiner vermissten Brüder sein konnte. Bei dem ganzen Schnee, konnte man es einfach nicht erkennen. Erst als er sich Schnauze neben dem Wolf senkte, roch er sofort, dass es eine Fähe war. Sein Herz sank. Wann würde er seine Brüder wiedersehen?
Wieder brauchte er einen Moment um sich zu sammeln und in die aktuelle Situation zurückzukehren. Was machte eine verletzte Fähe völlig alleine in dieser Gegend? Sie hatte sich noch nicht bewegt und der Schneesturm war schon eine Weile vorbei, überall war sie noch von den weißen Flocken bedeckt. Wenn er das Blut nicht gewittert hätte, wäre er vermutlich nur wenige Wolfslängen entfernt an ihr vorbeigelaufen - so gut getarnt war sie unter dem Schnee.
Da sie bisher nicht aufgewacht war, ging er davon aus, dass sie sich nicht nur zum Ausruhen hier niedergelassen hatte. Wie schlimm waren ihre Verletzungen? Eigentlich hatte er keine Zeit sich um fremde Wölfe zu kümmern, aber der Ehrenkodex und die ungeschriebenen Wolfsgesetze verlangen von ihm sich um sie zu kümmern. Einen verletzten Artgenossen ließ man nicht schutzlos zurück, auch wenn er nicht zum eigenen Rudel gehörte.
Vorsichtig begann er den Schnee von ihrem Rücken zu schieben. Immer darauf gefasst, dass sie aufwachen und sich feindlich zeigen würde. Inzwischen konnte er zerkratzte Ohren sehen und als er zu den Vorderpfoten kam, sah er sofort woher der starke Blutgeruch kam. Was war hier vorgefallen? War sie in einen Kampf verwickelt worden?
Vom bloßen ansehen konnte er nicht einschätzen, ob die Fähe jemals wieder mit dieser Pfote laufen konnte. Aber wenn sie hier liegen blieb, wäre das sowieso das letzte ihrer Probleme. Sie mussten hier unbedingt weg. Die Gegend an sich war tödlich und der Geruch würde ihnen auch demnächst Probleme bereiten.
Er räusperte sich. Wie lange war es her, dass er gesprochen hatte, einen halben Mondzyklus war es sicherlich? Mehrfach stupste er der Fähe die Schnauze in die Flanke:
"Wach auf, fremde Fähe! Dieser Ort ist nicht mal zum Sterben geeignet."
Es war unheimlich wichtig, dass sie das Bewusstsein erlangte, damit er wissen konnte womit er arbeiten konnte. Delano hoffte, dass ihr Geist noch nicht so weit entflohen war, dass er sich nicht wecken konnte. Die Chancen, dass er sie alleine aus dieser Wüste bringen konnte waren nicht null, aber doch verschwindend gering und es würde ihn all seine Reserven kosten.
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Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr |
Delano warf noch einen letzten Blick zurück, nachdem er das Revier der Wolves of Hell verlassen hatte. Es fiel im schwer auch seinen letzten kleinen Bruder zurückzulassen. Aber es war besser für alle so. Aland war ein Familienwolf, er würde sich gut um Reba und die kleine Moon kümmern, er selbst wäre da nur im Weg und immerhin war der Kleine hier in Sicherheit und Delano wusste, wo er ihn wieder finden würde. Er hoffte nur Aland würde es ihm verzeihen.
Nach dieser kleinen emotionalen Schwäche blieb Delano einen Moment stehen, schloss die Augen und sammelte sich. Solche Gefühlsduseleien konnte er sich hier in der Eiseskälte nicht mehr leisten. Schon kurz hinter der Reviergrenze war der eisige Wind wieder aufgefrischt und der Boden war steinhart gefroren. Sobald er den Gedanken an Aland verdrängt und in seinem Herzen verschlossen hatte, öffnete er die Augen wieder und trabte ohne einen weiteren Blick voran.
Er zog eine ganze Weile nach Norden und hielt seine Nase immer wieder in den kalten Wind in der Hoffnung eine Witterung von markierten Reviergrenzen oder noch besser seinen verschollenen Brüdern aufzunehmen, aber gefühlt dämpfte der Schnee nicht nur die Geräusche, auch die Gerüche waren irgendwie dumpf.
So wanderte er mehrere Wochen umher und lebte währenddessen von kleiner Beute, die auch immer rarer wurde.
Auch jetzt war er gerade wieder einem kleinen Kaninchen auf den Fersen. Die gedämpften Geräusche und Gerüche waren jetzt von Vorteil für den Grauen, trotzdem näherte er sich gegen den Wind, so dass das Kaninchen keine Chance haben sollte ihn zu wittern. Er ging langsam vor, behutsam, er hatte keine Eile. Aber ein Erfolg wäre wichtig; In diesem künstlichen Winter durfte man keine Beute als gegeben hinnehmen. Erst als er es auf weniger Meter heran geschafft hatte, setzte der Graue zu einem kurzen Sprint an und schlug dem hilflosen Tier seine Zähne in den Nacken, bevor es so richtig wusste, was geschehen war. Noch eine Weile drückte Delano dem Kaninchen die Luft ab, bis er merkte, wie es komplett erschlaffte. Heute hatte er Glück gehabt, wer weiß wann das wieder der Fall sein würde.
Der Rüde legte das tote Kaninchen ab und dankte ihm für sein Opfer, wie er es gelernt hatte. Danach musste er sich kurz von dem Sprint erholen. Er merkte, wie die raue Umwelt auch an seinen nicht unerheblichen Reserven knabberte. Umso wichtiger war es regelmäßig frische und warme Beute zu haben. Mit jedem Bissen merkte er, wie mehr Lebensenergie zurück in seinen Körper strömte und das warme Blut des Kaninchens ihm Kraft und Wärme gab.
Erst als er alles Verwertbare verschlungen hatte, vergrub er den Rest unter einem Schneeberg um keine Feinde anzulocken, und setzte dann seinen Weg fort. Er wandte sich in Richtung Nordwesten, wo die Bäume lichter wurden. Ihm war nicht wohl dabei den Schutz der kahlen Bäume zu verlassen, aber irgendwas sagte ihm, das diese Richtung die richtige war, außerdem hatte er hier noch nicht gesucht.
(Delano alleine am Rand der Polarwüste)
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Thema: Delano |
13.04.2025 20:32 |
Forum: Rüden |
Au fein
Lieben Dank! Ich freue mich sehr, da Delano ein großer Teil meiner Vergangenheit war. Daher an euch riesen Dank, dass ich ihn so wieder aufleben lassen kann.
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Thema: Delano |
13.04.2025 20:18 |
Forum: Rüden |
Lieben Dank für die Korrekturen  Ich habe
Ich muss gleich sagen, ich liebe meine Kommata, da bin ich gerne mal etwas wild dabei. Ich hoffe, dass ihr damit klar kommt
Zu den Heilkräutern ist das ein eher unwichtiger Part und da geht es auch hauptsächlich um Kampfverletzungen, bzgl. Krankheiten etc. ist er eher blank. Wäre jetzt kein Detail, was mir super wichtig wäre.
Wegen Farben schau ich gleich nochmal. Ich mag das dunkle blau, habe aber das Gefühl, dass das auf schwarz wirklich unangenehm zu lesen ist. Von eurer vergebenen Farbenliste aus der Vergangenheit; Sind die wirklich alle geschützt, oder waren einzelne davon so unbedeutend, dass man die Farben wieder freigeben könnte?
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