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Thema: Traumreise in eine fremde Welt
11.09.2024 13:42 Forum: Nebenrollenspiele



Malice Mizer ~ Vampire hunter


Stapf. Stapf. Stapf. In ihrer materialistischen Werdung hatte sie es gelernt, Schritte zu tun wie ein normales Lebewesen, mit Pfoten, die den Boden berührten und seine Oberfläche ein Stück veränderten, Schritt für Schritt. Manchmal knirschte es, bröselte, knarzte ein wenig, wenn sich der uralte Staub unter dem Gewicht ihrer Pfotenballen zusammenschob. Kleine funkelnde Kristalle zierten die Oberfläche und brillierten dort, wo das Licht entfernter Himmelskörper auftraf ... Planeten, einer entfernten Sonne oder den unzähligen weißen Trabanten dieser Welt, die sie in unterschiedlichen Formen und Größen umkreisten. Es war die Welt der Stille, die es einem erlaubte, seine Gedanken ohne jeden Druck zu sortieren und aufzureihen. Doch was tat er? Er übte sich in Selbstzweifeln und verriet das bereits durch seine gebückte, zusammengekauerte Haltung, selbst dann, wenn er lief. Der junge Wolf schlich der schwarzen Gestalt hinterher wie ein unartiger Welpe, der nun auf seine Bestrafung wartete. Sie musste sich die Frage nicht stellen, was man ihm angetan hatte, dass er in jungen Jahren schon derart eingeschüchtert und ängstlich war – sie wusste es.
Im völligen Kontrast dazu schritt sie voran, als war sie die Königin des wüsten Planeten, einzig Lebende und Herrschende über all das Tote, das sie umgab und Gastgeberin eines fremdartigen Wesens, das sich nicht wohl fühlte ... am wenigsten in und mit sich selbst. Hätten Gedanken Geräusche verursacht, etwa gleich dem Grummeln eines unzufriedenen weil leeren Magens, er hätte die ganze Zeit gebrummt, gerattert und gepoltert. Immer wieder passte die dunkle schlanke Gestalt ihr Tempo an, denn dem jungen Rüden wohnte nicht viel Kraft inne, mit ihr Schritt zu halten, ebenso wenig fehlte es ihm an Motivation dafür. Seine Einstellung war falsch und doch musste sie mit Respekt behandelt werden. Das Letzte, was er brauchte war noch mehr Schimpf und Schande. Doch half es ihm, ihn mit Samtpfoten anzufassen und vor jeder Gefahr zu schützen? Diese Frage ließ sich klar mit einem Nein beantworten ... doch eins nach dem anderen.

Ohne die Distanz zu verringern, nahm sie seine Äußerungen auf. Ihre Miene spiegelte dabei die selbe Entschlossenheit wider, die sie seit Beginn an ausstrahlte. Fast las sich ein überlegenes Lächeln von ihren Lefzen ab, doch das war Interpretationssache. Ihr Gang war aufrecht und stolz wie der einer echten Pharaonin und damit das Gegenteil von dem seinen. Wie konnte sie ihre Kräfte an ihn weitergeben, ohne, dass er zu sehr verwöhnt wurde?

« Angst ist ein schlechter Gefährte », verkündete sie und schlich um die nächste Steinsäule herum, von denen hier zahlreiche in der Gegend herumstanden. Sie sahen aus wie Deckenstützen, deren Decke verloren gegangen war und ragten in einen eiskalten, sternenklaren Nachthimmel. Manchmal rieselte etwas Staub von ihnen herab, der wie feiner Glitzer zu Boden sank und die ewige Leblosigkeit mit einer Prise Vitalität streifte.
« Sie ist die Saat dessen, was Wölfe wie Niray in dir gepflanzt haben. »
Für den Moment herrschte Stille. Sie war hinter einer der Säulen verschwunden und nur ein schmaler Schatten tanzte über die zwei dahinterstehenden Steingebilde, eh auch dieser hinfort war. Er hatte nun einen Moment für sich und sollte nachdenken. Seine Überraschung war förmlich greifbar, was nicht überraschend kam.
Als ihre Gestalt nach einer längeren Pause hinter den Steinsäulen rechts statt links wieder auftauchte, um ihm ein aufmunterndes Lächeln zuzuwerfen, war das Zauberstück perfekt. Womöglich mochte man annehmen, die Welt, durch die sie sich bewegten, war eine Schleife, die einen unweigerlich zurück an seinen Ausgangspunkt brachte. Aber das war nicht von Belang.
« Anders zu sein ist kein Makel, junger Wolf. » In diesem Moment schlich die schwarze Gestalt, die bis eben mehr wie Rauch erschienen war, unerwartet materiell auf ihn zu. Eine schwarze schlanke Wölfin, nicht größer als er und mit schimmernden olivgrünen Augen.
« Was dir fehlt, ist Selbstvertrauen, Kraft, Mut ... doch das hat nichts mit Kälte zu tun. Du stehst noch ganz am Anfang deines Lebens uns wirst lernen, nicht jeden Stich in dein kleines Herz zu lassen. Fürchte dich nicht vor dem Anders-Sein. » Sie hielt in unmittelbarer Distanz vor ihm an und setzte sich, um ihn aufmerksam und mit friedvoller Miene anzusehen. Ein kleines Lächeln sollte ihre belehrende Äußerungen entschärfen. Hier hatte er alle Ruhe und Zeit, um darüber nachzudenken, was er sein wollte. Doch zuerst musste er sich selbst darüber im Klaren werden, sonst verirrte er sich im Netz der unzähligen Möglichkeiten.
Thema: Traumreise in eine fremde Welt
18.08.2024 19:11 Forum: Nebenrollenspiele



Das Verhalten des jungen Wolfs musste einen jeden Betrachter zu größtem Erstaunen anregen. Dabei war es keinesfalls überraschend, denn obwohl der Kerl noch sehr jung war, hatte er eine Entwicklung durchgemacht, die andere nie vollzogen. Ein schwarzes Ohr der Gestalt zuckte, wie er sich so auf dem Boden kauerte und seiner Unsicherheit hingab. Es war nicht schwer, herauszulesen, was er durchmachte. Er focht mit seinen tiefsten Urängsten, mit seiner Abscheu und seinem Ekel. Es war dem Jungspund nicht zu verdenken, dass er Angst hatte. Und es würde keine leichte Aufgabe werden, ihn eines Besseren zu belehren.

« Im übertragenen Sinne », gab sie zu hören und ein kurzes Lächeln blitzte auf ihren Lefzen auf. Es war vermutlich nur mit viel Fantasie zu erkennen, da das Licht ungünstig viel und sie größtenteils in Schatten gehüllt war.

Ihn weiter zu beeinflussen, zu schubsen wie eine unbedachte Kugel, würde die Aufgabe der nächsten Zeit sein. Alles, was diese Konversation zum Ziel hatte war, ihn zu wappnen, zu stärken und bereit für seine ersten Lebensjahre zu machen, damit er sich nicht unterkriegen ließ.

« Hast du dich denn nie gefragt, was der Sinn hinter all dem ist? Warum die Dinge so sind, wie sie zu sein scheinen? Wieso du so bist, wie du bist? »

Ein Blitzen huschte über ihre Augen. Der restliche Körper saß nach wie vor wie erstarrt an seiner Stelle und bewegte sich nicht. Obwohl der Ort wie eine Wüste wirkte, fehlte es doch an Dingen, die man von daheim kannte ... Wind, Gräser oder das Lautgeben irgendwelcher Insekten, etwa der Grillen. Alles, was sie zur Zeit hatten, war sich gegenseitig, doch das war vollkommen ausreichend.

« Komm », befahl sie sanft. « Begleite mich. Ich möchte dir was zeigen. »

Ohne auf eine Reaktion zu warten, setzte sich die Gestalt in Bewegung und das erschreckend normal, nicht wie ein Geist, sondern wie eine zierliche junge Wölfin im seichten Gang. Die Pfoten, die sie über die Kruste aus Stein und Eis setzte, hinterließ keine Spuren. Aufgrund des Mangels an Luft gab es keine Gerüche und die Geräusche vermutlich nichts als das, was sich das Bewusstsein einbildete, weil es stets das projizierte, was es erwartete.

Thema: Traumreise in eine fremde Welt
07.08.2024 20:07 Forum: Nebenrollenspiele



Der junge Bursche hatte die Flucht fürs Erste aufgegeben und war zum Stillstand gekommen – nicht ganz freiwillig, augenscheinlich war er viel mehr verzweifelt. An seiner Angst hatte sich nichts geändert, erst nach und nach schien er sich etwas zu beruhigen und die Fassung wieder zu erlangen. Es erfüllte sie mit Zufriedenheit, ihn auf dem richtigen Weg zu wissen. Dennoch verließ sie ihre Stelle nicht, sondern manifestierte ihre Pose wie zu einer Säule erstarrt, womit sie gut in diese Gegend aus Stein und Fels passte.
Der Rüde hielt den Blick auf sie, als hatte er etwas zu bieten, als meinte er, seine Augen wäre etwas Durchdringendes gewesen, etwas Andauerndes, Furchteinflößendes. Wenn sie jedoch meinte, dass Furcht nicht angebracht war, dann bezog sie das selbstredend auch auf sich selbst. Angst war stets ein schlechter Ratgeber und hier noch dazu vollkommen Unnütz. Es wäre, als wäre der Wolf mit Flossen hier hergekommen, dabei waren die einzigen Seen und Meere an diesem Ort seit Anbeginn aller Zeit zu festem Eis erstarrt.
Letztlich ließ sich der Wolf sogar dazu hinreißen, sein Innerstes in Laute zu packen. Obgleich seine Gefühlswelt keine Überraschung war, brachte er zum Ausdruck, was ihn beschäftigte, was ihn umtrieb und zu seinem gezeigten Verhalten veranlasste. So weit so gut. Seine Fragen sollten nicht unerhört bleiben, doch ahnte sie, dass ihm die Antworten darauf nicht genügen würden.

« Ich ... bin dein Schicksal, dein Schatten, dein Gewissen und der Weg, dem du durch das Leben folgst. » erstmalig legte sich ein kleines Lächeln auf ihre dunklen Lefzen. Ihr blauer Blick wirkte erstmalig ein wenig freundlicher; mit viel Fantasie ließ sich etwas Mütterliches hineininterpretieren, doch das war Auslegungssache. « Deshalb ... brauchst du keine Angst haben. »

Seine nächste Frage war naheliegend aber doch noch schwerer zufriedenstellend zu beantworten als die erste. Dieser Ort war schwer zu beschreiben, denn jeder sah etwas Anderes in ihm. Für die Einen – und dazu gehörte er sicher – war dies eine staubige Wüste aus Stein und Geröll, umhüllt von Schatten und Zwielicht, getaucht in Kälte und Tristesse. Für andere war dies ein Paradies, ein Ort der Unberührtheit, der unendlichen Freiheit, frei von allem, was ihn zu verändern drohte; durch In-Besitz-Nahme, durch Umwandlung oder durch Abtragen. Wesen wie er fanden nichts an diesem Ort, hegten keine Ambitionen, sich seines einzuverleiben, ihn zu beanspruchen, auf welche Weise auch immer – genau das machte ihn zu einem Ort der Glückseligkeit für alle, die von Ruhe zehrten.

« Dieser Ort ist das Fundament unserer Zeit. Jeder Raum, der aus begreifbaren Dingen besteht, hat einmal so begonnen. Er ist die Wiege aller Kreaturen ... also auch die deine. » Sie ließ den Kopf einmal herumfahren und schwenkte denn blauen Blick über die Wüste aus Stein, Eis und Staub. Alles lag so friedlich eingebettet in seiner Umgebung und schien seit unzähligen Tagen und Jahren unberührt. Dieser Ort war etwas, auf dem man aufbauen konnte, etwas, woran man festhalten konnte. Nichts bot mehr Kontinuität und Zuverlässigkeit als diese Wüste der Ruhe. « Es ist ein Ort der heiligen Stille. Nichts wird uns hier stören bei unserer Suche. »

Erneut huschte der Anflug eines Lächelns über einen Teil ihrer Lefzen. Erstmals zuckte sogar die Schwanzspitze, die sie samt dem Rest der Rute so fein säuberlich an ihren Leib gelegt hatte. Die spitzen großen Ohren fuhren minimal auseinander, wie zwei Scheren, nur um wenig später wieder in ihre alten Positionen zurückzuschnellen.
Dieser Ort, den sie einen Hort der Ruhe lobte, schien sie daran erinnern zu wollen, dass er auch anders konnte, als in der unendlichen Weite der Landschaft Kiesel von einem Felsenturm bröckelten und auf den Boden kullerten. Staub rieselte hinterher, der sich bis eben seit so langer Zeit an einer Stelle gesammelt haben musste. Ja, diese Gegend konnte auch anders, aber das war kein Grund zur Beunruhigung, denn sie ließ nicht zu, dass er zum Spielball höherer Mächte wurde ... als sie selbst.

Thema: Traumreise in eine fremde Welt
04.08.2024 13:27 Forum: Nebenrollenspiele



Die Reaktion des Jungen fiel wenig überraschend aus. Aber sein Versuch, in einer Ödnis wie dieser davonzurennen, hatte trotzdem etwas, das von enormer Hilflosigkeit herrührte. Dabei war es so sinnlos, zu versuchen zu flüchten. Der junge Wolf versuchte seinen eigenen Schatten abzuhängen, was zum Scheitern verurteilt war.
Aus Rauch war Nichts geworden, das keinen optischen Unterschied zum Rest der Gegend mehr machte. Und nichts, das war so ziemlich überall. Ein luftleerer Raum, erfüllt von diffusem Licht und seltsam wabernden Ringen und Kreisen, die von anderen Gasen als dem Sauerstoff herrühren mochten ... oder nur der eigenen Vorstellungskraft entsprangen. Dieser Ort war wie ein Ort in der Ekstase, ein Traumland, das nur eistierte, solange der Träumende war. Der Raum konnte sich krümmen und der Arme lief im Kreis. Dass Vorhaben, den ersten Eindrücken zu entkommen, war falsch und ohne jeden Erfolg. Die Gestalt des weiblichen Wolfs, schlank und rank und so tiefschwarz wie das Nichts, wartete sogar bereits auf ihm. Umrahmt von zwei großen Steinsäulen, die eine Art Portal bildeten und dort schon seit Anbeginn der Zeit zu stehen schienen, dort saß sie, fast wie eine Katze abends auf einer kaputten, rissigen Mauer im Mondlicht. Den Schwanz eng angelegt, die Ohren aufrecht und ... den blauen Blick starr auf ihn gerichtet. Komm nur ... lauf zu mir .. komm nur, ich helfe dir.
Ironischerweise verlief der Schatten dieses Wesens, lang und schmal, fast bis zu seinem vorderen Pfotenpaar. Die beiden spitzen Ohren, die das weiße Licht anderer Himmelskörper, die sie benachbarten, ausgrenzten und einen Raum aus Dunkel erschufen, mahnten ihn spitz, nicht zu versuchen, irgendwie zu entkommen.

« Fürchte dich nicht », erklang es melodisch aus ihrem schwarzen Maul, wobei man auch dieses Mal nicht sicher sein mochte, ob es wirklich ihr entsprang oder ein Gesang war, der von irgendeinem Wind getragen durch den Raum hallte. Am Ende entsprang er nur seinem verwirrten, verängstigten Geist, der so etwas erwartete, erhoffte, einfach, um sich nicht fürchten zu müssen.
Nachdem eine erdrückende Stille ihrerseits eingekehrt war, summte es aus der Richtung des schattenreichen Gesichts erneut.
« Dir geschieht nichts ... kann nicht geschehen ... »

Hoffentlich war das Katz'-und-Maus-Spiel damit beendet, denn er verschwendete seine Zeit. Hatte er je zuvor versucht, Licht und Schatten abzuschütteln? Nicht weniger sinnlos war das Unternehmen, sie loswerden zu wollen. Er musste den ersten Schrecken überwinden, um bereit für seine erste Lektion zu sein. Vorher war alles andere sinnlos.

Thema: Traumreise in eine fremde Welt
28.07.2024 14:15 Forum: Nebenrollenspiele


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Sein Auftreten war bilderbuchartig und passte an diesen Ort wie der Jahrtausende alte Staub, der die Steine bedeckte. Er verhielt sich im Grunde so, wie man es erwarten durfte von einem, der gerade erst geschlüpft war. Doch konnte man es ihm nicht zum Vorwurf machen, schließlich war ein Jeder mit Situationen wie diesen überfordert. Trotzdem war kein Wolf exakt so wie der andere; die Mischung wich jedes Mal ein Stück ab und stellte so etwas dar wie die individuelle Würze. Allein seine Körperhaltung, seine Gestik sprach eine eindeutige Sprache.
Ihr Brustkorb ging unmerklich auf und ab, dabei war dies nur ein Reflex, denn wirklich atmen tat man hier nicht. Es wäre auch nicht möglich gewesen. Das Schimmern in ihren blauen Augen, die zweier Edelsteine glichen, war dagegen echt und womöglich das Einzige hier, das auf einen Besucher, wie er es war, interessant und abwechslungsreich wirken mochte. Ansonsten wirkte sie wie gemalt - das vordere Pfotenpaar schnurgerade parallel, das Haupt aufrecht, die Schnauze lang und schmal auf den armen Wicht weisend, der ihm dort geschickt worden war. Doch genug der metapherartigen Umschreibungen. Der Junge musste unterwiesen werden in die Bedeutung seines Besuchs, in die Bedeutung seines eigenen Seins und den weiteren Verlauf der Dinge.

« Schhht », drang es von ihr herunter, ohne, dass sie ihre Lefzen dafür entscheidend öffnete. « Ruhiiiiig », schien ein Wind zu säuseln, sodass man sich fragen durfte, ob es wirklich von ihr kam oder nur einem Windspiel entsprach, das es hier jedoch in der Form nicht gab.

Sein Herz musste rasen, wie das eines Vogels. Ihn weiter zu verängstigen, zu intimidieren, hätte bedeutet, sein Überleben aufs Spiel zu setzen. Ein junges Wolfsherz hatte Grenzen, es ertrug nicht jede Form der Einschüchterung, dessen musste man sich bewusst sein.
Der Rauch, der die dunkle Gestalt umgab, verschmolz mit der Figur, die ihr Körper scheinbar abbildete und formte daraus einen hoch aufgerichteten Kegel. Diese Spirale aus aufsteigendem Rauch fand ihren Gipfel in vollendeter Verfinsterung, eh sie verschwunden war. Zurück blieb die öde, trostlose Landschaft nun auch da, wo bis eben noch so etwas wie ein weiblicher Wolf gestanden hatte.
Thema: Traumreise in eine fremde Welt
27.07.2024 20:04 Forum: Nebenrollenspiele


Quelle


Schon wieder einer. Das wurde offenbar zur Gewohnheit. Kleine hilflose Geschöpfe, die sich selbst verloren hatten, die durch ihre kleine leichte Seele gefallen waren wie das Obst durch ein Blätterdach. Selten aber stand die Ratlosigkeit so sehr über ihren Häuptern wie bei diesem Exemplar. Man konnte sagen, ein Rüde, ein junges Ding, hilflos wie Eh und Jäh, gerade einmal von den Zitzen seiner Mutter weg. Das Fundament solcher Wölfe war weicher als Treibsand; darauf etwas zu errichten, ein Ding der Unmöglichkeit. Spitze Zungen mochten behaupten, die triste Ödnis allein würde ihn schon formen, würde ihm eine verpassen, noch eine und noch eine, bis seine piepsige Stimme verstummte und er eins mit der ewigen Stille wurde, die ihn umgab wie eine letzte Ruhestätte. Jetzt gerade störte er diese Stille. Nicht nur durch sein erbärmliches Heulen, viel mehr noch durch seine unkoordinierten Bewegungen. Neugierig und unbedarft strauchelte er durch die eisige Landschaft, nur um sich zu vergewissern, dass hinter Steinen, Eis und Kälte noch mehr Steine, Eis und Kälte war ... und noch mehr und noch mehr davon. Wie weit mussten ihn seine Läufe tragen, bis es auch in seinem Kopf angekommen war, dass es hier nichts gab, nichts geben durfte, wenn er überhaupt eine Chance haben wollte. Aber das stimmte nicht. Es gab hier etwas. Es gab ihn. Und damit auch sie. Allein seiner Kraft, seiner Lebensenergie, dem Willen zum Leben oblag es, ob ihn nach dem Sturz in diese unwirkliche Welt etwas auffing oder ob er durch die Unendlichkeit glitt bis in alle Zeit. Er war noch so jung. zu schade, um ihn fallen zu lassen, zu unerfahren, um aufzugeben. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden.

Schweigend beobachtete die rauchige dunkle Gestalt, von der man nicht zu sagen wusste, ob sie echt war oder nicht, von einem erhöhten Punkt aus, wie ungeschickt er sich anstellte. Es hatte schon ganz andere gegeben. Großkotze, die so taten, als gehörte ihnen all das hier ... was nicht mal falsch war, aber auch nichts, worauf man stolz sein konnte. Er hier tat gut daran, keine all zu hohen Ansprüche zu stellen. Auch wenn Wölfe von Geburt an gehen konnten, er hier musste es doch erst lernen, auf eine andere Weise.
Ihre Schnauze stach in die dunkle Sphäre wie ein Pfeil, der ihn fortschicken wollte. Aber fort, das ging hier nicht. Er kam nicht weit, weil sich – auch wenn es bei genauerem Betrachten nicht so wirkte – am Ende doch alles widerholte. Ihre blauen Augen folgten jeder seiner Bewegungen wie ein Schatten. Es gab keinen Punkt, hinter dem er sich vor diesem blauen Blick verbergen konnte. Gab es nicht. Dies war ihr Reich, sein Reich, aber keines, das man für sich pachten mochte.
Auch wenn der Jungspund es nicht glauben mochte, aber sein kleines Missgeschick würde seinem Leib nicht zusetzen. Irdische physiologische Empfindungen waren hier ausgesetzt; hier galten andere Spielregeln und das machte den wohl einzigen Reiz dieser Welt aus. Die Sterne, die Himmelskörper über ihren Köpfen waren schweigsame Kulissen dieses traurigen Schauspiels – sie war es nicht.
Nachdem er endlich zum Stehen gekommen war, verstummte er fürs Erste. Ein guter Zeitpunkt, um ihm zu verdeutlichen, dass die Landschaft nicht so leblos war, wie sie auf den ersten Blick wirkte. Einige Steinchen prasselten von ihrem Vorsprung herab, kullerten verdächtig in seine Nähe. Wenn er dies nicht bemerkt hatte, war er es nicht wert, aufgefangen zu werden. Dabei war das ihre einzige Aufgabe ... eine, die wie ein Fluch auf ihr lastete und sie letztlich unglücklicher machte, als jeden, der es bis hier her geschafft hatte.
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
10.06.2024 23:14 Forum: Das Tal



Unweigerlich folgte sein morscher Leib den Kräften der Gravitation, so wie es das andere Tier tat, das er als seine Beute auserkoren hatte. Es brauchte nicht lange und sie machten Bekanntschaft mit dem nahgelegenen Fluss, der aufgrund seiner stetigen Bewegung nicht zugefroren war. Er konnte sich nicht dagegen erwehren, wurde einfach in das kalte Nass befördert, begleitet vom Spritzen der Wassertropfen, die weit bis auf das Ufer reichten. Ein Schockmoment ergriff den Erkrankten und er riss noch ein letztes Mal seine milchig gewordenen Augen auf. Das Letzte, was man sah, war sein gebrochener Lauf, der als nutzloses Anhängsel hinterhergewirbelt war und noch einen Moment auf dem Wasser trieb, eh auch dieser durch das Gewicht des restlichen Körpers mit nach unten gezogen wurde.
Bedrückende Stille.
Dumpfe Geräusche.
Blubbern,
Es war das erste Mal seit längerer Zeit, dass der unglückliche Rüde wieder so etwas wie vitale Erscheinungen an seinem Körper feststellte, denn es verlangte überraschend nach Sauerstoff in ihm. Bald schon wurde ihm klar, dass er sterben würde, wenn er den Weg zurück an die Oberfläche nicht fand. Also begann er, von einem nicht mehr vorhanden geglaubten Überlebensinstinkt gepackt, wie wild zu strampeln und zu rudern. Das brachte mehr, als man glauben mochte und der einstige Schattenwolf erreichte die Luft oberhalb des rauschenden Flusswassers. Hier war alles sehr laut, doch dafür versprach man ihm noch einen Moment des Lebens. Das Dunkel in seinem kaputten Hirn lichtete sich etwas und formte seltsame Figuren und so etwas wie Farben, wenn auch schwach ausgeprägt. Erstmals seit einiger Zeit kam ihm wieder so etwas wie Erinnerung und ihm wurde bewusst, was er angerichtet hatte mit seiner Gier nach einem vermeintlichen Gegenmittel. Doch was war geschehen? Wie konnte er nach diesen irreparablen Schäden in seinem Leib, an seinem Hirn, wieder so etwas wie einen Gedanken fassen? Es schien, als töteten die unzähligen Stiche, die von der Eiseskälte ausgingen, etwas in ihm ab, als löschte das Eiswasser ein Feuer, das in seinem Innern gelodert und gewütet hatte. Es wäre übertrieben zu behaupten, er wäre wieder der Alte gewesen ... sein Körper war noch immer morsch und im Grunde zu nichts mehr zu gebrauchen. Aber ein Fünkchen Überlebenswillen war zurückgekehrt und er japste voller Panik - etwas, das ihm bis eben abhanden gekommen schien.

„Hef- Hiffe ... Hiff- iff ... hiffe ...“

zwar konnte er kaum etwas sehen, denn seine Augen waren längst zu fauligen und matschigen Früchten verkommen, die kein klares Bild mehr übermittelten, aber in mittlerer Distanz konnte er die beiden Gestalten ausmachen, die auch jetzt noch mehr Wolf waren als er. Was hatte er getan? Was hatte er sich und anderen angetan?
Die anfänglich lindernde Kühle, die seinen Brand löschte, kehrte sich bald in ein unbarmherziges Frieren um. Er wusste, wenn er keinen Halt bekam und nicht zurück ans Ufer gelangte, war es aus mit ihm. Doch warum sollte er noch versuchen, sich zu retten? Abgesehen davon, dass er zwei unschuldige Artgenossen ins Verderben gerissen hatte, war sein Körper durch die Krankheit so weit entstellt und verkrüppelt, dass er in der Wildnis unmöglich überleben konnte. Und auf Hilfe ... brauchte er am wenigsten hoffen. Mit der Enttäuschung eines kleinen Jungwolfs sah er, wie die unklaren Gestalten in der Ferne immer kleiner wurden, wie die Finsternis vor seinen Rest-Augen die Oberhand gewann und die Kälte, der Schmerz, der von ih ausging, wie ein neuerliches Ungeheuer in ihm hochkroch, jede Ader besetzte und zum Sprengen brachte. Es war aus. Die Erstarrung im eiskalten Nass war die einzige Rettung, die ihm noch zuteil wurde. Nun mehr von vollkommener Leblosigkeit erfasst, trieb sein nutzloser Leib – geheilt und unbrauchbar zugleich – ab, auf eine Reise in eine bessere Welt, in eine bessere Zeit, in der ihm mehr Glück beschieden war ...

[Enaid, Eden | Kältesturm-Halbinsel, beim Fluss]
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
12.05.2024 16:26 Forum: Das Tal



Es wäre ihm für gewöhnlich nicht schwer gefallen, sich wieder aus der Lage zu befreien und aufzustehen, wenn da nicht sein Widersacher gewesen wäre. Im Zweifelsfall nahm er auch mit ihm Vorliebe, auch wenn er nicht gar so jung und knackig war, wie das weibliche Geschöpf ... apropos, wo war das eigentlich? Sein Kopf fuhr wild herum wie der eines echten Ungeheuers, eines kriechenden Ungeheuers, das auf primitivste Weise nach Nahrung suchte. Als er meinte, sie irgendwo hinter einer Schneewehe ausgemacht zu haben, merkte er auf ein Mal ein Ziehen an seinem Hinterlauf. Es war nicht so, dass es wehtat, aber etwas geschah mit seinem Leib und er verstand zunächst nicht, was es war. Es war der helle Rüde, der sich an ihm vergriff und an seiner Extremität zog wie ein Verrückter. Ob er ebenfalls Hunger hatte? Aber er war nicht krank, bei ihm hatte das nichts mit dem Verlangen nach Gesundung zu tun. Sein stinkendes Maul mit dem grün-graulichen, klebrigen Speichel, schnappte mechanisch und immer wiederkehrend nach dem anderen Wolf. Er erreichte ihn nicht, dafür ertönte mit einem Mal ein Knack-Geräusch, das auch ohne viel Fantasie einem brechenden Knochen zugeordnet werden konnte. Da er aber - wie erwähnt - keine Schmerzen mehr kannte, wollte er sich davon nicht weiter beeinflussen lassen und wirbelte so kräftig herum, dass es nur eine Frage von wenigen Augenblicken war, bis er seinen Gegner zu fassen bekam. Dieser aber hatte plötzlich Abstand genommen, als wusste er um den Frevel seiner Tat und rannte hinfort. Feigling, elender! Dieses Mal schonte sich der Erkrankte weniger und mobilisierte alle verbliebenen Muskeln, um aufzuspringen und die Verfolgung fortzusetzen. Erst jetzt, da er die Verfolgung aufnahm, fiel ihm auf, dass er etwas Fremdes mit sich schleifte ... etwas Fremdes? Was hing da an ihm, was nahm Besitz von ihm, das er nicht loszuwerden vermochte? Er irrte. Es war nichts Fremdes, höchstens war es ihm fremd geworden. Sein rechter Hinterlauf hing gebrochen aber durch das Fleisch noch immer mit ihm verbunden am Rest seines Körpers und schleifte schlängelartig über die vereiste Oberfläche wie ein lebloses Objekt. Nur kurz nahm er Notiz davon, denn eigener Schaden war ihm gleichgültig geworden. Der gebrochene Knochen würde ihn vielleicht etwas an Geschwindigkeit einbüßen lassen, aber an seinem Vorhaben, das junge Ding einzuverleiben, änderte das nichts! Nur schwach erkannte er die Umrisse seines Gegenspielers, der sich hinter die Schneewehe geflüchtet hatte. Er konnte es nicht genau bestimmen, womöglich war es etwas, das von seinem früheren Wolf-Sein übrig geblieben war ... aber er musste diesem Rüden nachstellen, um ihm zurückzugeben, was er ihm angetan hatte. Ja, seine Knochen waren morsch geworden, sein Fleisch begann sich zu kräuseln und Falten zu schlagen wie das eines uralten Gerippes. Aber sein Gebiss, wenn auch mit Speichelfäden überzogen, war noch immer scharf und sein Kiefer kräftig. Ein Biss genügte, um Teile seines Körpers vom Rest zu trennen. Alles an ihm schlackerte mit, als er die Anhöhe hinaufhastete, stets begleitet vom Schleifen des gebrochenen Laufs. Er humpelte stark, aber der fehlende Schmerz sorgte dafür, dass er sich um nichts mehr sorgen musste. Der Schattenwolf erkannte die Gestalt des Wolfs, dem er das zu verdanken hatte. Beinahe formte sich so etwas wie ein gehässiges Grinsen auf seinen verfaulten Lefzen, doch es war mehr ein Reflex, denn echte Emotionen kannte er nicht mehr. Hätte er sonst ein junges und hilfloses Ding wie die kleine Fähe in solche Todesangst versetzen können? Kleine ... Fähe! Das war das Stichwort!! Sein trüb-matschiger Blick schnellte nach rechts, nachdem ihm der Rest seines Riechorgans gemeldet hatte, dass sie in diese Richtung geflohen war. Geistesgegenwärtig ließ er vom Rüden ab und schlug wieder die Richtung seines eigentlichen Ziels ein. Hastig und ohne zu zögern sprang er auf die kümmerliche Gestalt zu wie eine tosende Welle, die das unvorsichtige Landsäugetier auf dem Wasser zu verschlingen drohte. Dieses Mal würde er ihn nicht aufhalten ... viel zu stark war sein Vorhaben, die Kleine zu bekommen und aufzunehmen wie eine Medizin, die ihm die vollständige Heilung von dieser Krankheit versprach. Mit einem unwirklichen, todesartigen Röcheln, das so laut erklang wie das Röhren eines Hirschs, sprang er auf sie zu. Doch als er wieder aufkam, mit dem Anhängsel, das einst sein vierter Lauf gewesen war, gab der Schnee unter ihm nach und formte eine kleine Lawine. Sie war nicht groß genug, um sie beide zu verschlingen, doch riss sie den Wolf und den halben mit sich, von wo ihre kurze Reise begann, hin zum Fluss, dessen Strömung zum Sterben einlud ...

[Enaid, Eden | Kältesturm-Halbinsel, beim Fluss]
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
10.03.2024 19:47 Forum: Das Tal



Wie ein tollwütiger Gierschlund hielt er auf das junge Frischfleisch zu. Viel passierte nicht mehr in seinem Kopf, eher herrschte dort ein lähmender Stillstand vor, eine beängstigende Stille. Doch die Ahnung vom Geschmack ihres Saftes war ungefähr vergleichbar mit dem Verlangen eines Beinahe-Verdursteten nach einem Schluck frischen Quellwassers zur Rehabilitation der eigenen Gesundheit. Ohne noch etwas um sich herum wahrzunehmen – nicht die Luft um sich herum, das matte Tageslicht oder den Boden zu seinen knorrigen Füßen – hastete er dem Geschöpf hinterher wie einem Kaninchen. Vom Wölfischen war nichts geblieben, allein die unstillbare Lust und das Verlangen nach Lebendigem stand ihm in den glasig-trüben Augen geschrieben. Dieses Tier musste er haben! Er nahm auch nicht wahr, wie der Wolf, den er selbst eben noch zu Boden gerungen hatte, nun seinerseits auf ihn sprang und ihn aus der Bahn katapultierte. Sein verkommener, übel riechender Leib mit dem offenen Fell- und Fleischstellen schlitterte ein Stück über den Schnee, bevor er zum Stehen kam. Ohne es willentlich zu beeinflussen, schnappte sein gieriges Maul mit den sehnigen Spuckefäden nach dem Leib des Angreifers. Beinahe erwischte er den Hals des Gegners, doch blieb es dann bei einem Bündel ausgerissenen Fells, denn sein Fleisch weckte interessanterweise kaum das Verlangen, das ihn gerade dirigierte – zumindest nicht, solange er mit ihr die bessere Wahl hatte. Er trat und strampelte, stieß merkwürdig artfremde Laute aus – einem Krächzen und Fauchen näher als den sonst wolfstypischen Lauten – bevor er es schaffte, sich wieder auf seine Läufe zu stellen, weil er dem Fremden mit den Hinterläufen gegen Kopf und Gesicht trat in seiner Not. Der mutierte Wolf, der kaum mehr an das ursprüngliche Wesen eines solchen erinnerte, geiferte entseelt nach der Fähe, die sich zunehmend entfernte. Doch schon sein erster Versuch, ihr ein weiteres Mal nachzueilen, scheiterte an der fehlenden Balance. Seine Sinne waren stark beeinträchtigt, ebenso sein Gleichgewichtssinn. Die Sabotageversuche des Störenfrieds taten ihr Übriges, sodass er sich unverhofft erneut auf dem Boden wiederfand und auf dem Schnee herumrutschte wie ein flugunfähiger Vogel, nachdem er aus dem Nest gefallen war. Er brauchte nur kurz, um seine Kräfte erneut zu sammeln, die da nicht natürlichen Ursprungs schienen, dann würde die wilde Hatz weitergehen, wenn ihn nichts stoppte ...

(Enaid, Eden | Kältesturmhalbinsel)
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
24.02.2024 06:57 Forum: Das Tal



Sein Bewusstsein wurde langsam aber stetig aufgefressen. Hatte er anfangs noch die Züge eines Wolfs – also eine sozialen Geschöpfs mit der Fähigkeit zur Kommunikation in der Gruppe besessen –, so verdichtete sich der schwarze Rauch in seinem Resthirn und verwandelte dieses in einen vulkanisierten Klumpen, eine zäfe Masse, die zu keinem Empfinden mehr im Stande war. Doch mochte sein Kopf auch lebewohl gesagt haben, seine übrigen Körperfunktionen taten es noch etwas länger. Parallel zu einem an Tollwut erkrankten Tier, fanden seine Muskeln noch einmal zur Höchstform zurück und erlaubten ihm Sprünge und Sprints, zu denen er vielleicht zu Lebzeiten nicht einmal fähig gewesen war. Der Rüde verfiel in einen wirren Wahn, der an alte Jagdtriebe gebunden war. Seine fixe Idee, die junge Wölfin – ein Sinnbild für Jungfräulichkeit, für Unreife und für Leben – zu erwischen, wurde zu einer Besessenheit. Dabei störte alles, was ihm in den Weg kam, etwa alte zerknitterte Rüden mit stumpfem Fell, die das absolute Gegenteil der Erstgenannten darstellten. Wildgeworden schnappte er um sich und versuchte das Hindernis – Max – zu zerreißen, um den Weg zu seinem ,Jungbrunnen' zu ebnen. Doch die Vorstellung, sie mochte seine Medizin sein, seine Rückfahrkarte ins pure Leben, löste sich samt seinem Seelenrest und sein Tun schlug um in eine blutige Hatz nach jungem Fleisch – Wolfsfleisch! Geifer spritzte aus seinem stinkenden Maul, in seinen fauligen Augen stand eine unverrückbare Unbarmherzigkeit, die kein Mitgefühl, keine Gnade mehr kannte. Sie musste er kriegen, kostete es, was es wollte! Er stieß unfreiwillig mit ,Max' zusammen und stürzte zu Boden. Obgleich seine knochigen und verkrümmten Beine hilflos in der Luft strauchelten, schnappte sein Gebiss gierig ins Nichts, als konnte es die junge Fähe schon aus der mittleren Distanz erhaschen, so groß war das Verlangen. Und obwohl diese Kreatur inzwischen nichts Wölfisches (im sozialen Sinne) mehr an sich hatte, anatomisch gar mehr von einem abgelagerten Kadaver, das Verlangen nach ihr war ungebrochen. Von Rage gepackt über das Tun Max', sich ihm in den Weg zu stellen, haschte sein gieriges Maul nach dessen Rute und packte sie voller Fleischeslust. Er zog daran und rüttelte mit dem Kopf hin und her. Dabei befiel den Erkrankten ein undefinierbarer Mangel an Schmerzbewusstsein, denn der fiese Sturz auf den harten Untergrund hatte ihm nicht viel ausgemacht, ebenso wenig die Rippen, die er sich dabei gebrochen hatte. Wahnsinniger, zu dem er geworden war, schüttelte er sein Maul samt der Rute des Rüden hin und her, ohne eine Spur der Rücksicht oder anzudeuten, es nicht so zu meinen. Sollte der Fremde doch in tausend Fetzen zerreißen, ihm war es gleich! Lange aber wehrte sein kleiner Anfall ihm gegenüber nicht, eh seine Läufe wieder standen und er fähig war, die Jagd auf das unschuldige junge Ding fortzusetzen. Mit einem gespenstischen Flackern in seinen Augen hastete er der Wölfin hinterher, wollte, nein musste sie kriegen, ganz gleich, was geschah!

(Enaid, Eden | Kältesturmhalbinsel)
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
30.01.2024 19:39 Forum: Das Tal



Ein bisschen erinnerte ihn sein Zustand an diesen einen lauen Sommerabend in jungen Jahren, als er mit seinem Bruder Pepe zu viele von diesen vergorenen Beeren genascht hatte. Damals war ihm genauso komisch zumute gewesen und Pepe hatte sich unvermittelt verdoppelt. Verdoppelt hatten sich diese Beiden hier nicht, die waren wohl schon immer zu zweit gewesen - eine kleine und ein großer. Eigentlich ein interessantes Gespann, das ihm vielleicht helfen konnte. Jetzt gerade jedenfalls verspürte er eine zunehmende Schwäche in seinen Gliedern und das Zittern seiner Extremitäten war auch nicht zu verachten. Er wankte unsicher voran, immerhin konnte er die beiden Artgenossen kaum mehr erkennen, was einerseits daran lag, das seine Augen ganz schlecht wurden, zu allem Überfluss waren Max und Maxie aber auch noch weiter weggegangen, was es echt verdammt schwer machte, ihre Gesichter oder ihre Körpersprache zu lesen. Er kam daher nicht umhin, ihnen etwas nachzulaufen, wobei er durch seine eigene ausgesonderte Körperflüssigkeit stapfte, die das Gras tränkte und versauerte.
Glücklicherweise gab es noch die akustische Form der Kommunikation und der größere - Max, der Rüde - fragte, ob man ihm irgendwie helfen konnte. Ausgezeichnet! In der Tat war ihm ein wenig unwohl und er war zu ihnen gekommen, in der Hoffnung, dass sie ... dass sie ... ehr ... irgendein Wunder vollbringen konnten? Er stapfte weiter vor, wobei seine Wirbelsäule seltsame Bewegungen vollführte und eiferte den Zweien nach.

„Haffu .. haffihr ... iff ... mir iffniff ... iff ni- niff wohl.“

Was sollte er denn äußern? Er kannte doch den Aufbau eines Wolfskörpers auch nicht besser als sie, sowie dessen innere Vorgänge. Es sollte ihn überraschen, wenn es überhaupt jemanden gab, der ganz genau wusste, wie so ein Tierkörper funktionierte. Was er sicher zu sagen wusste war, dass sein Herz so schnell pochte wie das eines Vogels. Seine Augen waren blutunterlaufen und irgendetwas tropfte aus seinen Nasenlöchern, dem Maul, ja sogar den Ohren. Konnte das Blut sein? Es erschien und roch abgestanden und nicht wie das eines vitalen Wolfs. Sein Fell war stellenweise ausgegangen, wenn er es nicht gar selbst ausgerupft hatte und wunde Hautstellen traten zu Tage. Bestimmt nistete die ein oder andere Fliege auf ihm und hatte ihn als perfekte Eiablage erkoren - immerhin war es ein Ammenmärchen, dass Fliegen nur in totem Gewebe nisteten. Die waren da nicht so wählerisch, die kleinen Biester. Ganz anders als seine beiden Freunde hier, Max und Maxie. Die boten ihm Hilfe an, verhielten sich dann aber ungewöhnlich ausweichend. Das war eigentlich eine Schande, denn ganz besonders die Kleine war wirklich zum Abbeißen. Anbeißen, natürlich. Er unterdrückte für den Moment jegliches Zittern und Wanken und verharrte an seiner Stelle. Wenn er es so recht bedachte, hatte er seine Medizin längst gefunden! Was konnte gegen den fortschreitenden Verwesungsprozess eines Untoten helfen? Junges, gar jungfräuliches, frisches Fähenfleisch! Das Hilfsangebot von Max war wirklich nett. Aber wenn er die Wahl hatte zwischen Gut-Zureden und aktiv Leben in sich hineinschlingen, um wieder der zu werden, der er einst war, dann fiel ihm die Wahl nicht schwer. Er nahm all seine verbliebenen Kräfte zusammen und sprang mit aufgerissenem Maul und der schieren Gier nach jungem Leben auf das kleine Ding zu – Jungbrunnen, ich komme!

(Enaid, Eden | Kältesturmhalbinsel)
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
09.01.2024 14:38 Forum: Das Tal



Eigentlich hätte er Abstand halten sollen. Die beiden Artgenossen konnten krank sein. Die Krankheit war fortgeschritten diese Tage – was, wenn er sich etwas einfing? Aber es schien zu spät für Heimlichtuerei. Gut wie die Sinne von Wölfen eben waren, hatten sie ihn bemerkt. Es konnte kein Zufall sein, dass sie beide kurz nacheinander auf seinen eigentlich so unverfänglichen Strauch sahen. Nun, dann konnte er seine Deckung auch aufgeben und sich ihnen zeigen, stets mit einem respektvollen Abstand. Leider musste er feststellen, dass es gar nicht mehr so leicht war, aus der Ducke hochzukommen. Seine Läufe stellten sich an wie morsche Äste und es knackte und knarzte wie verrückt. Trotzdem wagte er die ersten Schritte und verließ damit seine Deckung. Die Unschärfe der beiden fremden Wölfe nahm auch dann nicht ab, als er ihnen Stück für Stück näher kam. Sein Atem war heiß, es kostete ihn Anstrengung, ihnen näher zu kommen. Obgleich er wusste, dass ihm die letzten Tage gesundheitlich schwer gefallen waren – warum auch immer –, versetzte ihn sein jetziger Zustand doch in Erstaunen. Aber was soll's ... die anderen Beiden waren auch nicht gerade zwei Vorzeigeexemplare. Der Rüde, ein junger Bursche war er, sah seltsam aus und roch wie ein drei Tage alter Kadaver. Seine Begleiterin, die noch ganz grün hinter den Ohren war, so jung war sie, die war auch nicht viel besser. Ihr Geruch erinnerte ihn an etwas, das zwar mal lecker gewesen sein mochte, jedoch zu lange der Sonne ausgesetzt war. Ihr Fell wirkte merkwürdig unregelmäßig, uneben und dreckig. Dennoch würde er sich zurückhalten und die beiden nicht vor den Kopf stoßen. Er wollte sich in Diplomatie üben. Mit einem freundlichen Lächeln würden sie ihm ganz sicher offenstehen.

„Hal- Hacko ... ihr fwei Hüpf- Hüffen.“

Was meinten seine Ohren? Das konnte unmöglich von ihm stammen. Er hielt in einigem Abstand (er wusste selbst nicht, wie weit es noch genau bis zu ihnen war) an und versuchte sich zu sammeln. Sein Kopf, der sich nass und nicht sehr gut anfühlte, ging leicht nach unten. Überhaupt brummte das alte Ding, so als hatte er Bekanntschaft mit einem ganz harten Vertreter des geologischen Universums gemacht. Dabei war das überhaupt nicht der Fall. Seine Rudelmitglieder hatten ihn immer als Dickkopf bezeichnet ... von daher würde es schon nicht so schlimm werden!
Es triefte aus seinem Maul. Obwohl er schon seit einiger Zeit nichts mehr gefressen hatte und entsprechend dürr auftrat, hatte der Speichel aus seiner Schnauze eine grünlich-braune Verfärbung, als ernährte er sich Hauptsächlich von Stöcken und Ästen. Außerdem musste er sich immer wieder den blutigen Nasenausfluss ablecken, was vermutlich nicht so gut ankam. Vermaledeiter Riechkolben!
Er versuchte noch etwas näher zu gehen und es noch einmal zu versuchen.

„Ikffin ... iff ... pin ... Nölna...Nölner... Nöll ...“

Und dann geschah es! Die Nase rächte sich für seinen Versuch, das Blut zurückzuhalten, indem es die einst so wichtige Körperflüssigkeit gleich durch den Rachen schickte. Eh er sich versah, weitete er seine Kiefer und ein Schwall seines dunklen Blutes trat heraus, um mit einem lauten Platsch vor seinen Pfoten zu landen ... vielleicht auch vor denen seiner beiden Gegenüber, sollten ihre Reflexe eher von der bequemen Sorte sein. Sein Kopf hing herunter und er starrte entgeistert auf den vermeintlichen Rohrschachtest. Seine Augen waren trüb und erlaubten keine genaue Sicht der Dinge, doch wenn er zu blinzeln versuchte, erkannte er in dem Flecken eine Art Geburt ... die Geburt eines Ungeheuers! Was hatte das zu bedeuten? Er wollte daran riechen, doch der furchtbare Gestank der beiden Artgenossen stach ihm wieder in die Nase und erinnerte ihn daran, besser nicht zu tief Luft zu holen.
...
...
.......
Der Artgenossen? Es war sein Geruch, der ihm unangenehm zusetzte! Als ihm die Tatsache bewusst wurde und er erkannte, dass seine Läufe tatsächlich in etwa die Form vierer morscher Äste hatten, wurde ihm ganz schwindlig. Er wollte sich gerade ein drittes Mal äußern, sich vermutlich entschuldigen für seinen – gelinde gesagt – unglücklichen Auftritt und es wieder wettmachen, als sich seine inneren Organe, allen voran der Magen, an lustigen Krämpfen versuchten. Er pumpte und würgte, versuchte sein Maul dieses Mal zu zwingen, geschlossen zu bleiben. Eine Hitze rann durch seinen hageren Körper und er begann zu zittern. mehrmals drehte er sich im Kreis, bis er mit seinem nachlassenden Körper eine Art Kompromiss aushandelte. Sein knochiger Hintern landete plumpsend auf dem Schnee, wo er fürs Erste sitzen blieb und versuchte, die Krämpfe zu beruhigen. Erst nach einiger Zeit ließen sie nach und er hatte wieder die Gelegenheit, die beiden Artgenossen in Augenschein zu nehmen. Irrte er sich oder waren sie geschrumpft? Seltsame Dinge gingen vor sich ...

(Enaid, Eden | Kältesturmhalbinsel)
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
29.12.2023 18:11 Forum: Das Tal



Hatte er sich doch nicht getäuscht! Es roch nach Frisch- nach jungen Wölfen. Er konnte nicht ergründen warum, aber es zog ihn in diese Richtung. Es war der süßlich-verführerische Duft, der nicht sexueller Natur entsprang. Trotzdem löste es in ihm ein Gefühl aus, das ganz unbeschreiblich war. Es war am ehesten mit einem Kribbeln im Bauch erklärbar ... einem Kribbeln ... im Bauch? Das kannte er sonst allenfalls, wenn ihm der Geruch eines jungen Rehs in die Nase stieg. Hier allerdings handelte es sich um Wölfe, also um Artgenossen! Viel naheliegender als die Assoziation mit Beute war, dass sie ihm helfen konnten. Er würde sogar darauf bestehen, dass sie ihm halfen, denn ihm wohnte ein schwer definierbarer Zwang inne, der einem Bedürfnis entsprang, das man nicht beschreiben konnte.
Zunächst und wie es sich gehörte, würde er ausloten, mit wem er es dort zu tun hatte. Die fremden Wölfe konnten immerhin gefährlich für ihn sein! Und nichts konnte er jetzt weniger gebrauchen, als eine Gefahr, die ihn in seiner Existenz bedrohte. Er musste bei Kräften bleiben, um seine Suche fortsetzen zu können.
Vorsichtig pirschte er sich näher an, was nicht so leicht fiel, denn sein Körper war nicht mehr wie gemacht für solche Heimlichkeiten. Er robbte daher die letzte Distanz über den Boden und versteckte sich hinter einem seit Ewigkeiten vertrockneten und toten Busch. Das war in etwa so, wie wenn sich ein Elch hinter einem Grashalm zu verstecken versuchte, denn bestenfalls störte es die Textur seines immer weniger ansehnlichen Gesichtes. Hinzu kam, dass er schwer sehen konnte. Die beiden Gestalten, ein größerer und ein kleinerer Wolf, waren unscharf, kräuselig konnte man sagen. Ein schwer zu begreifender Nebel lag um ihn herum. Viel wichtiger war für einen jeden Caniden ohnehin der Geruch. Doch der Geruch, der ihn erreichte, war faulig, modrig und nicht das, was man von Artgenossen erwartet hätte – ob die Beiden krank waren? Sie rochen nicht gut, daher wollte er Vorsicht walten lassen. Obgleich es ihm selbst immer schlechter ging seit einigen Tagen, wollte er doch nichts riskieren. Daher versteckte er sich vorsichtig hinter seinem armseligen Sträuchlein und wartete, was geschah.

(Enaid, Eden | Kältesturmhalbinsel)
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
19.07.2023 13:11 Forum: Das Tal

Lynx




Es rührte ihn ernstlich, wie besorgt die Weiße um ihn war. Und nicht nur sie. Auch der große dunkle Rüde, der sich Roghir nannte, wollte nicht von ihrer beider Seite weichen. Dabei erkannten die zwei nicht, dass sie ihm damit keinen Gefallen taten. Es schmerzte den Polarwolf, in diesem intimen Moment, der vielleicht sein letzter war, von allen anderen beobachtet zu werden. Obgleich er die anderen Wölfe nicht direkt ansah, konnte er ihre Blicke doch spüren. Seine Ohren lagen beschämt an, der Kopf hing knapp über dem Boden, die Pfoten verkrampft. Für einen Moment hatte er den Eindruck, sein körperliches Leiden ließ nach. Er fühlte sich etwas besser und wagte erstmalig wieder, einem Artgenossen in die Augen zu blicken. Sein Blick traf auf Takatas Gesicht. In diesem Moment fühlte er sich wie ein Beobachter von außen, der mit all dem nichts zu tun hatte. Die Wölfin über ihm sah zurück und schimpfte mit den anderen. Lynx fürchtete, dass sie erneut zu einer unbedachten Tat schritt, obgleich sie nicht die körperlichen Signale eines bevorstehenden Angriffs aussendete. Er bemerkte nicht, wie sein Leib zu zittern begann, jeder Teil ganz unwillkürlich. Warum tat sie das? Waren sie wirklich so gute Freunde oder war es nicht viel mehr so, dass sie sich an ihn klammerte, um nicht den letzten Glauben an die Wolfheit zu verlieren? Er sah angestrengt nach unten und dachte nach. Für die Dauer eines aufleuchtenden Blitzes erschien ihm noch einmal alles vor Augen, was er erlebt hatte. Sein Vater, der seine Familie mit Leid getauft und vier seiner Geschwister und seine Mutter vernichtet hatte. Sein Meister ... der ihm alles beigebracht hatte, was er benötigte, um das Sein in dieser Welt zu fristen. Das Rudel ... Skadi, die die Wölfe mit eisernen Klauen geführt hatte, aber dabei nie unfair aufgetreten war. Tihar ... an den Takata ihr Herz verschenkt hatte, zu früh und nun womöglich bereute, dem Falschen ihr ganzes Herzblut geschenkt zu haben ...
Während die Weiße versuchte, die übrigen Wölfe – Roghir, Pantalaimon und Valdis – fortzuschicken, wagte er, was er selbst kaum noch für möglich gehalten hatte. Langsam erhob er seinen gebrechlichen Körper und trotzte der Schwäche, die ihn zu Boden zu zwingen versuchte. Mit zittrigen Läufen richtete sich der Rüde auf, eh er einmal angestrengt ächzte. Obgleich er sich unverhofft gebrechlich und alt gebar, er selbst war stolz darauf, nicht länger auf dem Boden liegen zu müssen. Mit aller Kraft vermochte er es, auf seinen vier Läufen zu stehen und ein entschuldigendes Lächeln auf die weiße Fähe zu werfen.

„Ta...ka...ta...“

Wenn er es schaffte, zu simulieren, dass alles in Ordnung war, würde sie vielleicht mit ihnen gehen und ihn zurücklassen. Er verzieh es sich nicht, wenn sie daran zerbrach, dass er nicht mehr konnte. Lynx war zu realistisch, um davon auszugehen, dass dies nur eine vorübergehende Phase war. Sie befanden sich inmitten der Eiswüste und er hatte nicht mehr die Kraft, auch nur einen Schritt nach vorn zu tun, ohne wieder zusammenzubrechen.

Der Rüde bekam nur peripher mit, dass der dunkle Wolf etwas äußerte. Doch er hörte das Heulen in der Ferne und spitzte die Ohren. War das ...? Ein Schimmer fuhr durch seine Augen. Das war ... sein Meister? Er ... rief nach ihm. Würde er ihn wiedersehen? Doch dafür musste er Takata allein zurücklassen. Hatte er eine Wahl? Er neigte seinen Kopf nach oben und trotzte dem Verlangen, sich seiner Schwäche hinzugeben und wieder auf den Boden zu stürzen. Der dichte Wolkenschleier nahm jede Sicht auf den freien Himmel. Aber tief in seinem Kopf war er im Stande, sie zu sehen ... die funkelnden Punkte am nächtlichen Horizont, die ihm einst seinen Namen gaben. Die Lefzen bebten, heißer Atem drang aus seinem Maul. Langsam neigte er den Kopf tiefer. Der Gedanke, nun vielleicht das Sein im Diesseits aufgeben zu müssen, war verlockend und verstörend gleichermaßen. Ihm war durchaus bewusst, dass der mindestens einen Wolf zurückließ, der sein Ende nicht so leicht verkraften würde. Doch hatte er eine Wahl? Sein Versuch, seinem schwächer werdenden Körper zu trotzen, wirkte ungeahnt lächerlich und er drohte sein letztes Stück Würde zu verlieren, wenn er nicht nachgab.

Immerhin zogen die anderen Wölfe nun ab – doch nicht nur Takata, auch Roghir hatten sich anscheinend vorgenommen, ihr Bild von einem starken und milden Lynx gegen das eines langsam verwelkenden zu tauschen. Er selbst hätte sich nicht dabei zusehen wollen und doch blieb ihm nichts anderes übrig. War nun der Zeitpunkt gekommen, die berühmten letzten Worte an seine vielleicht einzige Freundin zu richten? Was konnte er tun, um ihren vorauszusehenden Schmerz zu lindern? Sei nicht traurig, du wirst neue Freunde finden? Wir haben uns nicht so gut gekannt, wie du vielleicht glaubst? Er war furchtbar darin. Beinahe verleitete es ihn zu einem aberwitzigen Grinsen, dass ihm die Zeit davonlief und er nicht den richtigen Abschiedsgruß fand. Aber allein bei dem Gedanken, Teyjen fallen gelassen zu haben, obwohl er die Verantwortung für den Kleinen übernommen hatte, war tröstlich, wenn er wusste, dass es nun zu Ende ging. Irgendetwas musste er der Weißen mit auf den Weg geben, denn obwohl er sich noch einmal zurück auf seine vier Läufe gekämpft hatte, er spürte, dass das Tauziehen bald vorüber war und der finstere schwarze Flügelwolf auch diesen Kampf gewinnen würde ...

„Takata ... ich “

Sein Winseln wurde abgelöst durch einen stockenden Atem. Er versuchte Luft zu holen, die Blockade in seinem Hals zu lösen, aber der Versuch beförderte nur einen Schwall Blut hervor, der ungehemmt aus seinem offenen Maul spritzte und den Weg in den Schnee fand. Umgehend holte ihn die Kraftlosigkeit wieder ein und schien ihn strafen zu wollen für den Versuch, gegen sein Ende aufzubegehren. Es trat das ein, was er um jeden Preis hatte verhindern wollen. Lynx stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden, direkt vor die Füße seiner Freundin. Er verspürte den Drang, die Luft aus seiner Lunge zu stoßen, aber es trat nur weiteres Blut über seine Zunge, sogar aus seinen Nasenöffnungen tropfte es. Der Geschmack des eigenen Blutes war erschreckend deckungsgleich mit dem der zahllosen Beutetiere, die er geschlagen hatte und vergegenwärtigte ihm seine eigene Vergänglichkeit, die nun näher gerückt war als jemals zuvor. Erst im Liegen erkannte der Rüde, dass einige Tropfen seines Lebenssaftes ins Fell der weißen Fähe gespritzt waren ... was hatte sie auch bleiben müssen. Warum hatte sie nicht gehört, sondern bereitwillig riskiert, sich mit dem anzustecken, das ihn von innen heraus zerstörte? Er wollte sich entschuldigen für dieses Versehen, wollte ihr wünschen, dass sie es besser hatte und sie ein letztes Mal auffordern, mit den anderen mitzugehen, als hier zu bleiben, wo der dunkle Flügelwolf sein Unwesen trieb. Lynx' Kopf war ihm sicher, denn anstatt noch etwas zu äußern, verspürte er eine Hitze, die ihn ihm zu brennen begann. Er wurde die Luft in den Lungen nicht los, da die Atemwege vom Blut blockiert waren, das Zittern seiner Pfoten wurde kleiner und das Bild von Takatas Pfoten begann zu verschwimmen, dunkler zu werden. Sie löste sich langsam auf und wurde eins mit dem Rauschen, bis alles von einer nimmersatten Dunkelheit verschlungen wurde, die ihm jede weitere Demütigung ersparte. Zurück blieb das erstarrte Wrack eines geschlagenen Beutegreifers, der sich der leblosen Umwelt um sich herum angeschlossen hatte, unfreiwillig und schneller, als es für ein lebendes Wesen begreifbar hätte sein können.

Malice Mizer - Vampire Hunter <<

(Takata, Valdis, Pantalaimon & Roghir | Rand des Beerenwaldes)



Zitat:
Takata
Liebe Spielerin von Lynx,

falls du das liest ...
es tut mir wirklich Leid, dass ich deinen Charakter nach 11 Jahren rausspielen musste. Ich hoffe, du verstehst jedoch, dass wir diesen Knoten im Rollenspiel irgendwie lösen müssen, um weiterzukommen. Takata hat in Lynx einen letzten Verbündeten gesehen und hätte ihn niemals freiwillig ziehen lassen ...
In meinen Augen warst du dennoch immer ein willkommenes und fest eingebundenes WdN-Mitglied und als solches wirst du uns in Erinnerung bleiben! Niemand ist dir böse, das Leben hat manchmal einfach andere Pläne und das muss man respektieren ... bitte fühle dich nicht verstoßen oder herausgedrängt. Ich behalte dich und deinen Wolf Lynx positiv in Erinnerung und ich hoffe, du kannst das umgekehrt auch behaupten ...
Wünsche dir viel Glück in deinem weiteren Leben und dass du die WdN nicht ganz vergisst. grins
Liebe Grüße
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
04.07.2023 14:20 Forum: Das Tal

Reinhold Rabe




„Doch für den Moment sind wir nicht interessiert an einem Besuch bei irren Gestalten“

Irre! Irre! Das traf es gut! Sie waren alle irre. Aber am irrsten war die Schwarze, die aus ihrer Verachtung allen Gefiederten gegenüber keinen Hehl machte. Was hatte sie eigentlich für ein Problem? War sie mit dem falschen Fuß aufgestanden? War bei vier Füßen vermutlich nicht schwer!
Beleidigt zog er seine Kreise, krächzte schimpfend und ertrug das Gewäsch, mit dem sich die drei weiblichen Wölfe gegenseitig in die Ohren krochen.
„Ich danke dir. Euch zu begegnen war das beste, was uns nach langer Zeit passiert ist.“


„Krah! War das Beste, euch zu begegnen! Krah! Ein Getier, ein Getier! Mutter, wir danken dir! Krächz. Überflüssiges Geschwätz. Bah.“

Verärgert über die Absage der drei Rehfresser zog er immer größere Bahnen, die ihn langsam fortführten von der kleinen Gruppe.

„Bleibt schön sicher! Gebt auf euch Acht. Wollt nicht zu den fröhlichen Wanderleichen. Dann kommen sie eben zu euch. Krahaha.“

Damit verschwand das schwarze Ungetüm in der Tristesse der leblosen Eislandschaft. Er hatte versucht, den vermeintlich Klügsten unter den Prädatoren das Geheimnis des Krankseins näher zu bringen, aber sie hatte abgelehnt. Ihr Wunsch, in Sicherheit und Geborgenheit zu verweilen, wo der schnöde Mammon frönte, war größer, als den Ursachen auf den Grund zu gehen und vielleicht eine Möglichkeit zu finden, nicht Opfer der Irren zu werden. Sie glaubten, sie hätten ein Schnippchen geschlagen! Sie waren der Meinung, wenn man die schlimme Wirklichkeit nur lange genug ausblendete, verschwand sie irgendwann. Weit ghefehlt! Sie würde sie einholen, ob sie dabei die Augen aufmachten oder nicht ... die Irren würden kommen, die Krankheit würde sie holen und unweigerlich zu einem ihrer machen. Irre!

[zunächst bei Ayjana, Aarinath & Shiro, dann fort| in der Polarwüste]



Rabenfoto - © Kytalpa [klick]
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
27.05.2023 18:29 Forum: Das Tal

Lynx





Der Weiße fühlte sich in diesem Moment wie ein uralter Wolf. Eine unbeschreibliche Schwäche zwang seinen Leib zu Boden und hier liegen und ausruhen war das Schönste, das er sich vorstellen konnte. Doch das war nicht alles: In seinem Innern brannte ein Feuer. Er spürte das Brennen ganz genau und fragte sich, durch was es entfacht worden sein konnte. Es wütete in seinen Organen und nagte rücksichtslos an seinem Innern. Wie lange noch würde er dem zunehmenden Schmerz standhalten ... und was dann? Was war, wenn man das Maximum des Erträglichen überschritten hatte? Was geschah, wenn man von Schmerzen überrannt wurde, die jenseits des erträglichen Maßes lagen? Als er diesem Punkt immer näher kam, hatte er Angst, seine Organe drohten zu platzen. Das Blut verließ seine Venen und Arterien und drang in Bereiche des Körpers, in denen es nicht sein sollte. Gerade noch so konnte er sich zwingen, einen zweiten Erguss des Blutes aus seinem Maul zu unterdrücken und zurückzuschlucken. Es war ihm unangenehm und er sah ehrfürchtig und peinlich berührt herum, wo die anderen standen – allen voran seine respektierte und geschätzte Freundin Takata.

„Alles ... gut“, hechelte er. Dabei spürte er das Brennen wieder ganz deutlich und es schmerzte ihn noch mehr, Laute zu tun. „Wird schon ... wieder.“

Lynx versuchte sich in einem entschuldigenden Lächeln. Doch er wusste, dass es nicht sehr überzeugend wirkte. Wie ein kleiner Welpe sah er auf seine fein nebeneinander gelegten Pfoten und atmete schwer. Die Ohren angeklappt, die Haltung unterwürfig, beschämt darüber, zu einem Problemfall geworden zu sein. Sie wollten zurück zum Rudel, obgleich die Aussichten nicht glänzend waren, denn die Alpha war nicht mehr und Takata schien sich mit den übrigen Wölfen überworfen zu haben. Dennoch ahnte er, dass er in diesem Moment nicht viel tun konnte für seine Fellschwester und es war unangenehm für ihn, vor ihr zu liegen wie ein Häufchen Elend. Er hatte das Verlangen, allein zu sein und wieder gesund zu werden, nicht eher unter andere Wölfe zu treten, bis er wieder der alte war. Und gleichzeitig wusste er, dass es utopisch war. Trotzdem wollte er einen Versuch unternehmen, obgleich er sich vehement gegen den Gedanken wehrte, es mochte das letzte Mal sein, dass sie sich gesehen hatten.

„Geht ... ruhig ... ich ... komme ... nach.“

Sein verschmitztes Lächeln, das die Situation entschärfen sollte, glänzte vor Hilflosigkeit. Dennoch wollte er nicht schuld daran sein, dass die Gruppe seines wegen länger in dieser Schneewüste ausharren musste. Besonders die junge Fähe – Valdis war wohl ihr Name – schien ungeduldig. Doch konnte sie ihrer Forderung, sich zusammenzureißen und einfach mitzukommen, nicht Folge leisten, ohne Gefahr zu laufen, zusammenzubrechen wie ein geschlagenes Reh und blutig auszulaufen. Stattdessen wich er den Blicken der anderen aus, als musste er sich schämen und wünschte sich, dass man ihn mit seinen neuen Sorgen allein ließ, wenigstens, bis er Gewissheit hatte, ob er es weiter schaffte oder nicht.




(Takata, Valdis, Pantalaimon & Roghir | Rand des Beerenwaldes)
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
06.04.2023 19:39 Forum: Das Tal

Reinhold Rabe





Haltet mich für verrückt, aber ich glaube dem Vogel!
Verrückt! Sie glaubte ihm! Wie verrückt war das denn? Ja, verrückt wurden sie. Alle ein kleines bisschen. Jeden Tag etwas mehr. Und bei ihm konnten sie lernen, wie man es am besten anstellte. Wären da nur nicht diese beiden missgünstigen Gestalten in Schwarz und Weiß gewesen, die da hinten auf den billigen Plätzen, die sich ihren Kommentar nicht sparen konnten. Es machte den Raben unruhig und unzufrieden, dass er ständig kritisiert wurde, immerhin hatte er ihr 1A-Spitzeinformation zum Besten gegeben. War das der Dank dafür? So sehr er sich über die Weiße vor ihm freute, so sehr erregten die beiden Spielverderberinnen weiter hinten seinen Unmut. Er flatterte einmal auf und protestierte.

„Frechheit! Unverfrorenheit! Was fällt euch ein! Sind gute Informationen! Sind wertvolle Informationen. Ihr wisst nicht, wie gut ich bin .. krächz .. wie gut die sind, meine ich! Krächz!“

Verärgert trippelte er auf und ab. Die beiden Waschweiber sollten sich in Luft auflösen, aber subito! Er hatte seine Freundin und er liebäugelte mit ihren Augen ... ein oder zwei in seinem Nest, oh, das wäre fein. Dort könnten sie ihn jeden Tag anblicken und liebe Augen machen. Äuglein, Äuglein auf dem Pfahl, wer ist der Eleganteste im ganzen Tal? Und während seine Freundin schon erste Ambitionen entwickelte, sich sportlich ins Verderben zu stürzen und nach den Halbtoten zu sehen, um ihnen ein fröhliches „Guten Tag, der Herr“ zu kräch- ehm ... wie doch gleich? zu wuffen, machte das Feuerauge seiner Vorfreude einen fetten Strich durch die Rechnung, stellte sich wie eine Übermutter in den Raum und nörgelte herum ... Wir sollten uns jetzt besser auf den Rückweg machen! Wir sollten uns ... Unsinn!! Jetzt wurde es doch erst richtig spannend. Die Weiße mit den roten Augen erzürnte ihn nachhaltig. Er flatterte auf - vergaß dabei für einen Moment seine wunderbaren Wolfsfellhärchen und flog ihr in einem unversehenen Moment so dicht über die Stirn, dass seine Krallen mit mindestens einem weißen Plüschohr in Berührung kamen.

„Niemals! Geht nicht! Niemals!“ Er flog noch eine Runde, eh er noch im Maul eines dieser beiden neidischen Wesen endete und krächzte aus der Luft, während er über ihren Häuptern kreiste. „Wollt ihr denn nicht wissen, wie alles angefangen hat? Sind so schöne Leichen, stinken doch ganz fein, dürft ihr nicht verpassen, wird sonst öde sein!

Obgleich er nicht hoch aufgestiegen war, landete er unverhofft sturzartig im Schneehaufen vor seiner wölfischen Freundin, sodass die letzten weißen Härchen von ihr, die noch nicht zerstoben waren, vom Pulverschnee begraben wurden. Für eine Weile war es wieder ruhig. Nur langsam arbeitete sich das schwarze Gefieder aus dem weißen Leichentuch, eh er den Kopf in die Höhe reckte und krähte.

„Krah! Was fällt dir ein! Unser schönes Geheimnis! Nein! Spatzenhirn! Spottdrossel, vermaledeite!“

Er verließ die Schneewehe, um sich der Stelle, an der er eben verharrt hatte, gegenüberzustellen und ruderte genervt mit seinen Flügel.

„Kannst sie doch nicht zu den wandelnden Toten schicken! Sind viel zu ängstlich.“ Er neigte den Kopf etwas nach unten und schien für einen Augenblick den Boden unter sich zu betrauern. „Aaarme Wölfe ... gehen so schnell kaputt ... müssen geschützt werden ... vor den ... Leichen.“




[direkt bei Ayjana, etwas abseits: Aarinath, Shiro| in der Polarwüste]



Rabenfoto - © Kytalpa [klick]
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
20.03.2023 17:32 Forum: Das Tal

Frau Reh



Diese herrliche Ruhe! Dieser betörende Duft junger Pflänzchen! Was war das doch für ein wunderbarer Ort. Und er war so wolfsfrei … oder? Also wenn sie sich doch einmal dazu zwingen konnte, vom saftigen Grün am Uferrand abzulassen, um einen Blick auf die andere Seite des Sees zu werfen, dann sah sie, dass die einzigen Rehmörder, die dieser Ort gekannt hatte, fort waren. Na bestens, dann konnte sie beruhigt weiterfressen. Also den Kopf wieder nach unten senken und ein junges Kleeblatt nach dem anderen verdrückt. Das Zermahlen unschuldig junger Frühlingsblüher war ihr doch immer noch die größte Wo- Halt mal. Wenn die Wölfe dort drüben nicht mehr waren … wo waren sie dann? Es war ja ein ur-inniger Wunsch eines jeden Pflanzenfressers, aber so weit sie wusste, lösten sich diese Monster ja nicht im Äther auf! Es war immer besser, seinen Feind zu kennen und zu wissen, wo er war. Also wo hatten sich diese schmutzigen Kreaturen hinbegeben? Warum war es so auffällig still geworden? Hatte sie dort ein Rascheln gehört? Nicht? Dann war es aber der Gestank wölfischen Getiers, der soeben zu ihr geweht wurde. Hatte sie es doch gewusst! Feurio! Diese hinterhältigen Räuber schlichen sich von einer Seite an. Zum Glück waren sie schön blöd und liefen mit dem Wind. Offenbar litten sie selbst unter verstopften Nasen, was ihr natürlich nur recht sein konnte. Besser verschnupfte Wölfe als kerngesunde, die sich wie Kletten an ihrem unschuldigen Körper verbohrten und vampir-artig das Blut aus ihren Adern sogen. Igitt! Sie war doch kein Gänseblümchen! Noch eh die zwei Wölfe bei ihr angekommen waren, griff Fluchtplan B7 und sie entschied sich, es einfach in die exakt gegenüberliegende Richtung zu versuchen, denn Schwimmen wollte sie nur im äußersten Notfall. Sie sprang wie ein geölter Blitz über die Sträucher links neben ihr, damit also genau weg von den beiden blutdurstigen Kreaturen, die es auf ihr Fleisch abgesehen hatten. Wenn sie nur etwas Abstand gewann, hatte sich das Problem hoffentlich erledigt und- Sapperlot! Was war das? Noch einer von diesen … zu spät. Das sonst so grazile Reh wurde aus seiner Bahn geschleudert, als es über den schmuddelig-schmutzigen Körper eines dieser unliebsamen Kreaturen fiel und einen Salto vorwärts machte. Das Zusammentreffen mit dem Boden hatte etwas, dass von einer ausgeprägten Unwillkommenheit zeugte und sie schlug sich das Rehnäschen an einem gegenüberliegenden Baum blutig. Ein fieser Schmerz jagte durch ihr linkes Vorderbein, dem sie trotzen musste, um aufzustehen und die Flucht fortzusetzen, eh alles zu spät war …

[Yarok, Kachnik und Avon | am selben Ufer des Mondscheinsees]
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
20.03.2023 16:56 Forum: Das Tal

Lynx





Es war schon ein wenig süß anzuschauen, wie seine Fellgenossin bei Roghir um Entschuldigung bat und im Anschluss sogar noch dazu überging, ihm die Pfoten abzulecken. Einerseits verblüffte ihn die Selbstwirksamkeit, die Macht konnte man fast sagen, die er über die Weiße zu haben schien. Zwar hatte er sich nicht vorstellen können, dass Takata seine Aufforderung, sich bei dem Dunklen zu entschuldigen, mit einem einfachen „püh“ ablehnte und auf Absätzen umdrehte. Doch dass sie so weit ging, sich entschuldigte, seine Pfoten leckte und das Geschehene – soweit es ging – rückgängig machte, berührte ihn ein wenig. Welchen Einfluss hatte er auf diese Fähe? Hätte er umgekehrt genauso gehandelt? Vermutlich schon, obwohl es schwer war zu vergleichen, denn sie beide schienen völlig unterschiedlich auf solch eine Situation zu reagieren.
Der dunkle Rüde schien die Entschuldigung anzunehmen, auch wenn sein Mienenspiel Grund gab, anzunehmen, dass er noch immer verärgert war, was ihm auch keiner übelnehmen konnte. Als nächstes fragte der Rüde, ob sie zurückgehen würden und ob sie sie dabei begleiteten. Der weiße Rüde wedelte einmal kurz mit der Rute. Zuhause … ja, das war ein tröstlicher Gedanke, den er gern die Möglichkeit gab, sich in seinem Kopf auszubreiten. Doch war ihm gleichermaßen klar, dass es für Takata nicht so einfach werden würde. Sie schien der Alphawölfin, Skadi, einen besonders hohen Wert zuzumessen und die Nachricht von ihrem Tod hatte sie geschockt. Natürlich war auch ihm nicht egal, was passiert war und der Polarwolfrüde hatte genauso mit der Neuigkeit zu kämpfen, nur hatte er nie eine besonders enge Bindung zu der Sandfarbenen gehabt und war bereit, einen neuen Anführer zu akzeptieren – wer auch immer das werden würde. So oder so stand für ihn fest, dass über ihm Takata stand, denn auch wenn sie gerade eine sehr schlechte Zeit durchmachte, sie genoss noch immer hohes Ansehen bei ihm, auch, oder gerade nach dem, was sie nun unter Beweis gestellt hatte … dass sie sich entschuldigen konnte.
Lynx tat einen mutigen Schritt, während er entschloss, dass es für sie beide das Beste war, sich der Gruppe anzuschließen. Er hatte schon lange den Wunsch gehegt, zurück zum Rudel zu gehen, obgleich er ein furchtbar schlechtes Gewissen hatte … weil er … ohne Teyjen wiederkehrte.

„Ja, wir kommen mit.“

Er sah aufmunternd zu Takata, eh er an sie herantrat und seine Nase in ihr Fell steckte. Natürlich konnte die Weiße auch widersprechen und ihr Mitkommen verweigern, aber es bestand doch ein angebrachter Zweifel, dass sie ganz allein gehen würde, dass sie ihn zurückließ. Und darauf baute er, denn er wusste, dass sie nur in der Gruppe stark waren.


(Takata, Valdis, Pantalaimon & Roghir | Eisschlucht des Todes)
Thema: Kapitel XI – Unsichtbare Gefahr
19.02.2023 19:53 Forum: Das Tal

Reinhold Rabe



OhohOoohoOhh ... turtelte er hier etwas gerade mit einem ...... WOLF? Das gab es nicht! Die Rabenahnen wären mächtig beschämt bei diesem Frevel. Aber ihre Augen ... ihre wunderschönen Augen. Ob sie so weich waren, wie sie aussahen? Er hielt sich stark zurück, etwas zu tun, das ihn den ein oder anderen Flügel kosten konnte. Außerdem hatte er den Vierfüßigen doch etwas versprochen ....... was noch gleich? Hatte es mit dem Wetter zu tun? Oh, die Winde wehten furchtbar und immer aus der falschen Richtung. Es empfahl sich, den Flug stets mit dem Wind ... Moment. Das war unwichtig - sie waren ja an den Boden gefesselt! Die Armen! Die armen Schweine ... Wölfe ... Schwölfe?! Er hüpfe ungeduldig auf und ab. Nun lag es an ihm, dem armen, unschuldig weißen Geschöpf ein furchtbares Geheim- Moment mal. Konnte das Publikum auf den billigen Plätzen mal den Schnabel halten? Und was hieß hier „verschwinde, Vogel?“ Kurz bevor er seinem Lieblingswolf die bittere Wahrheit hinter dem ganzen Geschehen offenbaren konnte, packte ihn die durchgreifende Erregung und er flatterte ein Stück auf das Rotauge zu.

„Pah! Selber Vogel! Verschwinde selber! Pah!“

Damit sprang er eifrig wieder zu seiner Angeherzten zurück, eh sie ihm noch entflüchtete und kehrte zu einer ruhigen Pose zurück. Er wollte das zarte Ding ja nicht unnötig verängstigen. Ohhh, diese Augen! Kristallklare Augen. Aber ausgeglubschte Augen blieben eh nicht lange schön ... wurden stumpf und madig, sahen nur im Kopf so hübsch aus. Also gut, für heute durfte sie ihre Steinchen behalten. Aber ... wenn sie ihn fragte, welchen Preis er dafür wollte ... da fiel ihm durchaus etwas ein. Er fuhr mit dem Schnabel ganz dicht an ihr Halsfell und ... schnappte sich zwei, drei dünne weiße Härchen und rupfte sie aus.

Das da! Nicht mehr!“

Freudig über seinen kleinen Preis sprang er im Kreis und legte sie sorgfältig ab. Als nächstes versuchte er so leise zu gurren, wie es nur ging, damit es nicht die falschen Ohren, die missgünstigen Hirne erreichte, die in ihm nur schmackhaftes Geflügel sahen.

„Nicht weit von hier ... in der Eisschlucht des Todes ... ja, so nennt man sie. Da wohnen welche, die den Wahnsinn für sich gepachtet haben. Die wirklich Irren, die wirren Irren ... sie sind so toll, das selbst die Raben nicht über ihren Köpfen zu fliegen wagen." Er sah kurz prüfend zurück auf ihre beiden Gefährten. Der Dunkelpelz schien mehr sagen zu haben als der Rest - oder vielleicht glaubte die das auch nur. Er flatterte daher kurz auf, reckte den Hals und krähte verärgert zu ihr herüber.

„Genau ja, gehen, sofort! Geh doch! Geh nur. Geht, giftgrüne Augen!“

Damit wandte er sich noch ein letztes Mal an seine Auserwählte und flatterte vor ihr, als versuchte er sie, für das Rabenreich abzuwerben.

„Weißt du, was das macht?“ Er flatterte ungeduldig. „Komm näher!“ Er fuhr mit dem Schnabel ganz dicht an das schöne Pelzohr. „Das Wasser. Das Wasser aus den Flüssen. In ihm ist Gift! mehr als in deinen Freunden noch! Krah!“

Damit flog er ein Stück auf und nahm wieder Abstand. Die Drohung der Fremden weiter hinten war an ihm nicht vorbeigegangen. Er mochte vielleicht wahnsinnig sein, ein klitzekleines Bisschen, aber noch nicht lebensmüde.

„Nehmt euch in Acht“, meinte er zu den Dreien. „Mit denen ist nicht gut Vogelbeeren essen! Sie sind irre ... ja irre sind sie ... krah ... und ... gefährlich!“, raunte er und stieß einen irren Blick aus seinen kleinen schwarzen Äuglein, eh er die Härchen auflas und die Wölfe verstohlen von der Seite ansah.

[direkt bei Ayjana, etwas abseits: Aarinath, Shiro| in der Polarwüste]



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