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Thema: Kapitel X – Tautropfen
25.09.2015 12:27 Forum: Das Tal

Da gingen sie nun. Trapp. Trapp. Trapp. Ein eintöniger Klang in einer eintönigen Landschaft. Wie viele wollten sie nun wohl sein? Teyjen hatte nicht gezählt, dabei hätte er es auch gar nicht wissen wollen. Es waren auf jeden Fall zu viele, um sich noch ansatzweise wohlzufühlen. Wenn er daran dachte, dass er irgendwann mit ihnen würde reden müssen, dass sie ihn irgendwann in Gespräche verwickeln würden, wurde ihm übel. Diesmal würde niemand kommen und ihn retten. Diesmal war er alleine.

Sie waren nur ein Haufen Wölfe, weit entfernt davon ein Rudel zu werden. Es kam ihm vor, als würden sie nicht alle derselben Truppe angehören, sondern jedes Grüppchen, jeder Wolf war für sich. Teyjen selbst hielt sich an seinen weißen Freund und versuchte, nicht allzu viel nachzudenken. Als sie das letzte Mal so vor sich hin getrottet waren, hatte er noch Kyevjen an seiner Seite gehabt. Wie viel sich geändert hatte. Auch zwischen den anderen.

Catoris freudiger Ausbruch ließ ihn aufschauen. Ein Storch? Ja, da saß er, der Storch. Seltsam sah er aus. Teyjen dachte nach und fragte sich, ob er schon einmal einen Storch gesehen hatte, früher einmal. Singvögel kannte er zur Genüge, zwar nicht beim Namen, doch wenigstens kannte er sie mit den Augen. Aber dieser war anders. Schlank und groß. Nicht ganz so, wie Teyjen ihn sich vorgestellt hatte, aber auch nicht ganz so verschieden. Aber diese große Gestalt stellte doch keine Gefahr für Wölfe dar? Oder waren ihre Schnäbel gefährlich? Hatte daran schon mal jemand gedacht? Ein wenig verängstigt versuchte er, Lynx Blick aufzufangen. Solange Lynx sich nicht fürchtete, hatte der Jungwolf selbst auch keinen Grund dazu. Immerhin kannte Lynx die Störche.
Mit starrem Blick beäugte er wieder den Vogel, während er wartete, was nun geschehen würde. Ganz tief drinnen spürte er, wie sich ein Klumpen zu lösen begann, der ihm schon die ganze Zeit im Magen lag. Langsam sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein durch, dass sie angekommen waren. Das war die ganze Zeit ihr Ziel gewesen. Sie hatten es geschafft. Das könnte ihr neues Daheim werden, hier sollte alles neu beginnen.
Und wenn er das zu grünenbeginnende Land um sich betrachtete, musste er einsehen, dass Takata immer schon Recht gehabt hatte. Die Störche hatten tatsächlich einen Weg aus der Eiswüste gefunden und sie alle in Sicherheit geführt. Er hatte der weißen Fähe Unrecht getan, doch das sollte sie nicht wissen.

Eine Woge der Erleichterung überkam ihn. Sein Bruder hatte also doch eine Chance. Kyevjen war klug genug, auch alleine der Spur der Vögel zu folgen, er würde also ebenfalls hierherfinden! Ein Ruck der Vorfreude ging durch seinen Körper. Die leise Hoffnung, die den Jungen so oft verlassen wollte, kehrte wieder in seine Brust zurück.
Daraufhin fand eine alte Freundin zu Teyjen zurück. Der Anblick von Catoris Gesicht ließ ihn lächeln. Die Worte sprudelten aus ihrem Maul, der Junge war ganz verdattert von ihrer Gegenwart. Dabei war ihre Anwesenheit erfreulich, sie schenkte dem Kleinen ein Stück Vertrautheit. Ja, Catori hatte er gemocht.
Es schmeichelte ihn, was sie ihm sagte, aber als sie sich auch noch bedanken wollte, spürte er seine Schnauze rotanlaufen. Was hatte er schon Großartiges getan? Sein dummes Gerede war doch keines Dankes wert! Bei Gott, er erinnerte sich, die Anspannung damals war unermesslich gewesen, doch trotzdem hatte er sie liebgewonnen, diese grau-braune Fähe. Catori. Ja, dieser Name war ihm geblieben. Catori.
Vielleicht würde dieser Neubeginn wirklich etwas Gutes bedeuten. Zum ersten Mal verschwand die Enge in Teyjens Herzen. Das hier war sein neues Leben. Hier würde er schaffen, was er noch nie geschafft hatte. Hier würde er nicht mehr nur der kleine Bruder sein, sondern mehr als das. Hier würde Teyjen endlich Teyjen sein.
Ob er mitkommen würde? Sein neues Zuhause erkunden? Eigentlich war er müde, unendlich müde, um ehrlich zu sein. Aber er konnte sich nicht wehren. Die aufkommende, freudige Stimmung war ansteckend, Teyjen konnte sich ihr nicht entziehen.

Mit einem schmalen Lächeln um die Lefzen schaute er auch Lynx einladend ein, denn er wollte gemeinsam mit seiner kleinen Familie zuhause ankommen, der Weiße musste also mit. Leicht stupste er ihn mit der Nasenspitze an, damit er sich schneller entschied.
Ja. Teyjen wollte mitkommen. Er wollte nachhause kommen. Er wollte seinen Bruder finden. Vielleicht war auch Kyevjen endlich nachhause gekommen…

(bei Lynx, Catori, Skadi, Takata, Zita, Pilgrim, Marrok, Niyol und Shiro auf der Storchenhalbinsel am Rande des Beerenwaldes)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
16.05.2015 21:26 Forum: Das Tal

Die beiden Augen zusammengekniffen wartete er auf eine Reaktion, besser gesagt, er fürchtete sich vor einer. Es war ihm doch nur so herausgerutscht, nie hätte er sich sonst getraut auch nur irgendwas an seiner Situation zu bemängeln. Es war mehr als nur unhöflich und unangebracht. Er hatte nun wirklich nicht das Recht, sich so anderen gegenüber zu benehmen. Trotzdem schien ihm die Reise mit all diesen fremden und nichtfremden Wölfen um sich so schrecklich angenehm wie ein langsamer, schleichender Tod. Wie viele ihn ansprechen und von Kopf bis zu den Zehen mustern würden, so viele Möglichkeiten würde er haben, gegen einen von ihnen zu taumeln, um dann vor Scham ihm Boden versinken zu wollen. Unweigerlich dachte er an einige dem ähnlichen Momente zurück, die er nur zur Genüge im Gedächtnis hatte. So viel Angriffsfläche bot er für jemanden, der ihm nicht besonders wohlgesonnen war, er war ja geradewegs eine wandelnde Zielscheibe. Kurz ausgedrückt, es würde höllisch schlimm werden. Die Ohren zuckten zurück, als die anderen auf Teyjen reagierten.

Umso stärker rauschte dann eine Welle der Erleichterung durch seinen Körper hindurch und hinterließ nur noch das bittere Gefühl von Scham. Mit allem was er von sich gab, machte er sich scheinbar lächerlich und doch hielten diese zwei Wölfe ohne Wenn und Aber zu ihm. So viel Verständnis hatte er gar nicht erwartet. Oder vielleicht doch. Ganz tief im Inneren des Jungwolfs hatte er gespürt, dass Skadi und Lynx auch diesmal auf seiner Seite waren, das wurde langsam aber sicher auch für ihn zur Gewohnheit. Trotzdem musste er sich dankbar zeigen und er versuchte stillzuhalten.

Seine unangebrachte, unhöfliche lautmalerische Äußerung über seinen Unwillen hätte ihm ebenso gut eine saftige Standpauke oder Zurechtweisung einhandeln können, die der Jungwolf im Moment nicht wirklich ertragen hätte können. Die Pfoten wollten sich immer noch nicht beruhigen und tapsten wie wild im Schnee.
Aber der Rückhalt, den er spürte, tat ihm gut.
Sie ließen ihm die Wahl, ohne ihn zu bedrängen, ließen ihm den Platz den er brauchte, wenn er nur einen Mucks machen würde. Beide, sowohl Skadi als auch Lynx, hatten ihm bestätigt, dass sie auf ihn Rücksicht nehmen wollten, doch das konnten sie natürlich nur, wenn Teyjen sagte, was Sache war, und endlich Farbe bekannte, das fiel auch dem Jungwolf langsam auf. Dabei konnte er nicht einfach über das Leben anderer Wölfe bestimmen! Genauso wenig wie er wollte, dass man über ihn herrschte, konnte er nun seinen Freunden Befehle erteilen und womöglich damit ihr Leben verspielen. Die Frage war nicht, ob die beiden mit ihm kommen würden, sondern ob sie dann mit seiner Entscheidung glücklich wären. Wer sagte ihm, dass die Fähe und der Weiße denn wirklich mitkommen wollten? Hatte Skadi, von der Beziehungskiste mit Niyol abgesehen, unter den Restlichen nicht auch noch Freunde und Bekanntschaften? Auch der Weiße schien den grauen Wolf zu mögen, wollte Teyjen wirklich eine sich anbahnende Freundschaft zerstören, selbst wenn er darüber nicht glücklich war? Das alles machte ihm Kopfschmerzen. Diese Entscheidung war viel zu groß, um von einem Jungwolf getroffen zu werden, das war unmöglich seine Aufgabe. Jemand anderes sollte sich entscheiden.

Alles, was er dann tat, war einmal kräftig zu nicken, damit die anderen wussten, dass er ihre Worte zur Kenntnis genommen hatte. Statt sich zu entscheiden, rückte er näher an Skadi, sodass sich sein Hinterbein gegen ihres drückte und er das Gewicht nach vorne verlagern konnte. Somit waren auch seine Pfoten einigermaßen ruhiggestellt.
Teyjen wollte einfach keine Wahl treffen, denn er war nicht bereit, die Folgen zu tragen. So sehr ihn die anderen auch störten, umso unerträglicher wäre sein schlechtes Gewissen gewesen, das wusste er. Mit einem solchen Gefühl hätte er unmöglich leben können, da waren ihm diese paar Wölfe um einiges lieber. Er würde nun warten, dass die Gruppe von allein wieder zersplitterte, ohne dass er selbst Schuld daran war. Irgendwann würde schon jemand seine Streitsucht nicht mehr halten können und das Rudel wäre wieder um einige Köpfe kleiner. Bis dahin musste er sich nur ein wenig gedulden und die Zähne zusammenbeißen. Die anderen konnte er nur ignorieren, um nicht ständig wie Espenlaub zu zittern. Er schnaufte gequält. Jetzt musste er nur noch hoffen, dass Takata sich ins Zeug legte und ihre Zunge nicht mehr zügeln würde, damit seine Wünsche so bald wie möglich in Erfüllung gingen.

(bei Skadi, Lynx, Niyol; die anderen etwas abseits)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
18.04.2015 20:46 Forum: Das Tal

Für ganz kurze Zeit, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, dachte Teyjen wirklich, Skadi würde ihn verraten und einfach ans Messer liefern. An Niyol, eigentlich. Er war schon darauf eingestellt, wenn er müsste, ein langes, gequältes Heulen hinter ihr herzuschicken, sollte sie sich wirklich gegen ihn entscheiden, ihn bei diesem seltsamen Grauen lassen und davonspazieren, um was auch immer zu tun. Seine Rute zuckte vor Anspannung und Nervosität. Er wartete und hätte beinahe gewinselt.
Doch schneller als schließlich erwartet stand fest, dass die Fähe bei ihnen bleiben würde und nirgends hinging, was einen kräftigen Ruck durch den kleinen Wolfskörper schickte. Diese Tatsache schien ihn dermaßen zu überraschen, dass sein Körper wie gelähmt war, obwohl er es doch immer als Selbstverständlichkeit angesehen hatte, dass Skadi, und auch Lynx, ihn nie im Stich lassen würden. Immerhin waren sie eine Familie.
Es dauerte aber noch ein paar Augenblicke länger, bis der panische Gesichtsausdruck endlich verschwunden war und die Augen nicht mehr hilfesuchend über die Gesichter der anderen streiften. Dann erst merkte Teyjen, wie er vor Anstrengung ein wenig zu zittern begann. Er konnte nicht sagen, was es war, aber diese Situation schnürte ihm die Kehle zu. Selbst der Schnee unter seinen Pfoten fühlte sich plötzlich zu heiß an und er trippelte unaufhörlich auf der Stelle. Es lag an diesem Niyol.
Skadi schien auch nicht gut auf ihn zu sprechen zu sein, der Ton ihrer Stimme würde Teyjen verletzen, würde sie ihn gegen ihn einsetzen, so rau kam er ihm vor. Womöglich war er es gar nicht. Teyjens Sinne wurden durch irgendetwas gestört.
Was auch immer zwischen ihnen vorgefallen war, Teyjen verstand die Streiterei nicht, aber er fand sie auch nicht gerade unangemessen. Alles an diesem grauen Wolf roch förmlich nach Ärger. Nicht einmal Tihar hatte so danach gestunken. Niyol machte den Jungwolf nervös, wie er mit ihm sprach, wie er mit Skadi sprach, einfach seine Art zu sprechen. Unauffällig drehte er den Kopf von ihm Weg, damit er ihn nicht unabsichtlich anstarrte.
Lynx schien den Gestank des Wahnsinns nicht zu riechen, der von Niyol ausging, er versuchte es auf die freundliche Art. Teyjens Rute zuckte wieder. Eigentlich wollte der Junge nicht lauschen, die ganze Sache zehrte an seinen Nerven, alle hier wirkten irgendwie fehl am Platz, alle außer Skadi. Die Fähe gab ihm so etwas, dass er vielleicht Halt nennen konnte, indem sie einfach nah bei ihm war.

Was Lynx dann vorschlug, kam nicht überraschend, im Grunde wäre alles darauf hinausgelaufen, aber die Tatsache, dass der Weiße es aussprach, ließ eine Welle aus Panik in ihm losbrechen.
Teyjen wollte nicht, dass die anderen mit ihnen gingen. Takata alleine stellte für sein kleines Rudel schon ein riesiges Problem dar, wie sollte er mit zehn weiteren Fremden und Halbfremden in unmittelbarer Nähe leben und dabei nicht die Nerven verlieren? Wenn Niyol ihn schon wie einen Welpen zittern ließ? Jetzt wo sein Bruder nicht da war, der ihm alles und jeden vom Leib halten würde. Dem ein Blick genügte, und er hätte den Grauen vor dem nächsten Wimpernschlag aus Teyjens Gefahrenzone bugsiert, ohne dass er es auch nur merkte.
Als er Lynx ansah, rollte ein unkontrollierter, wenig erfreuter Laut aus seinem Mund, der seine Unzufriedenheit spiegelte und den er am liebsten nie gemacht hätte. Blitzschnell schloss er das Maul. Er biss sich auf die Zunge, bis es wehtat und drehte sich noch weiter von ihnen weg. Seine Rute tanzte wie verrückt. Hoffentlich hatte es niemand gemerkt. Die Vorderpfote zuckte nach vorne weg und er fiel fast auf die Nase. Irgendwas lag in der Luft.

(in unmittelbarer Nähe – Lynx, Skadi und Niyol)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
28.03.2015 21:32 Forum: Das Tal

Angespannt und voller Vorfreude wartete er auf eine Antwort, während seine Pfoten sich stärker in den Schnee stemmten. Ohne es zu wollen wanderte seine Rute steil nach oben und die Ohren spitzten sich quasi von selbst. Nur ein Ton würde ihm genügen, mehr brauchte er nicht. Nur ein Zeichen, dass alles wieder zum Alten zurückkehren würde und der ganze Spuk ein Ende hätte. Die Götter hatten sich diesmal, was das Schicksal des Jungwolfes anging, nur kurz geirrt und waren dabei, alle Fehler wieder zu begradigen. In seinen Ohren rauschte das Blut. Vor lauter Glück zersprang ihm fast die Brust.

Teyjen wartete. Aber Kyevjen gab keinen Mucks von sich. Stattdessen bewegte sich die Sandfarbene und schob sich schützend vor ihn, und versperrte ihm dadurch ein wenig die Sicht aufs Geschehen. Sie tat fast so als müssten sie sich für einen Anschlag wappnen. Sie sollte Teyjen lieber den Weg freimachen, damit sein Bruder ihn sofort sehen würde, wenn er und die Truppe endlich gänzlich in Sicht waren. Nichts, aber auch rein gar nichts sollte ihr Wiedersehen auch nur für eine Sekunde verzögern. Unruhig trappelte er ein wenig herum, versuchte über Skadis Rücken hinwegzuschauen und reckte den Hals. Vor Anspannung begann sein Körper zu zittern. Gleich, gleich würde sich alles zum Guten wenden. Dann fiel sein Blick wieder auf Skadis Fell. Was war nur los mit ihr? Mit wachen Sinnen musterte er die Fähe und wartete trotz Vorfreude geduldig auf das, was bald kommen würde. Oder vielmehr wer.

Mit einem zunehmend unangenehmeren Gefühl versuchte er ihr Verhalten zu verstehen.
Skadi hatte doch nicht etwa jemanden gewittert, der ihnen Böses wollte? War Tihar doch zurückgekehrt? Teyjens Kopf schnellte hoch, doch die Truppe war noch zu weit weg, um jemanden erkennen zu können, wobei ihm die Gerüche, die zu ihnen strömten, auch nichts sagten. Vielleicht mochte er ein paar von diesen Wölfen kennen, aber ihm fielen keine Namen ein. Und wenn schon, die Alphafähe hatte ihn schon einmal vor Tihars Zähnen gerettet und sie würde es mit Sicherheit wieder tun. Vorsichtig schielte er nach unten. Würde sie?
Allein der Gedanke daran bereitete ihm Bauchschmerzen.
Sein Hirn materte, aber als er so nachdachte, schien ihn nicht einmal das mehr zu beunruhigen. Er war gerade im Begriff, seine Familie wiederzufinden, ihm konnte überhaupt nichts anhaben.

Der Wolf, der auf sie zupreschte, war nicht Kyevjen. Um genau zu sein, glich er ihm nicht einmal im Geringsten. Wie hatte er die beiden anfangs noch verwechseln können?
Der Neue kam unausweichlich näher, geradewegs auf Teyjen zu, zumindest glaubte er das. In Wahrheit aber blieb er ein gutes Stück von ihm entfernt, da Skadi immer noch wie ein Fels vor ihm aufragte.
Aufmerksam folgte er dem Wortwechsel zwischen den beiden, und langsam erkannte er den fremden Rüden wieder. Eigentlich war er gar nicht so fremd, wie der Kleine geglaubt hatte. Wie hieß er doch gleich?

Der Jungwolf war überrascht, mit welcher Leichtigkeit sein Gegenüber sprach. Es sah fast so aus, als würden die Worte ganz unbewusst aus seinem Mund purzeln, als müsste er sich nicht vorher überlegen, was da aus seinem Mund kam. Auch Skadis Autorität schien ihn dabei nicht zu stören. Teyjen hätte nie im Leben den Mumm für solch freche Antworten gefunden. So sehr er den Wolf für seinen Mut auch bewunderte, er hatte etwas an sich, das dem Kleinen Angst machte. Diese offene, impulsive Art war ihm nicht ganz geheuer, weshalb er ein wenig Abstand zwischen sie beide bringen wollte und ein Stück zurückwich. Unwillkürlich war seine Rute wieder zwischen seine Beine gewandert.

Die nächsten Worte des Rüden waren an Teyjen selbst gerichtet und ließen sein Herz für ein paar Sekunden aussetzen. Der Jungwolf verstand ihn erst, als die Worte schon längst verklungen waren. Als Folge gab es eine Gefühlsexplosion, tief in seinem Bauch, die ihm fast das Fleisch aus seinem Magen wieder aufsteigen ließ. Kyevjen nicht bei ihnen? Wo konnte er denn sonst noch sein? Die Landschaft begann sich langsam zu wiegen und die Sicht wurde schummrig und verschwamm allmählich. Welches Wunder? Dass sie ihn nicht gefunden haben? In seinen Ohren hallte sein lauter Atem. Laut. Sehr laut. Ein paar Schritte wankte er zurück, weg von den beiden, bis sein Hinterteil in den Schnee fiel. Nein, unmöglich. Nein. Nein. Nein! Mit jedem Schritt, drehte sich alles nur noch schneller. Wo war sein Bruder? Vorsichtig lugte er noch einmal an die Stelle am Horizont, wo ein ganzer Haufen Wölfe auf sie zu marschierte. Aber Kyevjen war nicht dabei. Sie mussten in die andere Richtung losziehen und ihn suchen!

Dann bemerkte er, wie der andere Skadi überreden wollte, Teyjen mit ihm allein zu lassen. Nicht sie auch noch. Fassungslos sah er den Rüden an, dann schwenkte sein Blick hilfesuchend in Richtung Lynx. Zuletzt suchte er Skadis mit seinen Augen, die förmlich schrien, dass sie nicht gehen durfte!

(bei Lynx, Skadi, Niyol; Takta, Zita, Pilgrim; Shiro, Marrok, Catori etwas entfernt)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
25.02.2015 10:57 Forum: Das Tal

Teyjen ließ den Kopf hängen und schaltete auf stumm. Er wollte das Gezanke der beiden Fähen nicht hören. So gern er die Sandfarbene auch hatte und so wenig er Takata ausstehen konnte, einen Streit zwischen den beiden konnte er nicht gutheißen. Deshalb versuchte er deren Stimmen einigermaßen auszublenden. Außerdem musste er nicht zuhören, um zu wissen, dass er, was auch immer die beiden schlussendlich entscheiden würden, immer auf Skadis Seite stehen würde. Die Braune war Teil Teyjens kleinen Rudels, Takata hingegen verhielt sich ihnen gegenüber eher wie ein unerwünschter Eindringling. Der Kleine wusste nicht woher, aber er war sich ziemlich sicher, dass die Weiße das auch fühlen konnte. So wenig er sie, die ständig Streit erzeugte, auch bei sich haben wollte, war ihm bewusst, dass sie ganz alleine war. Sie würden sich also von ihr begleiten lassen müssen, denn in Gefahr wollte sie der Jungwolf unter keinen Umständen bringen. Aber von einer Wegbegleiterin zu einem Familienmitglied war es ein langer Weg, den die Weiße wohl nie bestehen würde.

Trotzdem gab es etwas tief in ihm drin, das ihm einen Stich versetzte, immer wenn er einen Streit mitbekam. Das war etwas, das Kyevjen ihm immer eingebläut hatte. Sein Bruder war schon immer ein Friedenstifter gewesen. Und jetzt, da sie ihn brauchten, war er nicht zur Stelle. Niemals hatte Teyjen daran gedacht, dass dies einmal passieren würde.

Während er die anderen so gut es ging ignorierte, versuchte er sich ein wenig abzulenken, indem er heimlich, still und leise mit seiner Pfote im Schnee spielte. Zuerst schob er ihn nur ein wenig zu Seite, dann begann er, Muster zu ziehen. Die Ohren hatte er dabei streng nach hinten gerichtet. Trotzdem wollte die Anspannung in der Luft nicht vergehen.

Doch auch dieses Spiel wurde bald langweilig und er sah auf. Eines seiner Ohren drehte sich unterschwellig nach vorne. Dann wehte plötzlich ein Windstoß über die Gruppe hinweg und trug einen fremden Geruch zu ihnen herüber. Noch bevor er den Duft entschlüsselt hatte, sprach Lynx es aus: Wölfe.

Nachdem der erste Schreck verflogen war, nahm der Jungwolf sofort seine altbewährte, etwas geduckte Haltung an und schaute zu Boden. Das Herz schlug ihm bis zur Brust. Nach einer schier unendlich langen Zeit begriff er. Shiro war auf dem Weg zurück zu ihnen, und sie hatte andere Wölfe mit im Schlepptau. Leider war Teyjens Nase nicht gerade darauf trainiert, andere Wölfe zu erschnuppern, das hatte Kyevjen immer für ihn getan, deshalb blieb ihm ein Rätsel, wen die Schwarze mitgebracht hatte. Sein erster Gedanke galt dem anderen schwarzen Wolf, den er kannte, doch er machte ihm keine Angst. Noch nicht. Den Göttern sei Dank, stand er doch in Skadis Nähe, sie würde sich wieder schützend vor ihn stellen, damit Tihar keine Chance hatte, ihm auch nur nahezukommen.

Erst der zweite Gedanke, und das schmerzte ihn, galt Kyevjen. Ihm kam es wie ein Wunder vor. Warum sollte Shiro sonst zurückkommen, als wenn sie seinen Bruder gefunden hatte? Die Vorfreude lag ihm wie ein Stein im Magen. Endlich würde Teyjen ihn wiedersehen. Die vergangene Zeit fühlte sich plötzlich wie Jahre an, aber seine Sehnsucht war wie am ersten Tag.
Der Jungwolf erkannte einen Wolf, der direkt auf sie zu rannte, und fast wäre er ihm entgegen gesprungen, hätte dieser nicht auf Lynx‘ Heulen geantwortet. Teyjen stellte fest, dass er die Stimme nicht kannte. Erst beim zweiten Mal hinsehen fiel ihm auf, dass es nicht sein Bruder war.
Er schnupperte angestrengt, doch Kyevjens Geruch schien von den anderen überdeckt zu werden.
Deshalb nahm er all seine Kraft zusammen und stieß ebenfalls ein Heulen aus.

„Kyevjen!“, schrie er so laut er konnte.

(Bei Lynx, Skadi und Takata, später auch Niyol, Shiro, Marrok, Catori, Zita und Pilgrim)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
04.02.2015 21:31 Forum: Das Tal

Nervös und geduckt schlich er hinter Lynx nach draußen. Skadi und Takata schienen noch immer zu reden, doch noch verstand er sie nicht. Teyjen wartete nur darauf, etwas von ihrem Gespräch zufällig zu überhören, aber der Weiße sorgte dafür, dass die Fähen merkten, dass sie beide im Anmarsch waren.
Der Kleine spürte förmlich, wie eine schwere Last von seinen Schultern genommen wurde, als Lynx und er ins Freie traten. Nun würde sie kein Fels mehr in der dunklen Höhle einsperren und von den anderen trennen können, aber trotzdem könnten sie immer weiter in eine Falle tappen. Eine Falle, die Mutter Natur ihnen stellte. Unweigerlich warf er einen verschreckten Blick nach oben. Die Hänge waren ruhig, kein Anzeichen für Geröll oder sonstiges. Dennoch konnte der Jungwolf nicht aufatmen.

Vielleicht mochte es Teyjen manchmal schwerfallen, Situationen richtig zu deuten, doch in diesem Fall lag geradezu ein Knistern in der Luft. Was auch immer die beiden Fähen vorhin beredet hatten, es war kein Gespräch unter Freundinnen gewesen. Deutlich war die Anspannung zwischen ihnen zu fühlen, auch wenn er nicht wusste, was der Grund dafür war.
Sein Blick glitt langsam zu Takata, der die Unbequemlichkeit ihrer Lage ein wenig anzusehen war. Doch daran störte er sich nicht. Auch wenn es Teyjen bedauerte, wie er über die weiße Wölfin dachte, so konnte er nicht abstreiten, dass er sie nicht sonderlich mochte. Aber er würde es ihr nicht zeigen, das würde seinem Bruder nicht gefallen.

Auch Skadi schien nicht gerade glücklich zu sein. Ein wenig hatte er Angst, dass bald eine schlimme Streiterei ausbrechen würde, die auch Lynx und ihn mit hineinzog, und dass sich alle plötzlich über seinen Kopf hinweg Schimpfwörter zurufen würden. Nichts war ihm mehr verhasst als Streitigkeiten unter Freunden. Solange Skadi und Takata sich uneinig waren, sich aber trotzdem höflich unterhielten, akzeptierte Teyjen sein Schicksal, doch würden Lynx und Skadi sich einmal in die Haare kriegen, wüsste er nicht, welche Seite er wählen musste. Diese Qual der Wahl würde ihn innerlich zerreißen, wobei seine Nerven ohnehin schon zum Zerreißen gespannt waren. Am Schluss würde er vermutlich alleine übrigbleiben. Alles, was der Jungwolf wollte, war ein Rudel, und kein Haufen sich streitender Wölfe.

Keineswegs war Takatas Aufruf, sich in Bewegung zu setzen, eine Erleichterung, denn etwas in ihrer Stimme missfiel ihm. Da war etwas, dass sie ihnen nur unterschwellig mitteilte, aber Teyjen verstand es nicht. Er war nie wirklich gut darin gewesen, mit Worten umzugehen, und er würde mit Sicherheit nicht danach fragen und seine Ahnungslosigkeit offen zur Schau stellen, obwohl es ohnehin bereits jeder wissen sollte. Vor allem der Weiße musste wissen, wie unbeholfen sich Teyjen oft anstellte, und wenn er an sein Verhalten in der Höhle zurückdachte, wurde er rot. Prüfend sah er zu Boden, aber seine Pfoten zitterten nicht mehr.
Verstohlen wandte er den Kopf in Lynx‘ Richtung, in dessen Gesicht jedoch nichts Auffälliges zu lesen war. Wenigstens tat der als Einziger etwas, um das Schweigen zwischen den Rudelmitgliedern zu brechen. Als er wieder von seiner Vergangenheit anfing, musste Teyjen unglücklicherweise wieder an die großen Raubvögel denken, die Welpen auf den Fjorden die Augen auspickten. Ihm fröstelte dabei.

Lieber zog er sich ein Stück zurück, um sich etwas von diesem Gespräch zu entfernen und gelangte immer weiter in Skadis Nähe. Für einen kurzen Moment wurde seine Angst von der Neugier überlagert. Es interessierte ihn vielmehr, was wohl vorhin ihr Gesprächsthema war. Der Jungwolf wollte zwar nicht unbedingt selbst reden, aber wenn andere es taten, hörte er eigentlich gerne zu. Wenn sie ihm aber nicht von allein alles beichten würde? Sollte er sie fragen, worüber Takata mit ihr gesprochen hatte?
Der kleine Wolf entschied dann aber für sich, dass es damit nicht eilte. Wenn Skadi es so wollte, würde sie selbst damit anfangen. Vielleicht würde er sie später einmal fragen. Später. Oder auch nie. Ja, nie klang gut.

(bei Skadi, Takata und Lynx – außerhalb der Höhle)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
07.01.2015 21:29 Forum: Das Tal

Nichts schien den Jungwolf wieder beruhigen zu können. Es war nicht mehr Angst, was er da fühlte, er geriet nahezu in Panik! Seine Rute schlug unkontrolliert aus und auch seine Ohren drehten sich in alle Richtungen, als müsste er genau hinhören, um jede Gefahr frühzeitig zu erkennen. Wenn ein Stein herunterkäme, während Lynx und er noch in der Höhle waren, würde er sich das nie verzeihen. Auch wenn der Weiße ihn nicht verstehen konnte, Teyjen wusste sein Mitgefühl zu schätzen, selbst wenn er das nicht zeigen konnte. Zu nervös tapste er herum.

Es waren nicht diese Berge, vor denen der Kleine sich fürchtete, sondern riesige Mordstrümmer, die wahrscheinlich bereits um die nächste Ecke lagen und nur darauf warteten, dem Rudel den Weg versperren zu können. Solange die Bergkette sie nur flankierte, drohte ihnen keine Gefahr. Aber Teyjen hatte Angst, dass sie bald nicht nur an ihren Seiten auftauchen würden.
Je länger er darüber nachdachte, umso reeller schien sein Traum zu werden. Nichts konnte ihn hierhalten, doch genauso wenig wollte Teyjen aufbrechen, um schließlich wie vorhergesagt gegen die Felswände zu stoßen. Und um Himmels Willen, er wollte mit seinen Mutmaßungen nicht Recht haben! Als Lynx dann die Steinschläge erwähnte, war es um den Jungwolf geschehen. Er legte sich flach auf den Boden, als würden bereits Kieselsteine von der Decke regnen und er müsse in Deckung gehen, doch dem war nicht so. Wenn Kyevjen nur hier wäre, dachte er. Sein Bruder hätte den anderen auf seine ruhige Art erklären können, worum es dem Jungwolf eigentlich ging, doch so konnte selbst der kluge Lynx sein Angst nicht verstehen. Was konnte der Kleine nur tun, dass der Weiße ihn ernst nahm?

Dann konnte der Junge aufatmen. Endlich. Endlich hatte Lynx auch angedeutet, dass sie die Höhle verlassen sollten, je früher, desto besser. Hatte er kapiert, welche Gefahr auf sie lauerte? Aber selbst wenn sie aus der Höhle kamen, ohne dabei von einem Riesenbrocken zerquetscht zu werden, wer sagte ihnen, dass sie nicht genau in die Falle liefen? So leid es Teyjen tat, aber das würden sie erst wissen, wenn es soweit war. Bis dahin konnte er nur bitten und betteln, dass die Götter kein böses Spiel mehr mit ihnen treiben würden. Langsam kehrte Ruhe in den Wolfskörper zurück. Warum noch hierbleiben, wenn sie genauso gut wiedervereint mit Skadi und Takata vor dem Eingang sitzen konnten. Für den Jungwolf war die Sache klar. Sie mussten hier raus.

Er stand auf und nickte, um Lynx zu zeigen, dass er mit seiner Idee einverstanden war. Ohne ihn noch einmal anzusehen stapfte er Richtung Ausgang.

„Ich will nicht Recht haben“, nuschelte er mehr zu sich selbst.

Dann schaute er zurück zu seinem weißen Freund und merkte, wie ihn wieder die Angst beschlich. Seine Augen wurden groß.

„Was, we-wenn ich wirklich Recht ha-habe?“, fragte er leise.

(Bei Lynx in der Höhle, Skadi und Takata davor)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
17.12.2014 21:11 Forum: Das Tal

Teyjen zuckte zusammen, als er glaubte, ein Steinchen wäre gerade neben ihm zu Boden gegangen, doch als er sich umsah, war da nichts. Er musste es sich eingebildet haben. Ihm gefiel der Gedanke, noch länger in der Höhle zu bleiben, überhaupt nicht mehr. Wenn jetzt ein großer Stein herunterfallen würde, so wie in seinem Traum, wären sie eingeschlossen – und von Skadi getrennt. Aber Teyjen wollte nicht zulassen, dass ihm Steine erneut den Weg zu seiner Familie verbauten.

Er wurde schlichtweg mit jeder Sekunde nervöser, und auch die Tatsache, dass Lynx ihm die bittere Wahrheit über die Störche erzählte, machte seine Situation keinen Deut besser. Im Gegenteil – er fühlte sich dadurch nur noch mehr verunsichert. Wie konnten sie nur auf die Idee gekommen sein, dass sie als Wölfe fliegenden Vögeln folgen könnten?! Der letzte Steinbruch damals hätte ihnen eine Lehre sein sollen, die Götter haben ein Zeichen gegeben, und das Rudel hat es nicht gesehen.
Immer wieder fluteten Bilder der kargen Felswände seine Gedanken, dann sah er Lynx an. Sah er nicht, wie verdammt das ganze Unterfangen war? Wenn Teyjen nun Recht behielt mit seinen Annahmen und sie wirklich geradewegs auf das vorzeitige Ende ihres Weges zusteuerten, was würde dann passieren? Würden sie den Rückweg noch schaffen? Er konnte nicht länger warten.

„Da kommen Be-erge auf uns zu… u-unglaublich hoch.“

Selbst wenn Störche zwischenlanden mussten, bevor sie zu ihren Nistplätzen kamen, nichts konnte sie daran hindern, eine Bergkette ohne viel Mühe zu überfliegen. Wölfe hingegen würden nie und nimmer auf die andere Seite kommen. Dann traf es ihn wie der Blitz.

Was, wenn Störche Vögel waren, die ihre Nester in Felsspalten bauten, fernab jeglicher Feinde, unerreichbar für alle anderen? Dann würden sie das Rudel gerade Wegs auf die Berge, ihre Brutstätten, zu führen. Das konnte Teyjen nicht zulassen! Er verlor die Fassung.

„Lynx, w-wenn wir weiterg-gehen …. Werden St-steine uns begraben!“

Er war aufgesprungen und drehte sich nun ein paar Mal hilflos im Kreis. Der Jungwolf wusste weder aus noch ein. Doch er wusste, dass sie hier nicht bleiben sollten. Es war zu gefährlich.

(Lynx; Skadi, Takata – in der Höhle)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
04.12.2014 17:03 Forum: Das Tal

Ohne es zu merken hatte Teyjen wieder auf dem Boden zu trippeln begonnen. Obwohl er gedacht hatte, er hätte diese schlechte Angewohnheit endlich überwunden. Sie war ihm peinlich, denn so konnte jeder sehen, wie aufgewühlt und unbeherrscht er war. Aber eines musste er sich eingestehen: Es lockerte seine verspannten Muskeln ein wenig.

Eigentlich fand der Kleine es ja gar nicht schlimm mit Lynx zu sprechen, er mochte den Weißen und seine Anwesenheit hatte ihm schon oft Halt gegeben. Doch die Tatsache, dass Lynx nun eine Geschichte erwartete, die mehr was als nur ein blöder Kindertraum, setzte ihn immens unter Druck. Mit seinem verzögernden Einstieg hatte er sich bloß ein wenig Zeit verschafft, sonst aber nichts bewirkt.

Umso erleichterter war er, als der Weiße selbst begann, eine kleine Geschichte zu erzählen. Er konnte leise aufatmen. Teyjen genoss es, dass der Weiße wieder von seinem Meister zu sprechen pflegte, von seiner Familie, denn so nahm er dem Jungwolf ein klein wenig Angst. Dieser Meister war Kyevjen ähnlich, verdammt ähnlich sogar, deshalb verspürte Teyjen langsam Wehmut, aber auch eine unbegründete Hoffnung in ihm hochsteigen. Irgendwann würde er vielleicht selbst auch einem kleinen Jungen erzählen können, was ihm sein eigener Meister im Laufe seines Lebens so alles beigebracht hatte. Er würde dann genauso seine Geschichte erzählen, vom altbekannten Anfang bis zum noch verborgenen Ende. Dabei merkte er nicht, wie sehr er Lynx an den Lippen hing.

Plötzlich nahm die Erzählung eine schreckliche Wendung, aber der weiße Wolf sprach weiter wie zuvor. Es war, als merke er gar nicht, welch schlimme Phantasien er Teyjen damit in den Kopf setzte. Dabei wusste der Kleine doch nicht einmal genau, was ein Fjell überhaupt war! Möglicherweise hatte Kyevjen es ab und an gesagt, doch erinnern konnte sich der Jungwolf nicht. Es blieb die Hoffnung bestehen, dass Lynx seine Verwirrtheit nicht bemerkte und es bei diesem einen Mal beließ. Wahrscheinlich war es ohnehin besser so, denn wo Vögel Jagd auf Wölfe machten, dort musste die Hölle sein.

Der Gedanken daran, dass Vögel über ihm kreisten und nur darauf warteten, bis er sich schlafend auf dem Boden zusammenrollte, damit sie ihm, während er friedlich träumte, das Fell abziehen konnten, bestürzte den Kleinen und jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Wie viel Angst Lynx wohl gehabt haben musste, als sie dort waren, bei den Fjells. Er hatte zwar noch nie den Schnabel eines Vogels zu spüren bekommen, doch allein die Vorstellung tat unbegreiflich weh. Ob er auch einmal angegriffen worden war?
Teyjen saß nun wieder kerzengerade da und äugte zum Höhleneingang. Diese grausamen Tatsachen hatten ihn wieder in Alarmbereitschaft versetzt. Doch es war alles ruhig.

Er war noch immer tief in Gedanken, als Lynx seiner Erzählung eine urplötzliche Frage folgen ließ. Teyjen hatte bloß eine Antwort erwartet, dann hätte er ihm wohl von seinem Traum erzählen können, es waren sogar schon einige Pläne in seinem Kopf entstanden, wie er das Gespräch am besten über die Bühne bringen würde. Eine Zwischenfrage passte nicht in sein Konzept. Nach und nach wurde ihm bewusst, dass auch Lynx Antwort nicht in sein Konzept passte.
Er sah dem Wolf in die Augen, während er fieberhaft überlegte, wie er zu seinem alten Plan zurückkehren konnte, doch es war zu spät.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er sich durch seine vielen Überlegungen selbst abgelenkt hatte und gar nicht mehr wusste, was Lynx zuvor zu ihm gesagt hatte. Irgendwas über seinen Meister, aber alles woran er sich erinnerte, waren Vögel mit spitzen Schnäbeln und scharfen Krallen. Teyjen war verwirrt.

„Ww-as?“, fragte er mehr sich selbst als irgendjemand anderen. „Nein – Ja!“ Dann schüttelte er den Kopf.

Damit wollte er sagen, dass sie in seinem Traum vorgekommen waren, zumindest dachte er das, denn in Wahrheit hatte er noch nie einen gesehen. Aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es musste so aussehen, als hätte er ihm gar nicht zugehört. Je mehr er sich konzentrierte, umso schlimmer wurde es. Hektisch zappelte er herum und wandte das Gesicht ab. Weil er sich tatsächlich nicht mehr daran erinnern konnte, was Lynx zu ihm gesagt hatte, beschloss er, seine Antwort zu überspringen und gleich die nächste Frage zu stellen, die ihm schon seit geraumer Zeit auf den Lippen brannte.

„Warum f-folgen wir ihnen?“ Pause. Ein Bild von weit in die Höhe ragenden Felswänden tauchte vor ihm auf. „Wir kö-können ihnen ni-nicht ewig folgen.“

(bei Lynx in der Höhle, Skadi und Takata etwas außerhalb)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
09.11.2014 19:20 Forum: Das Tal

Die Stimmung war beängstigend gut. Seit Teyjen aus seinem seltsamen Traum erwacht war, hatte er keine spitze Frage oder blöden Kommentar gehört, es war fast so, als hätte diese Höhle alle etwas freundlicher und sanfter werden lassen. Vielleicht lag die Zeit des Streitens endlich hinter dem Rudel.

Teyjens Haltung war verkrampft und auch seine Gedanken waren alles andere als entspannt. Selbst während Lynx in Teyjens Augen die erschreckendste Geschichte, die der Jungwolf kannte, ein zweites Mal erzählte, konnte er seine Muskeln nicht dazu bringen sich zu entspannen. Obwohl er die Geschichte schon einmal gehört hatte, erschreckte ihn die Grausamkeit, die in ihr lag, doch nicht so sehr wie sie vielleicht sollte. Wohl oder übel hatte er begonnen, sich mit der Grausamkeit der Welt auseinanderzusetzen, jetzt, da er nicht mehr von Kyevjen beschützt wurde.
Doch so sehr er Lynx wegen seines Schicksals bemitleidete, so sehr bewunderte er ihn um das Glück, das er gehabt hatte. Die Götter mussten Lynx‘ Meister geschickt haben. Sie haben ihm jemanden geschickt, der ihn beschützen und ernähren konnte, solange der Weiße selbst es nicht tun konnte. Er hatte wirklich Glück gehabt.

Unweigerlich begann er Lynx‘ Leben mit dem seinen zu vergleichen. Auch er war gefunden worden, als er am hilflosesten war. Auch ihm haben die Götter einen Beschützer geschickt, der sich seiner annahm und ihn großzog. Und auch ihm war dieser Beschützer eines Tages gewaltsam entrissen worden. Wenn der Jungwolf es so betrachtete, waren sie sich ähnlicher als es auf den ersten Blick schien. War es vielleicht das, was Teyjen gespürt hatte, als er Lynx zum ersten Mal begegnet war? Hatte er ihn von Anfang an ins Herz geschlossen, weil sie gleich waren?

Der Kleine hatte lange Zeit damit zugebracht, darüber nachzudenken, wie viel ihn doch mit dem Weißen verband, dass er gar nicht merkte, wie Skadi sich aufrichtete. Erst als sie ihn zärtlich zwickte, hörte er auf zu überlegen, lächelte sie an und wackelte vergnügt mit den Ohren. Doch schon nachdem sie ihm gesagt hatte, dass er Lynx von seinem Traum erzählen solle, wich dieses Lächeln wieder aus seinem Gesicht. Er fühlte sich unwohl. Aber sie hatte Recht, jemand musste davon erfahren und wer war besser dafür geeignet als der verständnisvolle Weiße?

Nachdem er abgewartet hatte, bis auch Takata die Höhle verlassen hatte und er sich sicher war, dass die Weiße seine Erzählung nicht hören konnte, wandte er sich ein wenig mehr in Lynx‘ Richtung.
Er wusste nicht, wie er beginnen sollte. Jetzt, da er ihn erzählen sollte, wirkte sein Traum schrecklich kindisch und dumm, er spiegelte doch nur die Angst eines Jungen wider, oder etwa nicht? Wie froh er doch war, dass er Takata nicht davon berichten musste. Skadi hätte ihn vielleicht verstanden, aber die Weiße mit Sicherheit nicht. Für sie war er einfach nur jung und unerfahren.
Dann wagte er einen Anfang, während er immer den Eingang der Höhle im Auge behielt. Teyjen konnte keinesfalls mit der Tür ins Haus fallen, das würde seinen Traum noch dümmlicher wirken lassen als ohnehin schon, deshalb versuchte er, sich langsam vorzutasten.

„Hast d-du schon einmal ei-einen Storch gesehen? Ha-hat dein Meister sie dir g-gezeigt?“

(mit Lynx in der Höhle, Takata und Skadi etwas außerhalb)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
12.10.2014 19:49 Forum: Das Tal

Er hatte es schon lange nicht mehr getan hatte, aber diesmal träumte Teyjen. Vielleicht mochte es an seiner völligen Erschöpfung liegen, aber er träumte von grünen Wiesen und Bäumen, von Sonne und blauem Himmel, von alledem, was er schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Diese Landschaft kam ihm vertraut vor, sie war ganz anders als die Eiswüste und die karge Höhle, in der er sich gerade befand. Doch das alles war nicht echt, und trotzdem war Teyjen zum ersten Mal seit langer Zeit wieder froh. Denn wenn die Götter ihm auch all diese Dinge genommen hatten, die Erinnerungen daran hatte er sich bewahren können. Und gerade diese vertrauten Bilder spendeten ein wenig Trost, der den kleinen Wolf im Schlaf mit wohliger Wärme erfüllte.

Plötzlich formten diese abwechselnd an ihm vorbeiziehenden Bilder sich zu einem großen zusammen, einem weiten Horizont, über den sich ein strahlender, wolkenloser Himmel erstreckte, und dort oben, am Firmament, zogen lange schlanke Vögel dahin. Sie bildeten große Schwärme und flogen so sanft durch die Luft, dass sie zu schweben schienen. Teyjen entfuhr ein Laut der Bewunderung. Waren das Störche? Die Störche, von denen Takata die ganze Zeit gesprochen hatte?
Der Kleine starrte zum Himmel. Konnte es sein, dass sie endlich auf dem richtigen Weg waren? Vielleicht zogen sie wirklich in diesem Augenblick immer weiter Richtung Paradies!

Im Traum begann der Jungwolf zu laufen, rannte den sonderbaren Geschöpfen nach und begann als bald vor Freude zu hecheln. Bei keinem Schritt berührte Schnee seine Pfoten, nur grünes Gras glitt unter ihm dahin und mit rasendem Tempo jagte er den Vögeln nach. Sie waren schnell, aber Teyjen war mindestens genauso schnell. Jaulend und heulend lief er über die weite Ebene, der Sonne entgegen, mit den Störchen ständig fest im Blick. Teyjen kannte das Gefühl nicht, dass ihn so beflügelte, aber er wollte es nie wieder hergeben!

Doch dann legten die Vögel plötzlich an Tempo zu, er konnte nicht mehr mit ihnen mithalten und ehe er sich versah, waren sie aus seinem Blickfeld verschwunden. Dann türmten sich auf einmal große Felsformationen vor ihm auf, die ihn zum Anhalten zwangen. Die Brocken waren zu groß, um über sie zu klettern, und die Seiten erstreckten sich schier unendlich weit in beide Richtungen, also führte kein Weg um sie herum. Er saß fest. Es bestand keine Chance für den kleinen Wolf, den Störchen weiterhin zu folgen, denn er hatte keine Flügel, die ihn über die Felsen tragen könnten.

Er saß hier fest, konnte nicht mehr weiter und der einzige Weg schien dorthin zurückzuführen, wo er hergekommen war. Zurück zu den grünen Wiesen und Bäumen, der Sonne und dem blauen Himmel. Aber war es denn so schlimm? Er würde einfach wieder zurückgehen, dorthin, wo es ihm doch so gut gefallen hatte. Teyjen wollte sich aufmachen und gerade seinen ersten Schritt tun, als er merkte, dass er zu müde war, um gleich die ganze Strecke zurückzurennen. Er musste sich zuerst ein wenig ausruhen, eine Rast einlegen, dann würde er den Rückweg antreten.
Zusammengekauert und hinter einen Felsvorsprung geduckt, versuchte er dem eisigen Wind zu entkommen, der wie aus dem Nichts kommend durch seinen Pelz blies. Er war so stark, dass er regelrecht in Teyjens Ohren pfiff und in ihm ein Gefühl von Unbehaglichkeit entstehen ließ.
Dann ging alles ganz schnell.

Der Boden begann zu vibrieren und noch bevor der Jungwolf wusste, wie ihm geschah, stürzten Felsbrocken dicht vor ihm in den Schnee. Es regnet Steine vom Himmel, dachte Teyjen geschockt, denn es war nicht das erste Mal, dass so etwas geschah.
Ohne darüber nachzudenken sprang er auf und stürzte aus seinem Versteck, als ein Felsen ihn zu zerquetschen versuchte – er musste hier weg. Er musste hier weg! Die Steine würden ihn begraben. Er musste schleunigst hier weg! Sein Plan war es, dicht an der Wand entlangzulaufen, so würden die Steine ihn nicht so leicht treffen, als wenn er von der Felswand weglaufen würde, denn über ihm schien es weiter Felsvorsprünge zu geben, die die Felsbrocken in einem Bogen zu Boden springen ließen. Immer wieder wich er größeren Brocken aus, die doch gefährlich nahe an der Wand herunterkamen, doch der kleine Kiesel ergoss sich wie ein Sommerregen auf den Kleinen. Sein Körper schien Angst zu empfinden, aber sein Geist war völlig ruhig, denn er wusste, dass ihm eigentlich nichts geschehen konnte. Es war ein Traum, nur ein Traum. Trotzdem rannte er und duckte sich unter dem Schwall aus Steinen hinweg.

Und da tat sie sich auf – dieselbe Höhle, die sie gefunden hatten, fand er nun auch im Traum. Er war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, aber es war womöglich seine einzige Chance. Eilig rannte er auf den Schlund in der Felswand zu und verschwand kurz darauf in der sicheren Höhle. Aber gerade als er sich umdrehte, sah er, wie ein großer Stein, größer als alle vorherigen, vor den Eingang stürzte und ihn blockierte.

Ein enormes Beben ging durch den Boden, und ein Ruck durch Teyjens Körper, als er wieder aus seinem Traum erwachte. Dabei hatte er wohl Skadi einen leichten Tritt verpasst, doch das war nicht weiter schlimm. Denn viel mehr beschäftigte ihn das, was er in seinem Traum gesehen hatte. Waren sie wirklich auf dem richtigen Weg oder warteten sie nur noch darauf, endlich die Felswand zu erblicken, die ihnen endgültig das Weiterziehen unmöglich machte? Sollten sie zurückgehen, so wie Shiro es getan hatte?

Dann musste der Jungwolf unweigerlich an den großen Felsen denken, der das Loch der Höhle verschlossen hatte. Waren sie hier drinnen sicher? Waren sie überhaupt irgendwo sonst sicher?
Obwohl er durch dieses Bisschen Schlaf noch nicht ganz fit war, entschied er sich, wach zu bleiben. Er wollte die anderen warnen können, falls der Boden wie im Traum zu beben beginnen würde. Er musste es tun, denn vielleicht war dieser Traum ein schreckliches Omen gewesen.

(Bei Lynx, Skadi und Takata – in einer Höhle)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
27.09.2014 13:33 Forum: Das Tal

Sie gingen und gingen und gingen. Wie lange sie schon so gingen, wusste er nicht, er hatte sein Zeitgefühl lange vorher verloren. Diese Wüste aus Eis schien keine Zeit zu kennen.
Der starre Blick, der allein den Boden unter Teyjens schmerzenden Pfoten fixierte, hatte sich seit Shiros Abschied kein einziges Mal mehr gehoben. Selbst wenn ein Bär neben ihm gestanden hätte, hätte Teyjen ihn nicht gesehen. Er hatte es aufgegeben, denn außer den schroffen Felsen und den unendlichen Weiten aus Schnee war ohnehin nichts auszumachen. Alles, was er sah, war, dass seine Beine langsam schwächer wurden und zu zittern begonnen hatten. Dabei konnte er nur von Glück sprechen, dass wenigstens sein Bauch gefüllt war.

Es musste bereits eine Ewigkeit vergangen sein, eine Ewigkeit aus Eis und weißem Schnee, der in den Augen stach, wenn man ihn zu lange betrachtete. Seine Beine waren schwer wie Klumpen aus Blei, aber er stapfte weiter. Er konnte nicht einfach stehenbleiben und das Rudel ebenfalls zum Halten zwingen, jede Pause stellte eine Verzögerung dar, die sie noch länger in dieser Schlucht gefangen halten würde. Allein die leere Versprechung, dass Kyevjen, sofern er noch am Leben war, ebenfalls den Störchen folgen und früher oder später wieder mit ihnen zusammenstoßen würde, ließ den Jungwolf weiterlaufen und sorgte dafür, dass er nicht vollends die Nerven verlor.

Dann sah er sie auch. Eine Höhle, die die anderen scheinbar vor ihm erblickt hatten, direkt vor ihrer Nase. Eigentlich war es zu gut, um wahr zu sein, denn bisher hatten die Götter es alles andere als gut mit ihnen gemeint. Der Kleine zögerte, die Situation war ihm nicht geheuer, doch auch Lynx, ja sogar Skadi, akzeptierte den unausgesprochenen Vorschlag der Weißen, sich hier niederzulassen und eine Pause einzulegen. Nach einigem Hin und Her sah auch Teyjen ein, dass er am Ende war und er diese kurze Zeit zum Verschnaufen unbedingt ausnutzen musste, so stark sein Wille, einfach weiterzugehen, auch war, seine Muskeln hatten längst aufgegeben. Daraufhin betrat auch der Jungwolf das Loch im Fels und suchte sich einen Platz zwischen Lynx und Skadi, die es sich beide schon bequem gemacht hatten. Ganz leicht spürte er Lynx Fell an seinem Rücken, was ihm ein kurzes Gefühl der Sicherheit gab, und so konnte er getrost den Kopf auf die Vorderpfoten legen und die Augen schließen. Im Halbschlaf begann sich er sich wieder zu strecken, bis seine Pfoten auch Skadis Fell berührten. Er musste einfach spüren, dass sie ihn nicht hier liegen gelassen hatten und einfach weitergezogen waren. Es war still in der Höhle, allein die Stimmen der Wölfe bildeten einen dumpfen Geräuschteppich, während Teyjen immer weiter und weiter im Reich der Träume verschwand. Dann würde es keine Sekunde mehr dauern, da war der Jungwolf bereits an Ort und Stelle eingeschlafen.

(mit Takata, Lynx und Skadi in einer Höhle)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
01.09.2014 20:01 Forum: Das Tal

Er spürte, wie ihm vor Scham ganz warm wurde. Shiro war schon zu weit weg, sie drehte sich nicht einmal mehr nach ihnen um. Teyjen biss sich auf die Zunge und tippte mit der rechten Pfote immer wieder in den Schnee. Er hätte nichts sagen sollen. Hatte er wirklich gedacht, dass Shiro nur wegen ihm zurückkommen würde? Dann war auch sie aus seinem Leben verschwunden, genauso wie Tihar. Nur dass ihm diesmal das Herz dabei wehtat. Dabei hatte der Kleine immer gedacht, Shiro und ihn würde etwas verbinden. Etwas, das sie vertraut und nicht mehr fremd wirken ließ, etwas Familiäres. Vielleicht war es auch einfach nur der Drang zum Überleben gewesen.

Auch Takata hatte ihr Glück versucht, aber zum Bleiben konnte man die Schwarze nicht mehr überreden. Das sah auch der Jungwolf ein. Shiro war dafür viel zu entschlossen. Und zu stolz. Aber sie ging nun einmal in die falsche Richtung und der Jungwolf wurde traurig bei dem Gedanken, seine ehemalige Begleiterin nie wieder zu sehen. Sie war Teil seines Lebens gewesen, Teil seiner Erinnerungen an das Leben damals, aber ganz besonders an Kyevjen. Die Fähe hatte ihm das Gefühl gegeben, dass seine Vergangenheit nicht durch einen Steinrutsch ausgelöscht werden konnte.

Doch im Grunde war Teyjen schon ein wenig an das Gefühl des Verlassenwerdens gewöhnt. Zu oft hatte man ihn schon alleine gelassen, und nun zeigte sich, wer wirklich für ihn da war. Er hoffte, dass nicht auch sie irgendwann das Weite suchen würden.
Skadi war die Erste, die das Thema für beendet erklärte, indem sie einfach weitermarschierte. Im Grunde gab es nichts mehr für das Rudel zu tun, als weiterzuziehen, aber etwas in Teyjen wollte den Moment des Abschieds nicht so schnell verstreichen lassen. Vielleicht war dies hier das letzte Mal, dass sie die Schwarze zu Gesicht bekommen würden.

Erst als Lynx dem Jungwolf auch ins Gewissen redete, wurde ihm klar, dass sie nun weitergehen würden. Ob es ihm passte oder nicht. Doch als der Weiße Teyjen dafür lobte, sich vor allen blamiert zu haben, schoss ihm die Röte ins Gesicht und er drehte sich schnell weg. Jedes Mal, wenn Teyjen seine Gefühle sprechen ließ, war eine Blamage nicht zu verhindern. Er war einfach nicht zum Reden geboren worden.
Der schneebedeckte Boden, der schier endlos vor ihm lag, ließ ihn erahnen, dass sie in nächster Zeit sowieso nicht viel zu bereden haben würden.
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
04.08.2014 15:42 Forum: Das Tal

Mit der Vorderpfote schob er ein wenig Schnee beiseite, das sollte ihn von den ständigen Streitereien ablenken und der Jungwolf war überrascht, wie gut es funktionierte. Hin und wieder ertappte er sich dabei, wie er genauer hinhörte, aber im Großen und Ganzen waren seine Ohren verschlossen.
Erst als es wieder ruhiger wurde und Shiro plötzlich umkehrte, schreckte er hoch. Was hatte er verpasst? Er beobachtete die Schwarze, wie sie sich vorsichtig ihren Weg zurück suchte. Wo wollte sie denn hin? Dort hinten war doch nichts als Eiswüste, gerade sie sollte das doch wissen!
Verwundert schaute er nach vorne, wo Takata zusammengesunken auf dem Boden kauerte. Was war los mit ihr? War sie jetzt verrückt geworden?

Dann schwenkte sein Blick rüber zu Skadi, die Shiros Abgang bloß mit ein paar knappen Worten bedachte. Wo war die Sandfarbene von vorhin, die um den Zusammenhalt der Gruppe bemüht war? Alle starrten sie der Schwarzen nach, ohne einzugreifen. Jemand musste etwas dagegen sagen!
In der Hoffnung, dass der Weiße endlich passende, ja sogar mahnende Worte parat hatte, wandte er sich wieder nach vorne, doch genauso wie alle anderen schien auch Lynx keine Einwände zu haben. Stattdessen rief er ihr noch Glückwünsche hinterher! Teyjen war enttäuscht von ihnen. Hätten sie den Jungwolf vielleicht genauso leichtfertig ziehen lassen? Plötzlich war er sich gar nicht mehr so sicher, ob sie ihn wirklich aufhalten würden, wenn er jetzt einfach umkehren würde.

Er wollte etwas rufen, wollte, dass sie zurückkam, aber weder wollte er den Zorn der Übrigen auf sich ziehen, noch wollte er einen erneuten Streit ausbrechen lassen. Der kleine Wolf biss sich auf die Zunge.

Während er den Rücken der Schwarzen betrachtete, wurde ihm klar, dass Tihar genauso gegangen war. Nur hatten sie ihm damals keine Glückwünsche hinterhergeworfen. Seitdem hatten sie den großen Schwarzen nicht wiedergetroffen, was wohl aus ihm geworden war? Ob er andere Wölfe gefunden hatte? Er war damals verletzt gewesen. Ob er gar tot war?

Daraufhin durchfuhr den Jungen ein Schauer, der ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Shiro durfte auf keinen Fall gehen! Egal, ob sie und Takata sich vertrugen oder nicht, es ging hier nicht um Lappalien sondern um das Leben eines Rudelmitglieds. Egal, ob man diese lächerliche Gruppe als Rudel bezeichnen konnte, doch bevor die Felswand sie getrennt hatte, waren alle Wölfe hier eine Familie gewesen, wenn auch nur für kurze Zeit.

Noch ehe er ein Wort sprach, betrachtete Teyjen sowohl Skadi als auch Lynx mit einem eindringlichen Blick, als würde er sie damit zum Reden zwingen können. Aber ihm war auch klar, dass sie bereits etwas gesagt hätten, wenn es ihnen ein Bedürfnis gewesen wäre. Damit blieb es an ihm hängen und er warf den Kopf in den Nacken.

„Shiro!“, schrie er, dann stockte er, weil er sich nicht überlegt hatte, was er eigentlich sagen wollte. Doch er wollte so viel sagen! Dann entschied er sich kurzerhand, einfach darauf loszureden.

„Du darfst ni-icht gehen!“ Während er versuchte, auf die Schwarze einzureden, hatte er sich tollpatschig auf dem Stand umgedreht und starrte jetzt an Skadi vorbei in Richtung der Schwarzen. Er wollte ihr sogar nachlaufen, doch das lockere Geröll unter seinen Pfoten machte deutlich, dass es keine gute Idee wäre. Dann musste er eben noch lauter schreien.

„D-dort hinten ist nichts als Ei-eis und Schnee. Tihar ist d-damals auch gegangen und wer wei-weiß schon, was aus ihm ge-geworden ist. I-Ich glaube nicht, dass e-er noch…“, dann hielt er inne. Ihm gefiel es nicht, seine Gedanken laut auszusprechen, aber vielleicht konnte er Shiro damit Angst einjagen und sie somit zum Bleiben überreden. Dann vollzog er einen plötzlichen Themenwechsel.

„Ich hatte da-damals Angst vor dir“, er bezog sich damit auf ihr allererstes Gespräch, kurz nachdem er mit Kyevjen auf das Rudel getroffen war. Als sie geredet hatten, war Teyjen irgendwann gegen sie getaumelt. Vielleicht würde diese persönliche Erinnerung ihm bei seinem Unternehmen behilflich sein.

„Aber dann wu-wurdest du Teil meiner Familie, genauso wi-wie Lynx, Skadi und…“, er zögerte einen Moment, „Takata. Willst du wir-wirklich alleine weitergehen? Ich glaube, da-dass wäre ein großer Fehler… “

Dann wurde Teyjen rot und schämte sich für alles, was er gesagt hatte. Nein, er schämte sich dafür, dass er überhaupt etwas gesagt hatte. Er wollte nicht den Helden spielen, denn er hatte ja selbst keine Ahnung vom Leben. Er wusste nicht, was es hieß, alleine zu sein. Seit Kyevjen ihn aufgenommen hatte, war er stets in Begleitung gewesen. Aber dann dachte er an Tihar, der vielleicht noch dort hinten wartete, und Shiro rannte ihm direkt in die Arme. Der Jungwolf versuchte sich unter den möglichen Blicken zu ducken und starrte ins Leere. Bitte sag jetzt nichts, dachte er, während er die Ohren anlegte. Er hatte einen Fehler gemacht und sich damit vor allen blamiert.

(Bei Skadi, Lynx, Takata und Shiro – etwas abseits)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
11.07.2014 19:06 Forum: Das Tal

Teyjen war in eine Starre verfallen und konnte sich nicht mehr bewegen. Einige Augenblicke vergingen, in denen er völlig hilflos da stand, den Kopf nach hinten gewandt, und auf irgendetwas wartete, das ihn aus dieser misslichen Lage retten würde. Verzweifelt starrte er Skadi an. Sie sollte ihm doch helfen! Alleine würde er es nicht schaffen. Seine Beine schienen ihm einfach nicht gehorchen zu wollen.

Doch plötzlich schrie Takata auf und ließ den Jungwolf zusammenfahren. Tihar war hier? Panisch sprang sein Blick hin und her, er suchte den Abhang nach seinem unübersehbaren schwarzen Fell ab, aber vom großen Ungetüm war keine Spur. Aber was, wenn er dort vorne bei Takata stand und nur darauf wartete, dass Teyjen an ihm vorbeikam? Dann würde er endlich seine Drohung wahrmachen können und ihn den Abhang hinunterstoßen. Der kleine Wolf begann zu zittern. Aber noch bestand kein Grund zur Sorge. Zumindest war der Schwarze noch so weit weg, dass er dem Kleinen unmöglich gefährlich werden konnte.
Dann vernahm der Jungwolf endlich Skadis Stimme hinter sich, doch anstatt ihm zu helfen, hielt sie Abstand und gab ihm zu verstehen, dass er sich diesmal selbst helfen musste. Doch wie sollte Teyjen sich helfen, wenn seine Beine nicht auf ihn hören wollten? Er war kurz davor die Nerven zu verlieren. Völlig überfordert starrte er auf die Spuren im Schnee, die ihn nur noch mehr verwirrten. Die Angst abzurutschen drängte sich nun immer mehr an die Oberfläche.

„Skadi, i-ich...“, setzte er an, doch noch ehe er zu Ende gesprochen hatte, kam Lynx ihm zur Hilfe.

Etwas verwundert dachte der Jungwolf über das nach, was der Weiße gesagt hatte, und langsam aber sicher kehrte das Gefühl in seine Pfoten zurück. Er hob vorsichtig die rechte Pfote, so wie der Weiße es ihm geraten hatte, und tatsächlich schienen die Abdrücke wieder zu passen. Er setzte sich in Bewegung. Vorerst kam er nur langsam voran, aber dann verfiel er wieder in seinen Rhythmus und tapste nun schnell hinter Lynx her, um den Anschluss nicht wieder zu verlieren. Der Abstand zwischen den beiden Wölfen war verschwindend gering, als der Jungwolf wieder zu ihm aufgeschlossen hatte. Teyjen musste sogar den Kopf zur Seite drehen, da ihn sonst die Rute des Weißen an der Nase gestreift hätte.

Shiro brach in eine hitzige Schimpftirade aus, die so voller Zorn war, dass Teyjen ein wenig eingeschüchtert wurde. Nie im Leben hätte er sich träumen lassen, dass die Fähe so aufbrausend und laut sein konnte. Für ihn war sie immer der ruhige, wenn auch oft pessimistische, Ruhepol gewesen. Da hatte er sich aber gewaltig getäuscht.
Dann mischte sich Skadi ein, gefolgt von Lynx. Jeder schien genervt zu sein, wenn auch die einen es etwas besser verbergen konnten. Der kleine Wolf selbst blieb stumm. Aber er wünschte sich, dass sie auch alle still wären. Die ganze Zeit über lag schon diese Spannung in der Luft, die sich nun mit einem schlag entladen hatte. Warum konnten sie nicht einfach den Mund halten? Schon so oft hatte Teyjen erlebt, wie Worte alles kaputt gemacht hatten. Ohne das Gerede wäre jeder besser dran. In Wahrheit wollte er nie mehr mit Shiro oder Takata reden.
Außerdem hatte es ihn nicht zu interessieren, worüber die anderen stritten, er durfte doch sowieso nicht mitreden. Deshalb hörte er nicht einmal hin.
Eingeklemmt zwischen dem weisen Lynx und der starken Skadi fühlte er sich wohl, sofern das in diesem Gelände möglich war. Die Angst, er könnte jeden Moment den Hang hinunterpurzeln, saß ihm trotzdem im Nacken.

Teyjen bewegte leicht den Kopf hin und her, dabei streifte er kurz Lynx Schwanz, doch es störte ihn nicht. Dann tat er einfach so als könnte er die anderen nicht hören.

(Bei Skadi, Lynx, Shiro & Takata)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
22.06.2014 10:25 Forum: Das Tal

Teyjen versuchte langsam, aber sicher vorwärts zu kommen. Unsicher tapste er durch den Schnee und trat ab und zu auf ziemlich spitze Steine, die sich schmerzlich in seine Pfoten bohrten. Seine Nase klebte dabei förmlich an Lynx‘ Rute, denn er hatte Angst, dass zu viel Abstand zwischen die beiden käme. Wenn er nicht mehr genau wusste, welchen Fuß Lynx in diesen Fußstapfen gesetzt hatte, würde er vielleicht noch stürzen. So konnte ihm nichts passieren.

Skadi war wie versprochen hinter ihm geblieben. Als der Kleine die Fähe hinter sich hörte, wurde ihm gleich viel leichter ums Herz. Obwohl der weiße Wolf bereits in jede einzelne dieser Fußspuren getreten war, versuchte Teyjen jeden seiner Schritte vorher zu prüfen, damit die Fähe ebenfalls sicheren Halt finden würde. Irgendwie fühlte er sich verantwortlich für ihre Sicherheit, denn er war es, der ihr den richtigen Weg zeigen musste. Das war er ihr schuldig.

Der Fehltritt Takatas hatte ihn nicht sehr erschreckt. Alles war viel zu schnell geschehen, er hatte sich nicht mal Sorgen machen können, da war sie schon wieder auf den Beinen gewesen. Aber trotzdem ging ihm das Szenario nicht aus dem Kopf. Was, wenn er der nächste war, der den Halt verlor? Oder Skadi? Würde die Fähe ihn mit sich in die Tiefe reißen?
Während seine Gedanken um andere Dinge kreisten, setzte er mechanisch seine Pfoten in den Schnee. Wäre Kyevjen jetzt hier, wäre auch er vor ihm hergegangen, genau wie Lynx. Wieder einmal wurde dem Kleinen bewusst, wie ähnlich sich die beiden doch waren.
Bei jedem lockeren Steinchen hätte der Große nach hinten gerufen und ihn vorgewarnt. Mit seinen Anweisungen hätte der Jungwolf es dreimal hoch und runter geschafft, ohne auch nur einmal ins Straucheln zu kommen.

Aber je mehr Teyjen versuchte, nicht an seinen verschollenen Bruder zu denken, umso öfter spukte er in seinem Kopf herum. In Wahrheit wollte Teyjen ihn gar nicht vergessen. Denn jedes Mal, wenn er ihn vor sich sah, meinte er, sogar die Wärme seines Pelzes spüren zu können. Er konnte ihn wahrlich vor sich stehen sehen.
Für einen kurzen Moment blieb der Junge stehen und atmetet tief durch. Mit geschlossenen Augen stellte er sich seinen Bruder vor, der dort vorne auf ihn wartete und ihm zurief, dass er vorsichtig sein sollte. Kraft kehrte in den müden Wolfskörper zurück, es war, als wäre Kyevjen zurückgekommen, um ihn sicher über diesen gefährlichen Weg zu führen.

Mit neuer Zuversicht warf er einen Blick zurück und sah Skadi, die immer hinter ihm war, also konnte er getrost weitergehen. Lynx war inzwischen ein paar Schritte voraus. Aber das war jetzt Nebensache. Immerhin hatte Teyjen Kyevjen, der ihn leiten würde. Doch mit jeder Sekunde des Zögerns verlor der Kleine den Überblick. Welche Pfote gehörte nun in welchen Abdruck? Unsicher tat er ein paar Schritte, doch die anfängliche Zuversicht verschwand langsam wieder. Er kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, Kyevjen würde ihm helfen. Sein Bruder lächelte ihn an.

Dann verlor er das Gleichgewicht.

„Kyevjen“, kam es entsetzt aus seiner Kehle.

Er sah, wie sein Bruder den Geröllhaufen hinunterschlitterte.

Teyjen riss die Augen auf. Sofort schnellte sein Blick zu der Stelle, an der der leblose Körper seines Bruders liegen musste. Doch da war nichts.
Es war bloß ein Stein gewesen, der sich gelöst hatte und dann vor Teyjen den Hang hinuntergerollt war. Er sah noch, wie er zwischen den anderen Steinen liegen blieb. Sein Herz raste immer noch. Für einen Augenblick hatte er wirklich gedacht, sein Bruder wäre in den Tod gestürzt. Seine Gefühle überschlugen sich. Teyjens Pfoten gruben sich tiefer in den Schnee. Er konnte nicht mehr weiter. Verzweifelt wandte er den Kopf zurück.

„S-skadi? Hilf m-mir.“

(Bei Lynx, Skadi, Shiro und Takata)
Thema: Kapitel IX – Neue Lande
30.05.2014 20:22 Forum: Das Tal

Teyjen starrte zu Boden, so wie er es schon seit geraumer Zeit tat. Seit sie aufgebrochen waren, hatte er vermieden, den Blick zu heben. Für ihn war alles gesagt, er wollte nur in Ruhe gelassen werden. Jede Berührung würde ihn zurückwerfen in das tiefe Loch, aus dem er gerade erst wieder herausgekrochen war. Alles, was er wollte, war die schmerzvollen Erinnerungen zu vergessen. Und trotzdem wollte sein Bruder nicht aus seinen Gedanken verschwinden.
Sollte der Kleine sich Vorwürfe machen, weil er sein eigenes Leben dem seines Bruders vorangestellt hatte, obwohl der Große seines ohne zu zögern für Teyjen aufgegeben hätte? Es bereitete ihm Kopfschmerzen. Im Grunde war es jetzt egal. Es war zu spät, um umzukehren, und außerdem völlig sinnlos. Wenn er jetzt noch gehen würde, würde er in sein eigenes Verderben laufen. Der Jungwolf schüttelte den Kopf, als könnte er so die bösen Gedanken vertreiben.

Die gesamte Zeit über war er hinter Shiro hergetrottet, es hatte sich einfach so ergeben, doch als die ganze Truppe ins Stocken geriet, begann er sich langsam zu fragen, ob es nicht besser wäre, Skadi würde die Führung übernehmen. Ihr traute er allemal.
Es war nicht so, dass Shiro nicht vertrauenswürdig genug war, aber sie war mit der Weißen gekommen, und bei Takata war er sich nicht so sicher. Vielleicht hatte er einfach Angst, dass sich die Vergangenheit wiederholen könnte. Wen würde die Weiße diesmal verlieren? Lynx? Oder gar sich selbst?

Trotzig schaute er auf, während die anderen scheinbar über eine bevorstehende Richtungsänderung diskutierten. Wohin immer es auch gehen würde, es machte keinen Unterschied mehr. Störche hin oder her. Der Kleine verdrehte leicht die Augen, als Takata sich auffallend in eine Richtung wandte, die sie für die richtige hielt. Aber nicht nur Teyjen war von ihrer Idee eher wenig begeistert, auch Shiro zeigte ihr Missfallen ganz offen. Skadi versuchte offensichtlich die Situation ein wenig zu entschärfen, doch gänzlich überzeugen konnte sie Teyjen nicht. Er war nicht gerne gemein zu der Fähe, ganz im Gegenteil. Jetzt, da er wusste, wie offen und gefühlvoll sie sein konnte, schätzte er ihre Anwesenheit umso mehr, aber im Moment zeigten die nervenaufreibenden Geschehnisse der vergangenen Tage noch ihre volle Wirkung.

Der Weg, den Takata ausgewählt hatte, war nicht gerade der bequemste. Langsam begann Teyjen an der geliebten Storch-Theorie der Weißen zu zweifeln. Die Vögel waren wohl einfach darüber hinweggeflogen, aber sie als Wölfe mussten bergauf, bergab, das war doch viel beschwerlicher. Wer sagte ihnen, dass sie nicht eines Tages vor einer riesigen, unumgänglichen Steinwand stehen würden? Dann wäre alles umsonst gewesen. Dann hätte er seinen Bruder umsonst zurückgelassen. Tief im Herzen hoffte er, dass es niemals dazu kommen würde. Aber er hoffte es nicht für sich, sondern für die Weiße. Würde sie das Rudel in die Irre führen, dann –

Die Sandfarbene riss den Jungwolf aus seinen düsteren Gedanken. Er fühlte sich etwas überrumpelt. Hatte Skadi schon lange auf ihn eingeredet? Es freute ihn, dass sich die Fähe um ihn sorgte, aber hatte er eine Wahl? Würden sie eine andere Richtung einschlagen, nur weil der Kleine es so wollte? Mit Nichten. Er nickte nur kurz, um Skadis Frage zu beantworten, und sah ihr dabei tief in die Augen, weil er glaubte, sich an ihnen festhalten zu können.
Plötzlich suchte der Kleine Lynx‘ Blick. Das Gefühl der Einsamkeit schlich sich langsam in sein Herz, doch das wollte er nicht zulassen. Er hatte Skadi und Lynx. Sie würden doch immer hinter ihm stehen, oder etwa nicht? Er musste es wissen. Er sprach leise, aber er wusste, dass sie ihn hören würde.

„Du b-bleibst hinter mir, S-Skadi“, versuchte er hervorzupressen.

Es war keine Frage gewesen, eher eine unsichere Feststellung. Zu wissen, dass sie hinter ihm ging, gab ihm die Sicherheit die er brauchte. Denn er suchte Halt. Das war es, was ihm fehlte. Und dieser Geröllhaufen vor ihm schien ihm diesen Halt auch nicht geben zu können.

(Bei Skadi, Lynx, Shiro & Takata)
Thema: Kapitel VIII – Gefahrenwege
18.04.2014 18:45 Forum: Das Tal

Teyjen war in eine plötzliche Starre verfallen. Er rührte sich nicht mehr. Die Welt um ihn herum wurde auf einmal viel leiser und ruhiger. Alles, was die anderen Wölfe sagen würden, schien nicht mehr von Belang zu sein. Er hatte seine Entscheidung bereits getroffen und irgendwelche anderen Äußerungen standen seiner Suche nach Kyevjen und dem Wiedersehen der beiden Brüder nur noch im Weg. Er wollte gar nicht erst hören, wie sie seine Entscheidungen in Grund und Boden reden würden. Niemand würde die Situation einfach so hinnehmen, kein einziger.
Und doch konnte er seine Ohren vor den vielen Worten, die auf ihn einprasselten, nicht verschließen. Er hörte jedes einzelne davon.

Takata, wie sie versuchte, ihm klarzumachen, dass er, wie immer, mehr als nur falsch lag. Er war dumm, ein dummer Wolf, seine Entscheidungen waren falsch. Wollte sie ihm das damit sagen? Der vorwurfsvolle, ja beinahe tadelnde Ton der Fähe schnitt ihm ins Fleisch. Er wollte sich dagegen wehren, aber die kräftige Stimme der Wölfin ließ seine Selbstsicherheit, die er sich so mühsam erkämpft hatte, gleich wieder verschwinden. So gern hätte er ihr gezeigt, dass sie es war, die falsch lag, dass er nicht so mit sich rumspringen ließ, dass er verdammt nochmal selbst im Stande war, Entscheidungen zu treffen. Aber er brachte es nicht über sich, ihr auch nur ein böses Wort ins Gesicht zu spucken. Das war er nicht, so war er nicht. Er war besser als das, das hatte Kyevjen ihm immer eingebläut. Stattdessen wandte er sich einfach von ihr ab. Selbst als sie einen weicheren Ton anschlug, er würde ihr nicht in die Augen schauen, dazu war sein Stolz zu verletzt.

Skadi zeigte sich im Gegensatz zur Weißen verständnisvoll, damit überraschte sie Teyjen wieder. Die Fähe, die sonst immer einen kühlen Kopf bewahrte und die Situation analysierte, war auf seiner Seite, war das nicht Beweis genug, dass er Recht hatte? Beinahe hätte er das auch Takata mitgeteilt, doch er kam im letzten Moment zur Vernunft. Aber auch der Alphafähe schenkte er keine Antwort, denn er wusste selbst nicht, was er dann tun würde. Im Vorhinein hatte er ja noch nicht einmal daran geglaubt, so weit zu kommen. Würde er einfach zurückgehen und Kyevjen suchen?

Als auch Lynx sein Glück bei dem Kleinen versuchte, begann die Botschaft langsam zu ihm durchzudringen. Wenn sie hier blieben, würden sie sterben. Elendig verenden. Das wollte Teyjen nicht, ganz und gar nicht. Er wollte lediglich seinen Bruder wiederfinden, war das denn so schwer zu verstehen? Vielleicht hatten Kyevjen und Teyjen eine Chance, und diese eine Chance wollte er sich auf gar keinen Fall nehmen lassen. Vielleicht würde es sogar seine letzte sein.
Takata und Shiro hatten nach ihm gesucht, aber ihn nicht gefunden. Hatten sie nicht gründlich genug gesucht? Nein, sie hatten zwei volle Tage lang die Augen nach irgendwelchen Spuren offen gehalten. Wäre sein Bruder noch da draußen, wären sie ihm begegnet. Eine Stimme in Teyjen aber schrie förmlich, dass sie sich täuschten. Der Kleine wusste nicht mehr weiter. Er konnte es sich nicht leisten, alleine übrig zu bleiben. Die Gruppe würde ohne ihn weiterziehen, weigerte er sich noch länger. Der Spalt in seinem Herzen wurde immer größer und tat plötzlich verdammt weh. Der Jungwolf krümmte sich vor Schmerzen und begann laut zu jaulen. Es hatte keinen Sinn. Sein ganzes Unternehmen war so konzipiert, dass entweder er, oder sein Bruder den Tod finden würde, ganz gleich, wie er sich entschied. Und so gern Teyjen sein Leben für das seines Bruders geben würde, wer sagte ihm, dass er Kyevjen auch wirklich finden würde? Dann würden sie beide sterben, alleine, getrennt von einander.

Als der Kleine aufhörte, sich selbst zu belügen, sah er endlich ein, dass die Chancen alles andere als gut standen, sie standen sogar verdammt schlecht. Er musste sich begreiflich machen, dass das Risiko einfach zu hoch war. Er konnte sein Leben nicht riskieren, wenn er nicht einmal wusste, ob Kyevjen überhaupt noch am Leben war, obwohl er selbst davon überzeugt war.
Nachdem er seinem inneren Ich die Entscheidung abgerungen hatte, wusste er, dass es keinen Zweck hatte, hier zu bleiben und höchstwahrscheinlich der Kälte oder dem Hunger zu erliegen. Er musste logisch denken, seine Gefühle mussten hintenangestellt werden. Und doch zerriss ihn der Spalt in seinem Herzen fast. Er schrie und zuckte unaufhörlich.
Dann begann sich der Schmerz langsam zu verflüchtigen, auch die Zuckungen hörten wieder auf, und ließen einen kraftlosen Teyjen im Schnee zurück. Er keuchte. Wie aus dem Nichts formten sich plötzlich Worte auf seiner Zunge, die er nur widerwillig aussprach.

„Ge-gehen wir.“

Und noch bevor jemand antworten konnte, marschierte er mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern an den anderen vorbei und schloss zu Shiro auf, die bereits ein Stück weit vorausgegangen war. Leise, aber trotzdem so laut, dass alle es hören konnte, sprach er das aus, was ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte.

„Wir sind alle Mörder. Alle.“

(bei Lynx, Skadi, Shiro & Takata)
Thema: Kapitel VIII – Gefahrenwege
01.04.2014 21:57 Forum: Das Tal

Seine Pfoten gruben sich verkrampft in den weißen Schnee, der knirschend unter ihm nachgab. So breitbeinig stand er nur selten da, eigentlich gar nicht. Er konnte sich so ein Verhalten normalerweise nicht erlauben. Außerdem kam es ihm immer falsch vor, so war er nicht. Aber die Situation verlangte es nun einmal so, er musste stark sein. Die anderen Wölfe hätten ihn bei Gott nicht ernst genommen, wenn er wie ein Schwächling gezittert hätte, deshalb musste er ruhig bleiben. Oder zumindest so tun als ob. Denn innerlich explodierte er vor Nervosität. Seine Nüstern bebten und die Augen blickten hektisch hin und her.

Takatas Stimme brachte ihn fast zur Weißglut. Es machte ihn wahnsinnig, dass gerade sie, die doch für die ganze Misere verantwortlich war, sich zuerst zu Wort meldete und ihn dann auch noch anschnauzte, als wäre alles nur wegen ihm und seinem großen Bruder so gekommen. Wie konnte sie es wagen, so mit ihm zu reden! Er hatte ihr verdammt nochmal nichts getan! Er war hier das Opfer, der zweite Bruder – es war ihre verdammte Schuld. Ein wenig Verständnis hätte er schon von ihr erwartet, oder war sie zu dumm, um zu begreifen, dass allein sie dafür verantwortlich war, dass Kyevjen nun im Rudel fehlte? Doch diese verfluchte Wölfin schien sturer und egoistischer zu sein als er gedacht hatte. Er konnte sich nicht einmal im Geringsten ausmalen, wie er je eine Art Sympathie für diese Fähe empfunden haben konnte.

Aber ihre Worte hatten ihn zum Nachdenken gebracht. Kyevjen war fort. Er musste sich nicht belügen, was wollte sie hören? Dass es dem Kleinen Spaß machte, dass sein Bruder unauffindbar war? Ihre letzten Worte trafen den jungen Wolf tief. Er war nicht erwachsen und er würde es auch nicht einfach so werden, damit hatte sie einen wunden Punkt getroffen. Sein Gesicht wurde traurig. Aber was bildete sie sich eigentlich ein? Gerade als ihm eine schnippische Antwort auf der Zunge lag, hielt er inne.

Schwungvoll wandte er sich ab. Er musste ruhig werden. So wie Kyevjen es immer war, dann würde er vielleicht bessere Entscheidungen treffen können, bei seinem Bruder schien es so immerhin zu funktionieren. Er durfte sich auf keinen Fall provozieren lassen, denn genau darauf war diese Takata aus – sie wollte, dass Teyjen ihr zustimmte und ihr nachlief wie ein Welpe. Aber das würde er nicht tun. Doch etwas in ihm wollte sich nicht gegen die anderen auflehnen. Teyjen glaubte, es sei seine Vernunft, die ihn warnen wollte. Man würde allein nicht in einer Eishölle wie dieser überleben können, und erst recht nicht einer wie Teyjen es war. Konnte er riskieren, dass sie ihn zurückließen? Ob er denn eine Chance hatte, mit seinen Argumenten gegen sie zu gewinnen, sie zu überzeugen? Selbst wenn er seine Meinung weiterhin vertrat, er würde sie nicht gut genug ausdrücken können, die anderen hätten sich durch sein Gestotter doch nur bestärkt gefühlt.

Nacheinander versuchten sie ihn zu überreden, sie versuchten ihm klar zu machen, was für ihn selbst auch nicht ganz abwegig war, und dennoch fühlte es sich falsch für den Jungen an. Konnten sie denn nicht verstehen, dass er Kyevjen brauchte? Er hatte seinen Bruder schon einmal verloren, und nun wollten sie die Chance auf ein Wiedersehen vereiteln, nachdem sie es schon einmal so gemacht hatten? Teyjen war kurz vorm Explodieren. Doch plötzlich spürte er eine Schnauze an seinem Körper. Er wirbelte herum, doch zu seiner Verwunderung war es nicht Lynx, der ihm so nah war. Die Sandfarbene hatte ihren Kopf in sein Fell gepresst und flehte ihn an. Er wusste nicht wie ihm geschah. Noch nie hatte er Skadi so sanft und emotionsvoll erlebt, sie schien ihm plötzlich ein wenig fremd. Konnte das wirklich Skadi sein? Doch trotzdem wusste er ihre Geste zu schätzen und legte seinen Kopf ebenfalls in ihren Pelz. Gerade als die Wut zu verfliegen schien, gab Shiro den Befehl zum Weiterziehen. Aber das passte dem Kleinen überhaupt nicht.

„Nein!“ Schrie er. So laut, dass er sich selbst erschreckte
.
„Wenn wir je-etzt gehen, dann wi-wird er ste-erben!“ Beschämt über sein eigenes Gestotter machte er eine kurze Pause, aber es war noch lange nicht alles. Teyjen war jung, aber er wusste, dass selbst Kyevjen hier alleine nicht lebend rauskommen würde. Aber das schien den anderen nicht klar zu sein.

Dem Jungwolf schossen abertausend Bilder durch den Kopf, als er an seinen Bruder dachte. So viele Erfahrungen hatte er schon mit ihm gemacht, zu viele, um ihn einfach zurückzulassen. Die Vorstellung war total absurd!

„Me-ein Bruder hat mich da-damals gefunden, a-als ich ihn gebraucht habe. Je-etzt bi-bin ich an d-der Reihe.“
Und um seine Entschlossenheit zu verdeutlichen, setzte er sich in den Schnee und wartete seelenruhig auf das Donnerwetter, das nun losbrechen würde. Die Folgen seines Verhaltens waren ihm egal, alles was zählte, war das Leben seines Bruders.

(bei Lynx, Skadi, Shiro & Takata)
Thema: Kapitel VIII – Gefahrenwege
09.03.2014 21:15 Forum: Das Tal

Sein Hals brannte von den tausend unausgesprochenen Worten, die alle in seiner Kehle feststeckten und gesagt werden wollten. Er wollte schreien, weinen, fluchen. Doch er tat gar nichts davon. Stattdessen lag er im Schnee, der sein Fell durchnässte und ihn frösteln ließ. Seine eigene Frage hatte ihn selbst mehr aus der Bahn geworfen, als er beabsichtigt hatte, denn nun musste er sich selbst fragen, was aus ihm werden würde. Nichts, dachte er bei sich. Ob überhaupt etwas aus ihm geworden wäre, selbst wenn Kyevjen ihn weiter begleitet hätte? Sein Atmen wurde flacher, er hechelte, obwohl ihm kalt war.
Er wollte nicht hinhören, aber vor dem Gespräch zwischen Skadi und Shiro konnte er die Ohren nicht verschließen, viel zu bedeutend war für ihn das, was sie sagten. Nur zwei Tage. Er war erst seit zwei Tagen weg. Das war lange genug, um längst weitergezogen zu sein, aber auch so kurz, dass eine klitzekleine Chance bestand, ihn wiederzufinden. Weit konnte er nicht sein, er musste sich ganz einfach verlaufen haben. Teyjen wusste, dass sein Bruder sich noch nie verlaufen hatte, aber es war die einzige Hoffnung für das Geschwisterpaar. Kyevjen saß bestimmt fest, irgendwo in der Schlucht, fernab des Weges, sonst hätten sie ihn rufen hören. Es konnte gar nicht anders sein. Sein Bruder würde ihn niemals einfach so im Stich lassen, es sei denn - er hatte keine andere Wahl. Mit einem Auge blinzelte der Jungwolf zur Felswand, die bereits für so viel Unglück gesorgt hatte, wie der Jungwolf sich nie erdenken hätte können, und ihm wurde mulmig zumute. Die Natur war ein Untier. Es wäre alles anders gekommen, hätten sie nicht diese eine bestimmte Richtung eingeschlagen. Vielleicht wären sie nie in die Schlucht geraten, oder hätten sie wenigstens umgehen können. Wohin zogen sie denn überhaupt? Den Kopf immer noch in einem Bett aus Schnee liegend, schaute er in die Runde, bis sein Blick an Takata hängen blieb. Wir folgen den Störchen, es war ihre Idee gewesen. Alle haben ihr Glauben geschenkt. Einfach alles war ihre Schuld, aber Teyjen fragte sich, ob auch sie das wusste.

Der Kleine horchte auf, als Lynx ganz nahe an seinem Ohr flüsterte, er konnte seinen warmen Atem spüren. Bei seinen Worten erfüllte ihn eine wohlige Wärme, plötzlich hatte er nicht mehr das Gefühl allein in dieser Einöde zu sein, er war nur mehr sehr, sehr einsam. Ja, sie würden sich um ihn kümmern, dann würde er so weise werden wie Lynx und so stark und verwegen wie Skadi. Vielleicht würde dann ja doch etwas aus ihm werden, auch ohne seinen Bruder. Ein recht ansehnlicher Wolf, dacht er. Da die Sorge, plötzlich alleine zurückzubleiben, langsam von ihm abfiel, richtete sich der junge Wolf auf, sah den Weißen eindringlich an, um ihm zu sagen, dass er ihm dankte, und schüttelte sich kurz, bevor er sich wieder zurück in den Schnee fallen ließ. Immer noch herrschte diese bedrückte Stimmung, doch Teyjen kam sie ganz gelegen. Er wollte traurig sein, die anderen sollten wissen, wie sehr es ihn verletzt hatte, dass sie seinen einzigen Bruder einfach so gehen hatten lassen. Der Kleine wusste nicht, ob er ihnen diesen Fehler je verzeihen würde.

In seinen Gedanken versunken hatte er verpasst, als die Gruppe beschlossen hatte, weiterzuziehen. Aber das war unmöglich für den Kleinen. Selbst als Lynx ihn anstupste und ihn zum Aufstehen bewegen wollte, weigerte er sich und blieb einfach liegen. Er würde nicht mit ihnen gehen, solange es sein konnte, dass Kyevjen in genau die andere Richtung lief. Das könnte er nicht, er wollte zu Kyevjen und nicht von ihm weg.
Doch plötzlich sprang er doch auf, duckte sich und legte mit weitaufgerissenen Augen die Ohren an. Er musste ausgesehen haben, als sei er geisteskrank, aber vielleicht war er das ja auch ein kleines bisschen. Ganz langsam und mit überraschend kräftiger Stimme wandte er sich an die gesamte Gruppe. Und dieses Mal würde er, der kleine Teyjen, ein Nein nicht akzeptieren.

„Wir müssen ihn suchen. Ohne ihn werde ich nicht gehen.“

(Bei Lynx, Skadi, Shiro & Takata)
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